Lost: 4. Staffel, 8. Folge

auf Reisen, 25. März 2008, 23:50 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Meet Kevin Johnson«
Episode Number: 4.08 (#79)
First Aired: March 20, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Mein Name ist Kevin Johnson« (EA 3. 8. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

In dieser Folge wurde die manipulative Informationspolitik von beiden Seiten, Widmores und Bens, eindrucksvoll in Szene gesetzt. Durch stetig wechselnde Vorzeichen wird wieder mal klar vor Augen geführt, dass hier gar nicht wirklich ausgemacht ist, wer ›gut‹ und wer ›böse‹ ist.

Mehr noch: Es steht zu vermuten, dass beide Machtklüngel zu den ›bad guys‹ zählen. Das wäre ja mal interessant: Der Kampf Böse gegen Böse. Und die Survivors des Oceanic-Fluges stehen dann in der Mitte, wobei die ja auch fast alle ein paar Leichen im Keller haben.

Wie auch immer, der Schlagabtausch beginnt mit der Rekapitulation eines Dialogs aus Folge 2.23, einem verzweifelt fragenden Michael und einem sympathisch (hehe) grinsenden Ben:

Michael: Who are you people?
Ben: We’re the good guys, Michael.

In der letzten Folge hatte Widmores Kapitän so halb überzeugend dargestellt, warum die Frachterbesatzung auf der Suche nach Benjamin Linus sei: weil er nämlich das falsche Flugzeugwrack inklusive 324 (teils?) falschen Leichen auf dem Meeresgrund geparkt hat. In der aktuellen Folge wird diese Aussage nun GENAU ANDERSHERUM erzählt: In einer Flashback-Szene in New York behauptet nämlich der inzwischen von Sawyer getötete Tom (von den Others), dass Widmore den falschen Flieger auf den Meeresgrund gepflanzt hat.

Allerdings wird Michael an Bord des Frachters die Geschichte wiederum aus der anderen Perspektive erzählt, diesmal vom Chopperpilot: Widmore sei tatsächlich aus rettungstechnischen Gründen auf der Suche nach dem wahren Wrack. Als Michael aber sieht, wie die Söldner auf dem Deck mit ihren MPs in den offenen Ozean ballern, kommen ihm berechtigte Zweifel am Rettungscharakter der Mission.

Also was nun! Dieses Hin und Her ist effektvoll inszeniert und spiegelt überzeugend das manipulative Spiel beider Mächte wider.

Gegen Ende von Michaels Flashbacks folgt eine Hammerszene: Er ist entschlossen, die ihm von den Others mitgegebene Bombe zur Explosion zu bringen, um das Widmore-Schiff dem Meeresboden gleich zu machen. Ein 15-Sekunden-Countdown startet, Spannung pur. Und dann …

… springt bei 00:00:00 nur ein Zettel heraus, auf dem steht: »NOT YET« – und da sage einer, die Others hätten keinen Humor.

Dann ruft Ben auf dem Boot an (durchgestellt wird er als »Walt«, der Trick kommt ein bisschen billig, funktioniert aber offenbar). Er rechtfertigt den Bombenscherz so:

»I had to show you the difference between him and me. When I’m at war, I’ll do what I have to win but I won’t kill innocent people.«

Auch hier also wieder ein deftiger Schuss einlullender Informations­politik.

Der Fülle literarischer Techniken, die in »Lost« ihre Verwendung finden, wird diesmal eine weitere hinzugefügt. Anhand Michaels Background-Story gibt es zum ersten Mal einen Figuren-Flashback, der nicht als mentale Erinnerung ausgelegt ist, sondern einer anderen Figur direkt ins Gesicht gebeichtet wird.

Dadurch erfahren wir nebenbei, was Michael widerfahren ist, nachdem er mit seinem Sohn Walt die Insel verlassen durfte (nichts Gutes). Am Ende führt Michaels Story aber vor allem dazu, dass Sayid ihn erst mal an den Captain des Frachters verrät. Sein Dasein als »Kevin Johnson«, als Bens Trumpf an Bord des Frachters hat damit ein Ende.

Das ist für Michael selbst aber nicht so wichtig, denn er hatte Sayid auf dessen erste Anfrage hin, was er denn auf dem Boot mache, geantwortet: »I’m here to die.« Er bringt das mit ziemlichem Pathos hervor, und sein Satz wirkt auch deshalb ein bisschen lächerlich, weil er vorher schon mehrfach erfolglos versucht hat, sich umzubringen. Toms herrliche Erklärung für seine Fehlschläge: »You can’t kill yourself. The Island won’t let you!«

Und damit sind wir wieder auf der Insel: Dort scheint es mal wieder Zeit für ein neues Level zu sein, sprich: für einen neuen Dharma-Bunker. Diesmal handelt es sich um irgendeinen Tempel, von dem wir noch nichts Genaues erfahren. Alex (Bens Tochter) und Rousseau (Alex‘ Mutter) werden von Ben zusammen mit einem Inselboy (Karl) dorthin geschickt.

Die Fußreise der drei wird jäh durch MG-Salven unterbrochen. Karl ist wohl hinüber, Rousseau zumindest gut getroffen, und Alex lässt die Folge mit einem Schrei ausklingen, adressiert an den unsichtbaren Schützen: »Wait! I’m Ben’s daughter!«

Und jetzt haben wir erst mal einen Monat »Lost«-Pause.

2 Reaktionen zu “Lost: 4. Staffel, 8. Folge”

  1. ThoHa

    Ich freue mich ja immer schon auf Eure Nachbereitung, habe ich das schon gesagt? Musste mal sein. Und frage mich beim Lesen, weshalb ich die Folge unbefriedigend fand – vor allem als Cliffhanger in die Pause hinein. Erstens weil Michael nie ein sympathischer Charakter war, weshalb ich eine Folge, die nur ihm gewidmet ist, unangenehm finde (er mag letztlich einer der Guten sein, aber ist doch ein unsympathischer Depp). Zweitens weil mit dem „Die Insel laesst Dich nicht sterben“-Motiv ein so klar uebernatuerliches Element ins Spiel kommt, wie es sich die Serie sonst nicht goennt. Das meiste andere kann man (muss man nicht, kann man) ueber Naturphaenomen (Strahlung auf Insel mit all ihren Folgen), Technikerrungenschaft (schwarze Wolke) oder hinterhaeltigen Plan erklaeren (fast alles). Aber sich nicht erschiessen koennen? Hmmm… ich denke, Lost faehrt besser auf der Grenze zwischen den Moeglichkeiten als auf der Seite der Spukgeschichte (die Referenz waere Kubricks Shining: solange man sich nicht entschliessen kann, ob der Mann oder das Haus verrueckt ist, ist die Geschichte deutlich spannender). Aber gut, dass mal ein bisschen laestiges Personal beiseite geschafft wurde.

  2. Paco

    Dique schrieb neulich Ähnliches über die Befürchtung, dass die Serie im Klischee endet. Zu den übernatürlichen Elementen kommt noch der Desmond-Strang mit der komischen Zeitreise, bei der er den Physikus trifft und dessen Neunzigerjahre-Ich eine Nachricht seines späteren Ich mitgibt. Das war sehr weit hergeholt und ein deutlicher Bruch mit der realistischen Grundierung der Serie.

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