Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 1:
Curb Your Enthusiasm (6. Staffel, HBO)

Barcelona, 12. August 2008, 15:58 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Wer eine 6. Staffel abliefert, die so lebendig, innovativ, voller hundertprozentiger Storyideen ist, der hat den 1. Platz verdient! Larry David gelang es abermals, ein hervorragendes Ensemble abstruser Probleme und überraschend aufgehender Plots abzuliefern.

Die größte Überraschung war sicher die Trennung von Cheryl, die bisher stärkste Zäsur, die in der Serie gesetzt wurde. Diese Frauenlosigkeit hat gleichzeitig zu ganz neuen Storyideen geführt. So muss Larry inzwischen wieder daten, und allein wie sein erstes Date (mit der Darstellerin von Xena the Warrior Princess, Folge 7) fehlgeht, ist wieder schön unfassbar und sehenswert.

Ein Clou der Staffel gleich zu Anfang ist die Aufnahme der hurrikangebeutelten Familie Black. Sie treten danach nicht allzu oft in Aktion, und auch der zugehörige Cousin Leon spielt keine allzu tragende Rolle. Durch seine Kumpeleien mit Larry und seine pointierten Aussagen (»You got long balls, Larry!«) setzt er sich aber sofort im Gedächtnis fest, und auch Auntie Rae (Folge 8) und Loretta (gleich in Folge 1) haben ihre Momente.

Außerdem gar nicht genug zu loben ist die häufigere Präsenz von Marty Funkhouser. Wie dieser Langweiler immer wieder in Szene gesetzt wird, wie er und Larry sich ihre Zeit mit Scheinkonflikten vertreiben, ist ein echtes Festival der Sprache. Auch die Hinterfragung von gesellschaftlichen Konventionen feiert wieder fröhliche Urständ, etwa das Sachenverwechseln beim Dry Cleaning (Folge 2) oder das »sample abusing« und das Schlangesteh-Verhalten bei mehreren Wartereihen, die alle zum selben Ziel führen (Folge 3).

Der eindrucksvollste Gastauftritt war dann der von John McEnroe, der von Larry als Taxifahrer »Charlie« herumgefahren wird und sich dann lauthals mit ihm über das »Freak Book« amüsiert (Folge 5).

Ansonsten haben wir die lang erwartete neue Staffel hier beim Umblätterer sowieso schon folgenweise kommentiert. Es sollen mindestens 2 Seasons folgen, das ist mehr, als wir zu hoffen wagten, nachdem Larry David sonst nach dem Ende einer Staffel die Frage um eine Fortsetzung der Serie stets offen gelassen hatte.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 2:
Desperate Housewives (4. Staffel, ABC)

Barcelona, 12. August 2008, 08:01 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Während es bei »Lost« gerade erst loszugehen scheint, ist der Hype um die »Desperate Housewives« irgendwie vorbei. Soll mir Recht sein, die Serie ist aber immer noch die am besten erzählte Dramedy der Welt mit beglückenden Dialogen, die auch auf einer Theaterbühne Bestand haben würden.

Nachdem in den ersten beiden Staffeln vor allem Bree mit den interessantesten Storylines ausgestattet wurde, ist diese 4. Staffel eine Lynette-Staffel gewesen. Sie wird zugebombt mit Schicksal, als wenn es kein Morgen gäbe. Nachdem sie ihren Krebs besiegt hat, der in einigen schönen Szenen allegorisiert wurde (sie tötet ein Opossum, das sich in ihrem Vorgarten breit gemacht hatte, Folge 6), beginnt ihre Stieftochter Kayla eine Intrige gegen ihre ungeliebte neue Mutter (Folge 15).

Die tyrannische Kayla (Rachel G. Fox) ist wirklich gut besetzt, sie ist so kindisch-bösartig wie es einst Andrew Van De Kamp war (der mittlerweile nur noch in der Scavo-Pizzeria arbeitet und sonst nicht viel macht). Sie bringt sich selbst ein paar Wunden bei und behauptet, von Lynette missbraucht und geschlagen worden zu sein (4.16/17). Insgesamt wird hier das althergebrachte Stiefmutter-Motiv überzeugend aktualisiert.

Wie in jeder Staffel gibt es neue Nachbarn, die ein dunkles Geheimnis mit sich bringen. Diesmal ist das die alte Bekannte Katherine Mayfair, die nach über 12 Jahren mit ihrer Tochter Dylan und ihrem neuen Mann Adam in die Wisteria Lane zurückkehrt. Bei ihrem damals überstürzten Aufbruch war etwas zwischen ihr und ihrem damaligem Mann bzw. beider Tochter vorgefallen. Wie so oft kommen in der Auflösung des Rätsels um die Geschehnisse vor 12 Jahren ein paar Horrorelemente mitgeschwommen.

Die Storys der anderen Housewives sind auch ganz passabel: Da es im WASP-Milieu für eine minderjährige Unverheiratete wie Danielle ungebührlich ist, schwanger zu sein, zieht Bree die Idee mit ihrem falschen Babybauch durch. Sie platziert ständig ein größer werdendes Kissen unter ihrer Kleidung, um das Kind ihrer ungebührlichen Tochter Danielle später als ihr Eigenes ausgeben zu können. Was für eine Idee!

Auch die Gabrielle-Story liefert einen köstlichen Höhepunkt: In Folge 7 wirft sie ihren frisch angetrauten Mann, den gerade gewählten Bürgermeister Victor Lang, mit Hilfe eines Paddels über Bord seiner Yacht. Sie handelt in Notwehr, denn Victor will sie gerade für die Affäre mit ihrem Ex-Mann Carlos bestrafen. Daraufhin suchen Gabi und Carlos vergeblich die Wasseroberfläche nach Victor ab und halten ihn für tot. Sie schicken die Yacht herrenlos auf den Ozean hinaus und beschließen Stillschweigen zu bewahren. Diese spannend erzählte Substory ist eine schöne Reminiszenz an Patricia Highsmiths ersten »Ripley«-Roman bzw. dessen grandiose Verfilmungen von René Clément (1960) und Anthony Minghella (1999).

In Folge 9 erleben wir den Höhepunkt der gesamten US-Seriensaison: Ein Tornado erwischt die Housewives-Gegend. Und wie das erzählt wird, wie da das Ende vorweggenommen wird, wie derart die Spannung in Szene gesetzt wird, wie der biblische Off-Ton der Mary Alice Young die Geschehnisse sinister kommentiert, das ist einzigartig.

Und was »Lost« kann, können die »Desperate Housewives« schon lange. Der Flashforward bei »Lost« führte nur um die 3 Jahre in die Zukunft. Am Ende der 4. DH-Staffel werden wir mit einem 5-Jahres-Sprung in die Zukunft konfrontiert. Was für ein Cliffhanger! Wollen wir hoffen, dass das Drehbuch diese protzige Vorausschau auch wirklich ausgestalten kann.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 3:
Lost (4. Staffel, ABC)

Barcelona, 11. August 2008, 16:00 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Zu »Lost« müssen wir im Prinzip nichts mehr sagen, wir haben die 14 neuen Folgen ja minutiös begleitet (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13+14).

Nachdem die Vorgängerseason ein paar Längen hatte und einige Enttäuschungen mitbrachte (Mr. Ekos relativ unmotivierten Tod u. a.), gab es in Staffel 4 wieder Mystery vom Feinsten, auch wenn sich der Hauptplot leicht Richtung SciFi verschoben hat (vor allem Folge 5 machte es einem nicht einfach, mit den neuen Storyideen mitzugehen).

Aber nach 3 wirklich fulminanten Folgen zu Beginn der Staffel war es unmöglich, nicht wieder von »Lost« angefixt zu werden. Ein paar Rätsel wurden teilaufgelöst, etwa die Mechanismen des Black Smoke Monsters, und das ist doch bei einer derartigen Geheimniskrämer-Serie wirklich mal bemerkenswert.

Dass eine urwüchsige Machtgestalt wie Benjamin Linus mittlerweile die Hauptrolle spielt, ist super und verdeutlicht einmal mehr den metaphorischen Drall, mit denen »Lost« seine Figuren zeichnet. Auch der Locke/Jack-Antagonismus zwischen Glaube & Vernunft tritt wieder in einigen schönen Szenen zutage.

Vor allem aber hat die Einführung der Flashforwards für eine ganz neue Dimension gesorgt. Der am Ende von Staffel 3 eingeführte Twist, der damals alle verwirrt hat, wurde souverän plausibilisiert und hat zu einer gesteigerten Spannung geführt.

Das Ende ist nah, zumindest absehbar. Es folgen noch 2 Staffeln, von denen die erste im Januar 2009 starten wird.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 4:
Breaking Bad (1. Staffel, amc)

Barcelona, 11. August 2008, 06:42 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Was für eine Pilotfolge! Noch nie hat eine Serie so fulminant begonnen! Wir sehen den Chemielehrer Walter White, nur mit Gasmaske und Liebestöter-Slip bekleidet, in einem Wohnmobil durch die Wüste von New Mexico rasen, verfolgt von Sirenengeheul. WAS IST DA LOS! Serien lassen sich ja normalerweise mehr Zeit als Filme, aber hier will man SOFORT wissen, was da abgeht. Und man bleibt dran, bei dieser wegen des Streiks leicht auf 7 Teile verkürzten 1. Staffel.

Die Grundidee der Serie ist auch entsprechend innovativ, sie basiert auf einer wirklich unkonventionellen Konstellation. Walt (Bryan Cranston aus »Malcolm in the Middle«) bekommt einen inoperablen Lungenkrebs und eine nur noch kurze Lebenserwartung diagnostiziert. Weil er seine schwangere Frau, seinen behinderten Sohn und das ungeborene Kind nicht mittellos zurücklassen will, möchte er schnell ein bisschen was dazuverdienen und tut sich mit seinem herrlich tumben Ex-Schüler Jesse zusammen, der in kleinem Stil mit Drogen dealt. Walt setzt sein chemikalisches Know-how nun dazu ein, äußerst gelungenes Crystal Meth herzustellen, das Jesse dann verkaufen soll – was für ein Team!

»Slinging dope« ist aber nicht so einfach, und deshalb braucht es Mittelsmänner, Distributoren mit mehr Macht und mehr Kontakten auf dem Drogenmarkt. Jesse hat so einen Dealerkollegen, Krazy 8, der aber kurz nach dem geschlossenen Lehrer-Schüler-Pakt über die Klinge springt. Der wirklich sehr bürgerlich-korrekt ausschauende Chemielehrer hat nämlich ganz spontan einen Doppelmord geplant, nachdem er von Krazy-8 und dessen Cousin Emilio mit einer Pistole bedroht wurde: Während er vorgibt, Meth zuzubereiten, setzt er die beiden im Wohnwagen einer Monophosphan-Attacke aus, während er selbst aus dem Wagen springt und die Tür zuhält.

Krazy-8 überlebt, wird jedoch später, eher unfreiwillig aber doch dezidiert, von Walt stranguliert, wieder in höchster Gefahr. Die Leiche muss entsorgt werden, und Walt kennt sich ja aus. Leider versetzt Jesse den toten Dealer nicht in der von Walt empfohlenen Plastikwanne der Disposal-Säure aus, sondern in der Badewanne. Es ergibt ein schaurig-wundersames Bild, wenn die Wanne mit den Körperresten durch die Decke bricht, weil die Säure eben nur vor einer bestimmten Sorte Plastik halt macht.

In »Breaking Bad« wirkt eine sofort bezaubernde Leichtigkeit, wie sie auch Filme wie »Knocking on Heaven’s Door« ausstrahlen: Es ist sowieso alles egal, man wird bald sterben, man hat nichts mehr zu verlieren, also: Flucht nach vorn. In Folge 5 ist Walt denn auch drauf und dran, die Behandlung seiner Krankheit abzulehnen, weil er in seinen letzten Monaten »in his own house« sein will. Er sagt dann aber doch zu, für seine Frau, aber auch für uns Publikum, denn schließlich braucht eine Serie ja auch ihren Protagonisten. Weil er Geld für die teure Spezialbehandlung benötigt, nimmt er wieder Kontakt zu Jesse auf. Und dann wird es gegen Staffelende wieder ganz groß:

In den letzten beiden Folgen kommt ein neuer Distributor ins Spiel, der brutale Hispanic Tuco, der Jesse erst mal zu Brei schlägt, als der ihm eine Ladung bestes Crystal Meth bringt. Walt hat es ja aber eilig mit dem Geld verdienen und will die Ware selbst an den Mann, an Tuco bringen. Es folgt eine der größten Szenen der Seriengeschichte, wenn der Herr Lehrer sich mit einem Beutel Meth und einem Brocken Knallquecksilber zur Selbstverteidigung in die Höhle des Drogenbosses begibt (Folge 6).

Also: Statt der vor Saisonbeginn so himmelhoch gehandelten Newcomer »Reaper«, »Journeyman« und »Pushing Daisies« war »Breaking Bad« die wirklich große Überraschung der Saison ’07/’08! Seit Mitte Juli wird die 2. Staffel gedreht, gesendet wird sie voraussichtlich Anfang 2009.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 5:
Californication (1. Staffel, Showtime)

Barcelona, 10. August 2008, 15:04 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Sex & Drugs & Write’n’Roll gibt es in dieser herrlich unkonventionellen neuen Serie des Pay-TV-Senders Showtime. Den New Yorker Erfolgsautor Hank Moody (nomen est omen, natürlich) hat es nach L. A. verschlagen. Dort verbreitet er nun einen Hauch von Charles Bukowski, indem er seine Schreibblockade an den üblichen Spass- und Suchtmitteln auslässt. Dass so ein Hardcore-Typ mit der weichgespülten Verfilmung seines Romans »God Hates Us All« konfrontiert wird (starring »Katie and Tom«, hehe), lässt ihn noch mehr mit seiner Existenz als Autor hadern.

Mit »Californication« ist David Duchovny (»The X-Files«) ein hammerhartes Comeback gelungen. Er spielt den immer irgendwie delirierenden Hank so abgeklärt mürrisch, aber immer mit einem lachenden Auge, dass er loveable bleibt. Seine Ex-Frau Karen, die ihm schon mal vorwerfen darf, dass er »frisch nach Pussy« riecht, ist grandioserweise mit Natascha McElhone besetzt.

Durch die gemeinsame Tochter Becca erhält die Serie auch ein wenig bürgerliche Bodenhaftung. Karens zukünftiger neuer Ehemann wiederum ist eine Anzug tragende Superlusche namens Bill (gespielt von Damian Young, der in einer ähnlichen Rolle schon in der Lisa-Kudrow-Serie »The Comeback« brilliert hat). Dessen lustig hintertriebene Tochter Mia verführt Hank, der aus allen Wolken fällt, als er erfährt, dass er die Tochter des Verlobten seiner geschiedenen Frau vernascht hat.

Mia treibt ihr Spiel, das vornehmlich ihrer Langeweile geschuldet ist, noch weiter, indem sie Hanks neues Manuskript stibitzt, für ihr eigenes ausgibt und ihre Agentin schon den großen Coup à la »Melissa P.« planen lässt (unschuldiges Teengirl erlebt sooo verbotene Sachen).

Ansonsten gibt es viele schöne Einzelszenen, etwa den Kampf zwischen Hank und dem für die Verfilmung von Hanks Roman als »A Crazy Little Thing Called Love« verantwortlichen Regisseur Todd Carr (Chris Williams, bekannt als »Krazee-Eyez Killa« aus der gleichnamigen Folge von »Curb Your Enthusiasm«). Oder die In-flagranti-Szene, bei der Hank und sein nicht minder abgründiger Agent Charlie von ihren (Ex-)Frauen bei einem Threesome erhascht werden.

Soviel Herrlichkeit schreit nach einer baldigen 2. Staffel, und was für ein Glück, sie soll schon ab Herbst ausgestrahlt werden.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 6:
Dexter (2. Staffel, Showtime)

Barcelona, 10. August 2008, 06:36 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Eine Serie wie »Dexter« kann wahrscheinlich nur in einem Land entstehen, in dem die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist. Morgan Dexter (Michael C. Hall aus »Six Feet Under«) ist der verlängerte Arm dieser Justizauffassung: Der selbsternannte »Müllrausbringer« ist zwar ein Serienkiller par excellence, zerhackstückt aber sympathischerweise eben nur von der Polizei nicht gefasste Bösewichter.

Die 1. Staffel hatte ein derartiges Schockpotenzial, dass ihr Erfolg und die Ansetzung einer Folgestaffel nur mit der hervorragenden Inszenierung zu erklären sind, der ausgewogenen Mischung aus warmen Floridafarben und kaltem Inneren des unscheinbaren Massenmörders. In der 2. Staffel nun werden am Rande der Hafenbucht dessen säuberlich zerlegte Leichen entdeckt.

Als sich herausstellt, dass es sich fast ausschließlich um schwere Straftäter handelt, wird die Sache zur kontroversen Angelegenheit. In Folge 5 sehen wir etwa die Zeitungsschlagzeile »Bay Harbor Butcher: Friend or Foe?« (Dass sich der Ästhet Dexter über seinen medialen Spitznamen gleich aufregt, ist natürlich verständlich.)

Das Sympathisieren mit dem Killer wird in Staffel 2 noch dadurch verstärkt, dass Dexter mit dem grausigen Leichenfund vom Jäger zum Gejagten wird und wir nicht umhinkommen, uns mit ihm vor seiner Enttarnung zu fürchten. Überhaupt ist Dexter in einer schweren Schaffenskrise und lässt seine pathologisch bedingte Selbstjustiz kurz pausieren.

Das übrige Personal ist grandios um Dexter herumgruppiert. Etwa seine Suchthelferin, die durchgeknallte britische Extremkünstlerin Lila, die eine unbedingte Bereicherung dieser Staffel war. Sie hat ein Faible für Dexters Abgründe, ohne zu ahnen, was wirklich dahinter steckt. Diese Ungenauigkeit hat zur Folge, dass in dieser Staffel Sucht als Metapher behandelt werden kann, und demgemäß sind Dexters Off-Kommentare oft genug wieder schön doppelsinnig.

Durch Lilas Auftreten wird Dexters Freundin Rita zwar etwas aus dem Fokus gedrängt, spielt aber nach wie vor eine tragende Rolle als Alternative zu seiner inneren Kaltwelt. Das mögliche Familienglück, zu dem neben Rita auch ihre beiden Kids gehören, wird gegen Ende der Staffel wieder wichtiger, nachdem Dexter zwischendurch die Verbundenheit zu einer anderen Frau gespürt hat, der gegenüber er seine Abgründe andeuten konnte – hundertprozentige Offenheit war letztlich aber doch nicht möglich.

Er scheint verstanden zu haben, dass dies nur ein Scheinglück war und schon deshalb nicht funktionieren kann, weil er nun mal grundlegend anders gepolt ist als andere Menschen. Dieser Aspekt wird weiterhin durch einige Rückblenden in Dexters Kindheit bearbeitet, in der sein Adoptivvater die zentrale Rolle spielt.

Fehlt noch der manische Dexter-Hasser Doakes, ein Polizistenkollege, der seinen Verdacht gegen Dexter endlich bestätigt sehen kann. Genützt hat ihm das am Ende nichts, und deshalb kann Dexter unenttarnt weiter machen, eine 3. Staffel ist in Sicht (wird ab Ende September ausgestrahlt).


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 7:
The Office (4. Staffel, NBC)

Barcelona, 9. August 2008, 15:45 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Das als 1:1-Kopie gestartete US-»Office« hatte sich ja recht schnell von seinem BBC-Vorbild emanzipiert, und auch in Staffel 4 kann die Serie überzeugen. Der Sender verdoppelte die ersten 4 Folgen und das Finale in Folge 14 auf eine Stunde Sendezeit, und obwohl das die durchschnittliche Sitcom-Länge erheblich überschreitet, funktioniert es sehr gut.

Schon der Staffel-Opener ist ein Riesenspektakel: Michael fährt zur Arbeit und erzählt der Kamera dabei, wie gut alles läuft – als er auf einmal Meredith über den Haufen fährt. Er flüchtet natürlich vom Unfallort und teilt dem Büropersonal mit, dass Meredith überfahren wurde, und dass er, ähm, in dem Wagen saß, der sie, ähm, angefahren hat. »It’s only Meredith«, versucht ihn Dwight später zu trösten, und das ist ja gleich wieder mal ein ziemlich heftiger Dwight-Satz.

Überhaupt Dwight: Er hat es inzwischen geschafft, als absolut unerträglicher Nerd mit absolut hinterwäldlerischen Prinzipien zum Publikumsliebling zu avancieren. Man leidet wirklich mit ihm mit, als er von Angela verlassen wird, nachdem er ihre Katze Sprinkles umgebracht hat.

Pam & Jim sind nun endlich zusammen, am Ende der Staffel will Jim ihr sogar einen Heiratsantrag machen. Das wird aber von dem grandios unsensiblen Andy verhindert, der ein von Jim arrangiertes Party-Setup einfach dazu nutzt, seinerseits Angela einen Antrag zu machen. Allen »Dwight-&-Angela«-Fans (mir!) dürfte der Atem gestockt haben, als Angela widerwillig ja sagt. Glücklicherweise sehen wir etwas später Dwight und Angela beim heimlichen Making-out, offenbar macht das mehr Spaß, nachdem man mit jemand anderem verlobt ist.

Nachdem Jan ihren Job bei der New Yorker Geschäftsleitung von Dunder Mifflin verloren hat, zieht sie zu Michael. Ihr Crazyness kommt immer mehr durch. In Folge 9 dürfen wir ein wahres Dinner-Desaster bezeugen: Michael & Jan laden Pam & Jim ein, dazu noch Angela und Andy, und später stößt Dwight noch dazu – mit seiner alten Babysitterin als Begleiterin.

Es folgt echter Dialoghorror, der darin endet, dass Jan den lächerlich kleinen Plasma-TV von Michael zertrümmert, und schlussendlich kommt auch noch die Polizei vorbei. Danach ist Jan erst mal weg vom Fenster, kommt allerdings in der 14. (und letzten) Folge zurück, und zwar schwanger, allerdings nicht von Michael:

»If I was 22 and I had lots of time to have lots of children, then, sure, let’s Michael have a shot at one of them, but honestly, I need to make this one count.«

Michael will sie jedenfalls unterstützen: Eine verheißungsvolle Ausgangslage für die 5. Staffel, die mit sage und schreibe 28 neuen Folgen bestückt sein soll. Bis dahin wird es wie im letzten Jahr einige Webisodes auf nbc.com geben.

Und als Anhang noch ein paar weitere Höhepunkte der letzten Staffel: In der 3. Folge kidnappt Michael einen Pizzaboten, weil dieser keine Rabatt auf alle bestellten Pizzas geben will, weil Michael nur einen Rabattflyer hat. In Folge 4 arbeitet er dann in einem Zweitjob in einem Call Center, weil er kurz vor dem Bankrott steht (Renovierung seiner Wohnung und Jans Shopping). Außerdem in Folge 4: Pam & Jim buchen einen Kurzaufenthalt auf der Schrute-Farm, inklusive einer Harry-Potter-Gutenachtgeschichte, gelesen von Dwight persönlich.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 8:
The Tudors (2. Staffel, Showtime)

Barcelona, 9. August 2008, 06:53 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

»Mist, wieder nur ein Mäderl!« In Folge 3 wird Elizabeth geboren, und Henry is not amused, da er nun immer noch keinen männlichen Nachfolger präsentieren kann. Der Rest der 10 Folgen dieser 2. Staffel, die zwischen 1533 und 1536 spielt, führt dann für seine aktuelle Ehefrau und Queen, Anne Boleyn, zum Schafott, damit es in der nächsten Saison mit Ehefrau Nummer 3 weitergehen kann.

Dabei sieht es anfangs eigentlich so gut aus: »This is a new beginning«, diesen Spirit verströmt die Krönung von Queen Anne in Folge 3. Sie ist gleich auch schwanger, und die Konkurrentin Mary (Henrys Tochter aus seiner Ehe mit Katherine) verliert ihren Status als Prinzessin (aber ok, wir werden sie bald als Bloody Mary wieder sehen, spätestens 1553, hehe).

Doch dann verliert Anne ihr zweites Kind (Folge 4). Henry nimmt den erneuten Fehlschlag mit steigender Kälte hin. Zudem verlieren Anne und ihre Boleyn-Sippe, die vorher so klug um die Teilhabe an der Macht taktiert hatte, zunehmend die Kontrolle. Irgendwann mehren sich die Gerüchte über Annes angeblicher Untreue. Sie werden von ihren Gegnern geschickt gestreut, bis Henry sie schließlich dafür benutzt, um seine sohnlose Frau loszuwerden. Am Ende werden ein paar vorgebliche Lover festgenommen, »for high treason and having carnal knowledge of her Majesty the Queen« (Folge 9).

Anne geht es nun wie ihrer Vorgängerin Katherine of Aragon: Sie wird zurechtgewiesen, ignoriert, gedemütigt und durch andere Gespielinnen ersetzt, zuletzt durch Lady Jane Seymour (ab Folge 7). Anne ertappt Henry und Jane beim Stelldichein, rastet aus, verliert ihren Jungen. Henry beschließt endgültig, sich eine andere Frau zu nehmen (Folge 8).

Neben dem Königspaar stechen zwei andere Figuren aus dem Ensemble hervor: Thomas More und der Papst Paul III. Ersterer fällt dabei nicht durch irgendwelche Brillanz auf, sondern durch das Gegenteil: Schon in der ersten Staffel war Thomas More nicht der ingeniöse Autor der »Utopia«, sondern wurde als eher banal daherredender Vertrauter Henrys gezeichnet.

Nun soll Sir Thomas den exemplarischen Märtyrer spielen, wirkt mit seiner kleingeistigen Sturheit aber auch wieder etwas dümmlich. Er will partout nicht auf den König als Oberhaupt der anglikanischen Kirche schwören und wird hinter Gitter gepackt (Folge 4). Am Ende der 5. Folge wird er geköpft.

Und dann ist da noch der wirklich grandiose Peter O’Toole als neuer Papst Paul III., der diabolisch fragt: »Why doesn’t someone just get rid of her?« (Folge 1, gemeint ist natürlich Anne). Als Ergebnis der unerfolgreichen Verzögerungstaktiken seines Vorgänger Clemens VII. kommt es 1534 zur Abspaltung der Anglikanischen Kirche, und auch Paul III. gelingt es trotz zahlreicher Versuche nicht, das rückgängig zu machen.

Er absolviert aber trotzdem ein paar eindrucksvolle Auftritte: So begegnet er einem fluchenden Michelangelo, der gerade die Sixtinische Kapelle ausmalt (Folge 5). Der Papst wirft einen Blick hinein, und das ist nicht mehr als ein schöner Effekt, den ich mir als Drehbuch auch nicht hätte entgehen lassen, hehe.

Obwohl diese 2. »Tudors«-Staffel mit ihren 10 einstündigen Folgen wieder arg in die Länge gezogen wurde, wird die Zeit mit interessanten Subgeschichten und Twists gefüllt. Inzwischen wurde auch bestätigt, dass Showtime mit der Serie alle 6 Frauen des englischen Königs abdecken will. Die 3. Staffel soll 2009 folgen.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 9:
Big Love (2. Staffel, HBO)

Barcelona, 8. August 2008, 15:52 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

Dass die Henricksons am Ende der letzten Staffel als Polygamisten geoutet wurden, hat auf den ersten Blick weder der Familie noch Bills Firma geschadet. So geht es in der Folgestaffel auch nicht wirklich um eine Konfrontation zwischen der polygamistischen Parallelwelt mit der Restgesellschaft. Vielmehr vermehrt sich der innere Konflikt zwischen Bill und Roman bzw. dessen Sohn Alby und führt in den 12 neuen Folgen zu einiger Action.

Ein interessanter Nebencharakter in Staffel 2 wird die 15-jährige Rhonda, die auf dem Juniper-Creek-Komplex der Polygamisten aufgewachsen ist und nun die nächste Frau von Bills großem Gegenspieler Roman werden soll. Sie flieht und wird von den Henricksons in der Annahme aufgenommen, sie sei ein unschuldiges Lamm und wolle nur ihrer Zwangsheirat aus dem Weg gehen. Sie ist jedoch eine notorische Lügnerin, deren soziales Empfinden völlig falsch programmiert ist.

Überhaupt ist ja die Frage, was der in der Serie demonstrierte Lifestyle aus den Kindern macht, die in dieser Umgebung aufwachsen. Das wird sehr schön auch anhand der beiden Ältesten der Henrickson-Familie gezeigt: Während Ben sich immer mehr dem polygamistischen ›Principle‹ annähert, versucht Sarah mit aller Kraft Abstand davon zu nehmen.

Branka Katić (aus »Schwarze Katze, weißer Kater«) hat eine vorzügliche Gastrolle als serbische Kellnerin Ana bekommen, die als Bills Viertfrau in Betracht gezogen wird. Dass sie es trotz viel versprechender Andockversuche nicht wird, spricht für die Serie. Sie lotet eben den polygamist lifestyle aus, ohne irgendwelche Gelüste nach Sensationen wie Viertfrauen zu bedienen. Vielmehr geht es um Machtpolitik zwischen den aktuellen drei Frauen von Bill: Margene fädelt nämlich die Bekanntschaft ein, um ihre Position innerhalb der Familie zu stärken.

Auch in Staffel 2 hält »Big Love« das hohe Niveau. Die Autoren beuten das Story-Setup nicht für irgendwelche schnellen Effekte aus, sondern entwickeln ihre Geschichten langsam und genau. Die 3. Staffel läuft ab Januar 2009.


Die 30 besten US-Serien 2007/08, Platz 10:
John Adams (Miniserie, HBO)

Barcelona, 8. August 2008, 06:49 | von Paco

(Übersicht: Alle 30 besprochenen Serien. – Vorwort: Besuch im Serienland.)

HBO ist mit den 7 Folgen dieser Miniserie eine eindrucksvolle Erzählung des rechtsstaatlichen Gründungsmythos der Vereinigten Staaten gelungen. Mit dem Porträt des zweiten Präsidenten John Adams haben sich die Autoren gleich die ersten 50 Jahre des neuen Staates aufgebürdet, und trotz der teilweisen (aber bei solchen Jahresspannen natürlich üblichen) Ahistorizität ist diese Geschichtsstunde gelungen.

Gleich zu Anfang wird die puritanische Redlichkeit von Adams effektvoll unterstrichen: Nach dem Boston Massacre 1770 verteidigt er die englischen Mördersoldaten – eine undankbare Aufgabe, mit der er aber demonstrieren will, dass das bald gegründete Amerika ein Land von Recht und Ordnung sein müsse.

Paul Giamatti gibt seinen John Adams als Pragmatiker, der etwa mit dem savoir vivre der Franzosen nichts anzufangen weiß (die »New York Times« findet übrigens, er sehe aus wie Shrek, hehe). Auf einem Bankett mit potenziellen europäischen Geldgebern muss er etwa von Benjamin Franklin dahingehend zurechtgewiesen werden, dass er nicht gleich zur geschäftlichen Sache kommt. Am Ende der 5. Folge wird er jedenfalls Präsident (1797), nach einem knappen Sieg über Jefferson, dem er dann bei der nächsten Wahl (1801) aber weichen muss.

Obwohl die historische Vorlage viele essenzielle Gerichtsszenen mit sich bringt, denen bei der Verfilmung nicht immer das Staubige ganz genommen werden konnte, gibt es auch viele schöne Einzelszenen, etwa die Audienz beim englischen König George III. in Folge 4: Der King kuckt erst ganz böse und meint, er sei der letzte gewesen, der einer Unabhängigkeit der U. S. positiv gegenübergestanden habe. Man befürchtet schon das Schlimmste – eine prickelnde Szene, bei der George dann aber ganz realpolitisch vermerkt, dass er trotzdem der erste gewesen sei, der die Freundschaft des neuen Landes suchen wollte.

Am bedeutendsten an der Serie sind freilich die aktuellen Lesarten, die sie bietet. So will Adams die jungen USA nach der so genannten »XYZ-Affäre« (1798) aus einem Krieg mit Frankreich heraushalten (Folge 6). Dem entspricht auch die Botschaft im Vorspann von Folge 7: »War is never inevitable.«

Viele Artikel in US-Medien zeugen davon, dass »John Adams« gerade im Jahr der Präsidentschaftswahl ein hochrelevantes Fernsehereignis gewesen ist. Die Miniserie wurde für die Verleihung der Emmy Awards im September denn auch mit 23 Nominierungen bedacht.