Lost: 4. Staffel, 9. Folge

auf Reisen, 26. April 2008, 18:15 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Shape of Things to Come«
Episode Number: 4.09 (#80)
First Aired: April 24, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Konturen der Zukunft« (EA 10. 8. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

»Lost est de retour et la guerre de l’île peut vraiment commencer«, schreibt Critik en séries, das beste französische Serienblog. Und ein Krieg ist es tatsächlich, der nach einmonatiger Pause in der neuen »Lost«-Folge am Horizont aufscheint. Endlich wird mit offenem Visier gekämpft: Ben Linus gegen Charles Widmore. Aber diese Ansage kommt erst in der Schlusszene, davor kriegen wir noch eine Handvoll weiterer fulminanter Drehbuchideen zu sehen:

Nach dem üblichen Kurzintro (der »Lost«-Schriftzug wabert uns ins Gesicht) sehen wir Ben in der Sahara aufwachen. Wieder mal mindblowing: Was zur Hölle macht er da! Zwei Reiter kommen angesprungen, jeweils eine AK-47 in der Hand. Eine Szene, die vom Setting her an die Brunnenszene von »Lawrence of Arabia« erinnert (Sherif Ali: »What’s your name?« – Lawrence: »My name is for my friends. None of my friends is a murderer!«).

Die Typen scheinen kein Englisch zu verstehen, Ben fragt sie daher radebrechend, ob sie Arabisch sprechen (ungefähr »تتكلم العربية؟«) und dann komischerweise auch noch: »Türkçe biliyor musunuz?« Ein Wunder, dass er sie nicht auch noch fragt, ob sie vielleicht des Isländischen mächtig sind, hehe. Wie Türken sehen die Wüstenreiter nämlich nicht aus, aber da ist schon klar, dass er seine Fragen nur gefragt hat, um die Beiden zu verwirren.

Denn dann erschießt er den einen und drischt dem anderen den Gewehrkolben ins Gesicht. Ben in einer kleinen Actionszene, sehr ungewöhnlich, wo er doch sonst immer eher besonnen agiert. Und schon sitzt er auf einem der Pferde und reitet davon. Er taucht in einem Hotel in Tozeur (SW-Tunesien) wieder auf.

Dort gibt er sich als »Dean Moriarty« aus. Das ist zwar auch eine Referenzerweisung an Jack Kerouacs »On the Road« und unterstreicht das Reisemotiv, das »Lost« ja auch durchzieht. Aber »Moriarty« ist kulturhistorisch gesehen natürlich vor allem der Gegner von Sherlock Holmes. Mit diesem Falschnamen wird also besonders der sich anbahnenden absolute Antagonismus zwischen Ben und Widmore anspielungsreich herausgekehrt.

Außerdem erfahren wir von der Hoteldame, dass heute der 24. 10. 2005 ist, wir uns also in einem Flashforward befinden, etwas mehr als ein Jahr nach dem Absturz der Oceanic 815. Ben entdeckt in einer TV-Übertragung Sayid, der sich einem Paparazzi-Gewimmel gegenüber sieht und sagt: »Please, I just want to bury my wife in peace.«

Die Beerdigung findet in Tikrit im Irak statt. Sayid ist dort, Ben ist dort (getarnt als Fotojournalist). Außerdem vor Ort ist ein glatzköpfiger Unsympath namens Ishmael Bakir. Er scheint für Widmore zu arbeiten. Ben verfolgt ihn, Bakir merkt das und lockt Ben in eine Falle. Er hat die Waffe auf ihn gerichtet, wird aber seinerseits von Sayid durchlöchert, der kurz vorher von Ben davon überzeugt wurde, dass es Bakir war, der seine Frau Nadia vor 5 Tagen in L.A. ermordet hat.

Ok, die in Tunesien und im Irak zu sehenden arabischen Beschriftungen sind wieder mal krass falsch geschrieben (etwa Sayids Name im tunesischen Fernsehen: »س ي د«, also mit unverbundenen Buchstaben, statt »سعيد«). Es ist ja ein Faible von US-Produktionen, fremde Sprachen einfach nur als desemantisierte Ornamente zu benutzen, hehe.

Aber egal. »Benjamin, who’s next?«, fragt Sayid, sobald er das Magazin leergeschossen hat. Auf diese Weise wird er offenbar zum Auftragskiller von Bens Gnaden. Ein Ergebnis dieses Deals haben wir ja schon in Folge 3 gesehen.

Soweit der Flashforward. Auf der Insel kommt es in dieser Episode zu einer wilden Schießerei. Es sind dieselben Leute, die in der Folge davor Alex‘ Begleiter (ihre Mutter Rousseau sowie Karl) erschossen haben. Nun haben sie Alex (die ja auch Bens Tochter ist) als Geisel mitgenommen und sind bei den Barracks angelangt. Dort jagen sie mit einer Panzerfaust eine der Hütten in die Luft. Claire wird dabei verletzt (ihr kleiner Sohn Aaron saß auf Hurleys Schoß in Sicherheit).

Und dann …

… kommt eine dieser unfassbaren »Lost«-Szenen, die man lange nicht vergessen wird.

Dieser Army-Typ, der den Militärtrupp von Widmores Frachter anführt, droht vor Bens Hütte, dessen Tochter Alex umzubringen, wenn er nicht herauskommt. Ben taktiert und opfert dadurch seine Tochter. Wer hätte das gedacht? Auch wenn wir in »Lost« schon von einem Dutzend Toten überrascht wurden (Boone, Shannon, Doc Arzt, Ana Lucia, Libby usw.), ist diese Attacke auf die Erwartungshaltung des Publikums der bisherige Gipfel. Wir werden Zeuge einer eiskalten Hinrichtung.

Diese Szene erinnert etwas an Hitchcocks »Sabotage« (1936): Ein Botenjunge soll ein Paket überbringen, in dem sich – was er natürlich nicht weiß – eine per Zeitzünder aktivierte Bombe versteckt. NIEMALS, denkt man die ganze Zeit, NIEMALS wird Hitchcock die Bombe explodieren lassen, solange der kleine Junge sie bei sich trägt. Man ist sich so sicher. Und plötzlich: BOOOM!

In der entsprechenden »Lost«-Szene kommt noch verschärfend hinzu, dass der Army-Typ (Keamy heißt er, und Ben kennt ihn, er rasselt seine Biografie runter), dass also der Army-Typ schießt, lange bevor er die 10 Sekunden zuende gezählt hat.

Ben ersteinert zur Statue: »He changed the rules«, sagt er nach der Werbepause. Dann ist es Zeit für ein bisschen Rache: Ben öffnet eine Geheimtür in der Hütte und kommt leicht verschmiert zurück. Er weist die anderen (Locke, Sawyer, Hurley, Miles, Claire mit Aaron) an, auf sein Zeichen schnellstmöglich zum Waldrand zu rasen.

Und dann …

… sehen wir das Black Smoke Monster so mächtig wie nie durch die Gegend schießen. Wir hören die Schreie des sterbenden Militärtrupps, die Losties scheinen gerettet. Ben bleibt zurück und verabschiedet sich weinend von seiner Tochter.

Am Strand (wo sich die Jack-Getreuen befinden) passiert in dieser Folge auch ein bisschen was: Der Doktor vom Frachter wird tot angeschwemmt. Faraday fragt per Morsezeichen auf dem Schiff nach, was mit dem Doc passiert ist. Er kriegt auch eine Antwort und übersetzt sie – aber falsch, wie Bernard bemerkt. »The doctor is fine«, lautet die Antwort. Damit scheint das Thema der verschiedenen Zeitebenen wieder auf. Es gibt nun offenbar zwei Doktoren, einen lebenden, einen toten.

Zum Ende der Folge: Ben macht sich auf den Weg in ein Londoner Penthouse. Er überrascht dort Charles Widmore, der im Bett liegt und sich mit Scotch zuschüttet. Sie schieben sich gegenseitig die Schuld am Tod von Alex zu. Ben jedenfalls will nun im Gegenzug Widmores Tochter Penelope killen, die ja auch Desmonds Geliebte (und Konstante) ist.

Gleichzeitig hebt der Krieg um die Insel an: »That island’s mine, Benjamin. It always was. It will be again«, sagt Widmore. Und als Ben ihn damit aufzieht, dass er sie nie finden wird, entgegnet er: »Then I suppose the hunt is on for both of us.«

6 Reaktionen zu “Lost: 4. Staffel, 9. Folge”

  1. Dique

    „Außerdem erfahren wir von der Hoteldame, dass heute der …

    24. 10. 2005 …“ = 2+4+1+2+5=14=1+4=5=2+3 —> 23

    815=8+1+5=14 … hoho

  2. Paco

    That’s wiiild! *g*

  3. Goese

    Die Folge hat richtig gerockt!!! das war die geilste seit langem!!!

  4. Paco

    @Goese: so kann man es natürlich auch ausdrücken, hehe.

  5. 4 8 15 16 23 42 - vierte staffel! « rolf generated content

    […] 4 reviews: 01 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | […]

  6. lostfan

    Wirklich klasse, deine Zusammenfassungen. Danke :)

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