Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 8):
Freundschaft mit Thomas Hauser

Leipzig, 18. November 2008, 08:00 | von Paco

(Spoilerwarnung! Wer gerade dabei ist, das Buch zu lesen, sollte sich diesen Beitrag aufsparen. Hier wird ein gut Teil der Schlusspointe verraten.)

Ein wichtiger roter Faden durch das Buch ist Aues Freundschaft zu Thomas Hauser. Die beiden lernen sich kennen, nachdem Aue am Schwulentreff im Berliner Tiergarten aufgegriffen worden ist (S. 103). Aus irgendwelchen Gründen wird er nun von Thomas protegiert, der ihm vorschlägt, in den SD einzutreten, um die Sache aus der Welt zu schaffen.

»Und so entschloss ich mich, den Arsch noch voller Sperma, in den Sicherheitsdienst einzutreten.« (S. 107)

« Et c’est ainsi, le cul encore plein de sperme, que je me résolus à entrer au Sicherheitsdienst. » (p. 113)

Auch später kümmert sich Thomas um Aue, etwa indem er dafür sorgt, dass er noch als einer der letzten aus Stalingrad ausgeflogen wird.

Es kann durchaus sein, dass Aue wegen seiner Fähigkeiten als Jurist von Thomas protegiert und für den SD angeworben wird, gepaart mit spontanen freundschaftlichen Gefühlen. Vor allem aber hat Thomas ihn in der Hand: Er weiß, wo Aue festgenommen wurde und wegen welchen Verdachts.

Er spricht das allerdings nie an. Und so hat er in Aue also einen Verbündeten gesucht und gefunden, der zwar einen intellektuellen Umgang auf Augenhöhe darstellt, ihm aber dennoch nicht in die Quere kommen wird, auf der Karriereleiter nicht und auch nicht beim Buhlen um Frauen, wie sich in späteren Episoden zeigen wird.

Als Aue am Ende im zertrümmerten Berlin doch noch von einem der ihn verfolgenden Polizeikommissare (Clemens) final gestellt wird, ist es wieder Thomas, der ihn rettet (S. 1357). Doch der wahre Showdown kommt danach: Aue erschlägt seinen Freund Thomas hinterrücks mit einer Eisenstange. Er tauscht seine Uniformjacke mit der von Thomas, um in den Besitz der Papiere eines französi­schen Fremdarbeiters zu gelangen und sich so eine Basis für ein Leben nach dem Krieg zu schaffen.

Der Sinn dieser Tat erschließt sich nicht so ganz, da ihn Thomas vorher ausdrücklich darum gebeten hatte, sich selber auch eine französische Verkleidung zu besorgen (S. 1325-1326). Warum also?
»Das Buch endet wie ein Splatter-Movie, angemessen grob-trivial«, schreibt Theweleit. Und mit dem Freundesmord will Aue die Erinnyen vielleicht extra anspornen.

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 7):
Hitler als Vaterersatz, Rabbi, Nasenbesitzer

Leipzig, 17. November 2008, 07:32 | von Paco

Hitler ist im Roman natürlich eine immer irgendwie präsente Größe, auch wenn er nur an drei Stellen direkt auftaucht: als Vaterersatz, als Rabbi, als Nasenbesitzer.

Als Vaterersatz

Aue erinnert sich einmal an den Sommer 1930, an sein erstes Live-Erlebnis mit Hitler. Dieser hielt damals eine Rede, und sagte

»genau die Dinge, die mein Vater gesagt hätte, wenn er da gewesen wäre; wenn er noch da gewesen wäre, hätte er sicherlich auf dem Podium gestanden, als einer der Vertrauten dieses Mannes, einer seiner ersten Gefährten, vielleicht hätte er sich sogar, wer weiß, falls es das Schicksal gewollt hätte, an seiner Stelle befunden.« (S. 651)

« les choses que mon père aurait dites, s’il avait été présent ; s’il avait encore été là, il se serait certainement trouvé sur l’estrade, un des proches de cet homme, un de ses premiers compagnons, il aurait même pu, si tel avait été son sort, qui sait, se trouver à sa place. » (p. 666)

Interessant ist die Frage, wie die Rolle Hitlers als Ersatz für Aues verschwundenen Vater mit dem Biss in die große Führernase zusammenpasst (siehe unten).

Als Rabbi

Im März 1943 wohnt Aue einer Rede Hitlers im Zeughaus bei. Er wird währenddessen von Halluzinationen heimgesucht: Er sieht den Führer mit allen Attribute eines Rabbiners (S. 652-657). Aue schiebt dieses Erlebnis auf die Kugel, die ihm in Stalingrad durch seinen Kopf geschossen wurde:

»(…) hatte sie mir tatsächlich ein drittes Auge geöffnet, eines, das durch die Undurchdringlichkeit der Dinge sah?« (S. 657)

« (…) m’avait-elle réellement ouvert un troisième œil, celui qui voit à travers l’opacité des choses ? » (p. 671)

Aues gestörte Wahrnehmung liefert ein weiteres Beispiel für ein Leitmotiv des Buches, die Frage nach dem letztlich ausschlag­gebenden Grund für den Holocaust: Im Roman wird an mehreren Stellen und von verschiedenen Figuren eine zu starke Ähnlichkeits­beziehung zwischen Juden und Deutschen behauptet, die dann bei letzteren zu einem Vernichtungswillen ausgeartet sei. (Iris Radisch nennt diese Passagen die »trüben rassepsycholo­gischen Niederungen des Romans«. Das Thema interessiert besonders auch Klaus Theweleit, siehe dessen FAS-Artikel »Die jüdischen Zwillinge«.)

Als Nasenbesitzer

Gegen Ende des Romans soll Aue mit einigen anderen eine Auszeichnung erhalten, die ihnen vom Führer persönlich überreicht wird. Als Aue den zitternden Tattergreis näherkommen sieht, kann er nicht anders:

»Je näher der Führer kam (…), desto mehr richtete sich meine Aufmerksamkeit auf seine Nase. Ich hatte noch nie bemerkt, wie groß und unproportioniert diese Nase war.« (S. 1337)

« Au fur et à mesure que le Führer se rapprochait de moi – (…) – mon attention se fixait sur son nez. Je n’avais jamais remarqué à quel point ce nez était large et mal proportionné. » (p. 1369)

Das korrespondiert mit einer Bemerkung Albert Speers in den »Spandauer Tagebüchern«, der Vermutung, dass Hitler mit seinem ungewöhnlich abgehackten Schnauzer vor allem von der großen Nase ablenken wollte, die Aue jetzt so skandalös findet und in die er dann mit aller Kraft beißt.

Diese Tat ist vulgärfreudianisch ja recht schnell zu deuten. In der französischen Originalausgabe war noch von einem Kneifen (nicht einem Biss) in die Führernase die Rede – laut Littells zweitem Brief an seine Übersetzer eine Konzession an seinen Lektor, die in den Folgeauflagen und -ausgaben aber wieder zurückgenommen und durch den Nasenbiss ersetzt werden solle: »eine Geste, wie sie sehen, von einer ganz anderen Tragweite und entschieden anderen Bedeutung«.

So kurz vor dem Untergang ist das natürlich kein Attentat auf Hitlers Leben mehr. Der Biss hat einen deutlich libidinösen und kannibalistischen Charakter und erinnert an die ursprünglichste Form der Objekteinverleibung während der oralen Phase (Hitlers Gesicht als Mutterbrust). In dieser Szene kulminiert der ganze psychoanalytische Subtext des Buches.

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 6):
Die Lermontow-Episode – Max Aue als Tourist

Leipzig, 16. November 2008, 09:02 | von Paco

Weil Aue nicht direkt an der Front eingesetzt wird und daher so etwas wie frei einteilbare Nachmittage hat, kann er sich in den eroberten Gebieten irgendwelche alten Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten anschauen (etwa »eine prachtvolle kleine Kirche aus dem 11. Jahrhundert«; S. 172).

Für ihn stellt die SS also auch eine Art Tourismusgelegenheit dar, die ihm zur Pflege und zum Stimulans seiner klassischen Bildung dient.

Ein Beispiel dafür ist die Lermontow-Episode (S. 369-378). Zusammen mit dem Sprachwissenschaftler Dr. Voss macht er sich in der Gegend um Pjatigorsk auf den Weg zu den Lermontow-Stätten:

1. Museum und Bibliothek. Sie schauen sich Porträts von Lermontow und seinem Mörder Martynow an, außerdem den aus St. Petersburg herbeigeschafften Tisch, auf dem er angeblich »Ein Held unserer Zeit« (1840) geschrieben hat.

2. Der Prowal. Sie glauben sich zu erinnern, dass hier Petschorin der Vera begegnet ist.

3. Der weiße Obelisk, der an der Stelle errichtet wurde, an der Lermontow im Duell mit Martynow starb. »Wieder musste ich an Lermontow denken, der wenige Schritte von dort sterbend im Gras gelegen hatte, die Brust aufgerissen, wegen ein paar belangloser Worte über Martynows Kleidung.« (S. 375)

4. Der alte Friedhof, auf dem Lermontows Freunde ihn zunächst begraben hatten (Lermontows Überreste wurden später durch seine Großmutter mit nach Pensa genommen). Voss: »Wo Lermontow begraben lag, ist eine Stele.« (S. 376)

Man könnte diese Passagen tatsächlich zu einem Touristenführer zusammenfügen, dagegen steht natürlich das Umfeld, in dem Aue diese Sachen erlebt. Vor allem Aues romantische Gedanken an Lermontows Tod stehen in einem krassen Gegensatz zu den laufenden Massenerschießungen. Für derlei touristische Ausflüge überhaupt die Muße aufbringen zu können, als ob sonst nichts wäre, unterstreicht einmal mehr die Nähe zu Patrick Bateman.

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 5):
Ubychisch lernen mit Dr. Voss

Leipzig, 15. November 2008, 07:57 | von Paco

Aue wird durch Ohlendorf vom Sonderkommando 4a abgezogen und zur Einsatzgruppe D nach Simferopol geholt. Er soll die regionalen Umstände für das im Kaukasus zu installierende Besatzungssystem studieren (S. 290 ff.).

Im Zuge dessen lernt er Dr. Voss kennen, einen Sprachwissen­schaftler der Universität Berlin, der als Leutnant der Wehrmacht eingezogen wurde und hinter der Front seinen Forschungen nachgeht. Voss hält ihm einen konzisen Vortrag über die kaukasischen Sprachen:

»Sie wissen vermutlich, dass die Araber den Kaukasus schon im 10. Jahrhundert den Berg der Sprachen nannten. Und das vollkommen zu Recht. Es ist ein einzigartiges Phänomen. (…)« (S. 300)

« Vous savez certainement que les Arabes, dès le Xe siècle, appelaient le Caucase la Montagne des Langues. C’est tout à fait ça. Un phénomène unique. (…) » (p. 309)

Der Vortrag dauert ganze 10 Druckseiten. Voss interessiert u. a. das fast ausgestorbene Ubychisch, weil es ein Phonemsystem mit über 80 Konsonanten aufweist (S. 303). Er wartet nun darauf, dass die Wehrmacht weiter nach Osten vorstößt, damit er endlich seinen ubychischen Muttersprachler findet (nebenbei: der letzte Sprecher, Tevfik Esenç, starb 1992).

Voss verlacht zwar lauthals die Unwissenschaftlichkeit der NS-Rassentheorien (S. 421-428), trotzdem ersehnt er einen weiteren Vormarsch der Wehrmacht, der ihn in Reichweite seiner Untersuchungsgegenstände bringt.

Er freut sich also aus sozusagen wissenschaftlichen Gründen über die Siege der Armee: »Ich kann es nicht abwarten, dass wir Ordshonikidse einnehmen« (S. 379), bemerkt er einige Zeit später, weil er dann das Ossetische studieren kann, keine kaukasische, sondern eine indogermanische Sprache, die »einen sehr interessanten archaischen Charakter hat« (S. 380).

Doch der Krieg holt auch ihn ein. Voss will sich in einem Dorf nach einigen Feinheiten der kabardinischen Sprache erkundigen, wird dabei aber von einem Einheimischen angeschossen, mit dessen Tochter er sich offenbar eingelassen hatte (S. 443 ff.). In seinem Todeskampf murmelt er Unverständliches:

»Eine archaische Stimme, aus dem Dunkel der Zeit; doch falls es eine Sprache war, hatte sie keinerlei Bedeutung und drückte nichts aus als ihr eigenes Verschwinden.« (S. 446)

« Une voix ancienne, venue du fond des âges ; mais si c’était bien un langage, il ne disait rien, et n’exprimait que sa propre disparition. » (p. 459)

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 4):
Max Aue und Patrick Bateman

Leipzig, 14. November 2008, 08:03 | von Paco

Achtung: Ein Vergleich, keine Gleichsetzung! Max Aue ist kein unmittelbarer Vorläufer von Patrick Bateman. Trotzdem nennt ihn Stefan Mesch in seiner Besprechung bei literaturkritik.de nicht ohne Grund »Aryan Psycho«.

Die beiden Massenmörder Aue und Bateman sehen sich in einigen Punkten tatsächlich auffallend ähnlich: wenn sie sich etwa in ihrem Beschreibungs­wahn ergehen oder weiträumig mitgeschleppte Bildungselemente ausbreiten (bei dem einen ist das die klassische Bildung, bei dem anderen der Pop).

Natürlich erlebt Aue seine Taten in einer durch den Krieg brutalisierten Gesellschaft, während Bateman im New York der 1980er Jahre mordet. Aber Aue ist im Prinzip derselbe zum Zynismus neigende mörderische Nihilist wie Pat Bateman.

Das unterstreicht die Szene mit dem kleinen Mädchen, das während einer der Massenerschießungen in der Ukraine auf Aue zugelaufen kommt. Aue hält es kurz auf dem Arm, übergibt es dann aber einem SS-Mann:

»›Seien Sie lieb zu ihr‹, sagte ich völlig idiotisch zu ihm.« (S. 156)

« ‹ Sois gentil avec elle ›, lui dis-je assez stupidement. » (p. 163)

Daraufhin rennt er in den Wald, um seine Wut auf diese Situation zu dämpfen, während er hinter sich die Schüsse hört. Er verdrängt das Erlebnis in seiner ganz eigenen Art und Weise, nämlich indem er sich in seine Kindheit zurückdenkt. (Das ist übrigens die Szene, die Ariana Melamed, die Kritikerin der »Yedioth Ahronoth«, so furchtbar aufgeregt hat, dass sie das Buch in den nächsten Mülleimer beförderte.)

Ähnlich zynisch ist auch ein kleines Erlebnis in Stalingrad. Als Aue erfährt, dass der Oberfeldwebel Nišić gefallen ist, mit dem er noch kurz zuvor in einer vorgeschobenen kroatischen Stellung geredet hatte (bis S. 517), fragt er sich allen Ernstes, ob der tote Kroate wenigstens noch die Zigaretten rauchen konnte, die Aue ihm gegeben hatte (S. 525).

Aber es geht noch drastischer: »Es wehte ein schneidender Wind, mir war kalt, ich bedauerte, meinen Pullover nicht doch geholt zu haben«, vermeldet uns der frierende Aue, während er der Erschießung von 50.000 Juden beiwohnt (S. 178). Ihm ist die maximale Unangebrachtheit dieses Gedankens nicht bewusst, er kann die laufenden Ermordungen ohne Probleme von seinen eigenen Bedürfnissen trennen.

Ähnlich wie Bateman kann Aue seine menschlichen Regungen nicht kanalisieren. Aber es gibt sie: Trotz seiner SS-Uniform hilft er etwa in Lemberg einem Priester, einen sterbenden Juden auf das Kirchengelände zu tragen, um ihn vor einer Horde knüppelnder Ukrainer zu retten (S. 71-72). Dann befreit Aue auch schon mal einen verletzten Vogel, der sich in eine Isba verirrt hat (S. 160-161).

Dem Buch Geschmacklosigkeit vorwerfen zu können, ist ja Teil des schriftstellerischen Plans. Trotzdem erfüllen diese Szenen einen Zweck. Noch ein Beispiel:

»ich stellte mir diese schmucken Burschen und diese hübschen scheuen Mädchen im Gas vor, ein Gedanke, bei dem sich mir der Magen umdrehte« (S. 1102).

« j’imaginais ces garçons proprets ou ces jeunes filles au charme discret sous les gaz, pensées qui me soulevaient le cœur » (pp. 1127-1128).

Immerhin dreht sich ihm der Magen noch um, wie er sich überhaupt ständig übergeben muss. Und das ist auch der wichtigste Unterschied zum Selfmade-Massenmörder Bateman, der sich eben nicht kotzend durch »American Psycho« schleppt. Denn auch wenn Aue darüber klagt: Er hat nichts gegen diese regelmäßigen Magenkrämpfe, weil sie ihm scheinbar seine Normalität beweisen. Diese natürliche, menschliche Reaktion zeigt allerdings auch nichts weiter als dass er »kein blinder Technokrat (ist), sondern ein Edelnazi, der die Judenfrage gerne kühler, sachlicher und vor allem für das Deutsche Reich effizienter gelöst hätte« (Radisch).

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 3):
Max Aues Lektüren: Ernst Jünger, E. R. Burroughs

Leipzig, 13. November 2008, 07:09 | von Paco

Aue interessiert sich als guter dt.-frz. Bildungsbürger natürlich nicht nur für mittelalterliche Kirchen in den eroberten Gebieten im Osten. Er lässt uns auch an seinen Lektüren teilnehmen, vergangenen wie aktuellen. Für die direkten Intertextualitäten hatte Littell auch einige gute Ideen.

Aues Zwischenspiel in Paris, bei dem er sich im Umfeld der Zeitschrift »Je suis partout« bewegt und mit Céline Konzerte besucht, wirkt irgendwie noch zu beflissen untergebracht. Gelungen sind aber die pointierten Erwähnungen von Ernst Jünger und E. R. Burroughs.

Ernst Jünger

Die Kurzbegegnung mit Jünger findet Ende November 1942 statt. Aue soll in Woroschilowsk eine Frau Dr. Weseloh abholen, eine Linguistin, die zufällig zusammen mit dem berühmten Autor angereist kommt. (In dessen »Kaukasischen Aufzeichnungen« – Eintrag vom 24. 11. 1942 – ist von ihr natürlich nicht die Rede.) Littell lässt die Weseloh von Jünger schwärmen und berichtet:

»(…); sie [Jünger und Weseloh] hatten sich über persische Epigraphen unterhalten, und Jünger hatte ihr zu ihrer Gelehrsamkeit gratuliert.« (S. 435)

« (…) ; ils avaient parlé d’épigraphes persanes et Jünger l’avait félicitée sur son érudition. » (p. 447)

Diese lustige Episode ist auch deshalb so gut, weil Littell nicht übertreibt, obwohl es sicher möglich gewesen wäre, die Begegnung mit Jünger für einen kurzen grellen Effekt zu exploiten. Littell hat die Szene auch tatsächlich so vorbereitet, dass man jeden Moment mit einer Kolportage rechnet, aber dann bleibt es doch beim Namedropping, denn Jünger wird schnell von einer Gruppe Wehrmachtsoffizieren aus Aues Blickfeld gezogen.

Er versucht später noch einmal, den Autor, dessen »Arbeiter« einiges zu seinem Weltbild beigetragen haben dürfte, zu treffen. Das schlägt jedoch abermals fehl, und irgendwann ist Aue die Lust auf ein Tête-à-tête vergangen (S. 452).

Jüngers Name taucht noch einmal auf, als sich Aue in Pommern, im Haus seines Schwagers Berndt Üxküll aufhält, der mit Jünger korrespondiert. (Aue weist aber darauf hin, dass er seine Erinnerungen an diese Zeit wahrscheinlich nicht wahrheitsgetreu wiedergeben kann.) Jedenfalls habe Jünger ihm, Üxküll, »durch die Blume« zu verstehen gegeben, dass es kurz vor dem Kriegsende wirklich keinen Sinn mehr habe, Hitler noch umzubringen, denn (Üxkülls Formulierung):

»(…); dieser Kelch muss bis zur bitteren Neige geleert werden. Nur so kann etwas Neues beginnen.« (S. 1217)

« (…) ; il faut boire le calice jusqu’à la lie. C’est le seul moyen pour que quelque chose de nouveau puisse commencer. » (p. 1245)

Die in Widerstandskreisen kursierende Schrift »Der Friede« wird noch kurz erwähnt, und das ist es dann mit Ernst Jünger in den »Wohlgesinnten«. Auf einer tieferen Textebene hat er natürlich trotzdem seine Spuren hinterlassen (vgl. etwa Schirrmachers Bemerkung zum Romanbeginn: »Seid ihr überhaupt sicher, dass der Krieg vorbei ist?«).

E. R. Burroughs als SS-Visionär

»Ich hatte auch wieder zu lesen begonnen.« (S. 1148)

« Je m’étais aussi remis à lire. » (p. 1175)

Aue hatte aus Antibes einige Jugendbücher mitgenommen, darunter E. R. Burroughs‘ Marsabenteuer. Er liest den amerikanischen SciFi-Autor nun ganz neu als »unbekannten Ahnherren völkischen Gedankenguts« (S. 1149) und sieht Burroughs‘ Beschreibungen der Marsbesiedelung »als Vorbild für tiefgreifende soziale Reformen, die die SS nach dem Kriege ins Auge fassen muß« (ebd.).

Er setzt ein Memorandum für den Reichsführer auf, in dem er die Vorbildrolle der grünen Marsianer für die SS-Elite beschreibt. Und Himmler beantwortet Aues Schreiben sogar:

Mein lieber Dr. Aue!
Mit lebhaftem Interesse habe ich Ihre Darlegungen gelesen. (…) Ich frage mich allerdings, ob Deutschland, selbst nach diesem Krieg, bereit sein wird, so tiefsinnige und notwendige Gedanken zu akzeptieren. (…) Wie dem auch sei, es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen nach Ihrer Genesung eingehender über diese Pläne und diesen visionären Autor zu diskutieren.
(S. 1151)

Très cher Doktor Aue !
J’ai lu avec un vif intérêt votre exposé. (…) Je me demande si l’Allemagne, même après la guerre, sera prête à accepter des idées aussi profondes et nécessaires. (…) Quoi qu’il en soit, lorsque vous serez guéri, je serai heureux de discuter avec vous plus en détail de ces projets et de cet auteur visionnaire.
(p. 1177)

Himmler als Burroughs-Liebhaber! Auch diese abstruse und nicht unlustige Szene kann man wieder der Hauptthese des Romans zuschlagen: Wenn sowieso jeder unter denselben schrecklichen Bedingungen die gleichen schrecklichen Dinge getan hätte, dann hätte auch E. R. Burroughs einen guten völkischen Vordenker abgegeben.

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 2):
Mandelbrod und seine SS-Hetären

Leipzig, 12. November 2008, 08:19 | von Paco

»Sie waren Industrielle, aber ihre genaue Stellung war schwer zu definieren.« (S. 627)

« C’étaient des industriels, mais leur position exacte serait malaisée à définir. » (p. 641)

Die Szenen um den völlig verfetteten Rasseideologen Mandelbrod und seinen Sozius, den gebürtigen Engländer Leland, ergänzen zwar vor allem die Erklärungsmuster des Holocaust bzw. die »trüben rassepsychologischen Niederungen des Romans« (vgl. u. a. Mandelbrods Beweisführung, so muss man das wohl nennen, anhand eines Romans von Disraeli auf S. 637-638), verpassen dem Buch aber auch einen Schuss Slapstick und ein wenig Situations­komik. Mandelbrod scheint sich nie aus seinem Sessel zu erheben und sondert dauernd derbe Körpergerüche ab. Himmlers Posener Rede wohnt er auf einer eigenen »sperrigen Plattform« bei (S. 942).

Die beiden Moguln hatten Aues Mutter nach dem ungeklärten Verschwinden von Aues Vater in den Zwanzigerjahren geholfen. Auch Aue wurde Objekt dieser Strippenzieherei, als er 1934 nach Deutschland übersiedelte, sich in Kiel immatrikulierte und schließlich in die SS eintrat (S. 627). Er überlässt sich dieser schaurigen Variante einer Turmgesellschaft à la »Wilhelm Meister«, die einerseits für seine Karriere sorgt, ihn aber auch für die eigenen politischen Ziele einzuspannen versucht.

Mandelbrod ist teilweise eine recht wohlfeil wirkende Blofeld-Anspielung. Er hat ständig Katzen um sich und wird von blonden, hochgewachsenen SS-Hetären umsorgt. Diese sollen und wollen ständig von Aue begattet werden (z. B. auf S. 927), was dieser jedoch immer ablehnt. Aues Homosexualität hat also auch die Funktion, dass eben keine »Nazi Sexploitation« aus dem Buch wird.

Mindestens eine der Hetären ist in Latein und Deutsch promoviert (S. 944), mit einer anderen unterhält sich Aue über Heidegger (S. 988). Die drei, denen Aue persönlich begegnet, tragen übrigens die Namen Hilde, Hedwig und Heide – die Rufnamen dreier Goebbels-Töchter. Der Grund für diese Parallelisierung ist nicht ganz klar, sie wird aber am Ende noch verdeutlicht: Während des Kampfes um Berlin erschießen sich die drei Nazi-Amazonen in Mandelbrods Büro; Aue findet aber außerdem noch »drei weitere Frauen«, die tot herumliegen (S. 1352). Das entspricht dann den sechs etwa zur selben Zeit getöteten Goebbels-Kindern. Warum auch immer.

Überhaupt fällt das Ende der Subgeschichte um Mandelbrod und seinen Kompagnon äußerst kläglich aus. Im Angesicht des Triumphs der Roten Armee wechseln beide umstandslos zu den Russen, die sie freudig aufzunehmen bereit sind.

»Der Führer ist gescheitert«, sagte Leland kalt. »Doch der ontologische Krieg, den er begonnen hat, ist noch nicht vorbei. Wer außer Stalin könnte die Arbeit vollenden?« (S. 1353)

« Le Führer a échoué, prononça froidement Leland. Mais la guerre ontologique qu’il a commencée n’est pas terminée. Qui d’autre que Staline pourrait achever le travail ? » (p. 1385)

Das findet sogar Aue abgefahren und sucht schnell das Weite. Durch diese holzhammerartige Wendung werden die beiden unheimlichen Masterminds vollends zu Comicfiguren degradiert.

Über »Die Wohlgesinnten« (Teil 1):
»Kein Jahrhundertbuch«, aber »groß und kalt«

Leipzig, 11. November 2008, 07:06 | von Paco

Bis jetzt hat die Rezensionsschiene der Rezeption den Roman »Die Wohlgesinnten« von Jonathan Littell immer nur als Ganzes betrachtet. Der Umblätterer widmet sich nun einigen Einzel­aspekten, denn das Buch enthält neben einigen grandios miss­lungenen Subgeschichten auch einige gelungene, interessante. Davor aber noch einige Pensées zum Status des Werks:

Die Fraktion, die das ganze Buch für einen schrottigen Literatur­versuch hält, der besser nicht veröffentlicht worden wäre, hat durchaus diskutable Punkte hervorgebracht (meine Lieblings­rezension in diesem Zusammenhang stammt von Iris Radisch).

Aber die von Jorge Semprún angeführte Gutfinde-Fraktion hat ebenfalls ihre Gründe, auch wenn sie oft ein bisschen zuviel gefeiert hat, wie man an Semprúns Diktum sehen kann, mit dem der Berlin Verlag die deutschsprachige Ausgabe bewirbt: »Es [das Buch] ist das Ereignis unserer Jahrhunderthälfte.« (In der deutschsprachigen Diskussion wird diese Fraktion übrigens vom »Buchversteher« Klaus Theweleit angeführt.)

Hinsichtlich des literarischen Rangs der »Wohlgesinnten« hat Frank Schirrmacher in seiner Werkeinführung eine deutlich zurückgenommene Formulierung gefunden: »Es ist dies kein ›Krieg und Frieden‹, es ist, was sein literarisches Gelingen angeht, kein Jahrhundertbuch. Aber groß ist es dennoch. Groß und kalt.«

Obwohl damit der Vorabdruck des Romanbeginns in der Print-FAZ angekündigt wurde, ist diese Einschätzung nicht wirklich ein kontraproduktiver Knockout, da Schirrmacher mit dem Ansatz ›umstrittenes Buch‹ auch ganz geschickt den Diskurs in den neu gegründeten Reading Room (now Lesesaal) hinübergeleitet hat.

Diese eingeschränkte, aber anzuerkennende Größe, die sich eben auch und vor allem auf den Umfang bezieht, also die hohe Anzahl von Buchstaben und Seiten, hatte dazu geführt, dass Gallimard die Manuskripteinschickung 2006 umstandslos druckte und dass dem Buch im selben Jahr der Prix Goncourt zugesprochen wurde.

Der französische Literaturbetrieb ist bekanntlich seit gut 100 Jahren darauf geeicht, ein bestimmtes massives Fehlurteil nicht zu wiederholen. Mitschuldig an dieser psychologischen Disposition ist André Gide, der kurz vor dem Ersten Weltkrieg Prousts »Recherche« für seine »Nouvelle Revue française« (aus der später die Éditions Gallimard hervorgingen) mit Pauken und Trompeten abgelehnt hatte (»un mondain amateur«!) und dies später als größten Fehler seines Lebens bereute.

Proust rechtfertigte sich später im letzten Band der »Recherche«, indem er schrieb, er sei nicht der »fouilleur de détails« (Detailversessene), für den man ihn hielte, sondern dass er im Schreiben »les grandes lois« suchte, die »großen Gesetze«, die auch Littell beschreiben will, indem er sich ebenfalls für die Ausbreitung von Details entscheidet, allerdings ganz anderen als Proust.

Wie auch immer. Über den ermüdend konservativen Stil des Buchs muss man nicht diskutieren. Dass Littell im ersten Brief an seine Übersetzer auch noch anmerkt, er habe da jetzt »die Tempora der französischen Verben in der großen Tradition Flauberts« eingesetzt, signalisiert eine peinliche Bildungsbürgerlichkeit und ist eine schreckliche Bestätigung der stilistischen Einfallslosigkeit Littells.

Der einzige gestalterische Eingriff ist die Beibehaltung einiger deutschsprachiger Vokabeln im französischen Original. Sicherlich nicht mehr als ein billiger Effekt (»cria l‘Aufseherin«, »pour la Heimat«, »le Häftlingskrankenbau« usw.), aber die Fremdheit bestimmter Wörter unterstreicht die Fremdheit der Gedanken, die Aue vor uns ausbreitet – ein angenehmer Schlag ins Gesicht, der in der deutschen Übersetzung leider ausfallen muss.

(Die Übersetzung von Hainer Kober ist übrigens sehr gut. Er hat aus dem Roman ein deutsches Buch gemacht, dessen fremdsprachliche Herkunft man beim Lesen nie unbeabsichtigt heraushört.)

Noch eine Bemerkung zur Makrostruktur: Gegen Ende des Romans, als sich Max Aue im Haus seines Schwagers Üxküll aufhält, hat er eine melancholische Eingebung:

»Ich sagte mir: Ich würde so gerne Klavier spielen können, so gerne noch einmal Bach hören, bevor ich sterbe.« (S. 1213)

« Je me disais : J’aurais tant voulu savoir jouer du piano, je voudrais tant entendre encore une fois du Bach, avant du mourir. » (p. 1241)

Das erfüllt er sich dann eben über 30 Jahre später mit der Niederschrift seiner Memoiren, die der Roman »Die Wohlgesinnten« darstellt. Er zwängt sie in das Korsett einer Bach’schen Suite mit der Abfolge Toccata – Allemandes I et II – Courante – Sarabande – Menuet (en rondeaux) – Air – Gigue.

Das soll dann ganz grob einige Zäsuren im Fortgang der verschiedenen Kriegs-Aventiuren betonen, löst das stilistische Problem des Buches freilich überhaupt nicht.

Matussek, Folge 97:
Die alten Feuchtgebiete

Leipzig, 9. November 2008, 16:40 | von Paco

Wie Nils Kahlefendt in seinem Umblätterer-Porträt im Börsenblatt 14/2008 einmal schrieb:

»Die englische Synopsis von Matusseks ›Kulturtipp‹-Blog ist eher etwas für Hardcore-Fans.«

Den Volltext der Passage gibt es bei zintzen.org (dort Abschnitt IV.). Also weiter. Nach den Folgen 56, 63, 69 und 85 folgt heute unser (wieder leicht verspäteter) Recap der Folge 97. Wie immer passiert alles in der sentimenta­lischen Genauigkeit der Einträge auf der Serien-Website TV.com. Have fun!

Matusseks Kulturtipp (2006 and on)

Ep. Title: »Matusseks Bücherschau: Die alten Feuchtgebiete«
Episode Number: 97 (Complete Episode Guide)
First Aired: September 25, 2008 (Thursday)
URL: http://www.spiegel.de/video/video-36686.html

Synopsis

»This is blog #99,« Matussek keeps saying when it’s only blog entry #97. He obviously wants to antedate the 100th episode of his show. As always with Matussek, there’s a message behind this seemingly obvious faux pas. By insisting on what is evidently untrue, Matussek carries on a tradition that originated with great authors such as Max Frisch. Also in this episode, Matussek revives the birthday party for infamous »BILD« columnist Franz Josef Wagner which took place at the Springer headquarters. He soon changes the topic, though, and starts talking about Frauenliteratur (Women’s Literature), suggesting that women are »the better people.«

Cast

Star: Matthias Matussek (himself)

Recurring Role: Goethe (himself)

Guest Star: unidentified staff member (carrying stuff to and fro behind Matussek’s back), Mathias Döpfner (himself), Kai Diekmann (himself), Franz Josef Wagner (himself), Hillary Clinton (external footage), Sarah Palin (external footage), John McCain (external footage).

Compositing/Production: Jens Radü

Memorable Quotes

Matussek: »Die Vorbereitungen für den 100. Blog laufen, große Gala, wer hätte das gedacht: Matussek wird hundert.«

Matussek: »Noch mal für Franz Josef [Wagner] und all die anderen, die mit dem Zählen durcheinander gekommen sind: Das hier ist Blog 99, nächste Woche ist Blog 100.«

Matussek: »Charlotte Roche will erst mal ausspannen und Urlaub machen. Ich hab gehört, mit einem Teil ihrer Tantiemen hat sie sich Österreich gekauft.«

Matussek: »… Eberhard von Kuenheim, dann doch eher Männerliteratur, ›In großer Höhe fliegt der Adler am besten allein‹, ergebnisorientiert, ich lese hier nichts von Hämorrhoiden, [das Buch ist] also auch nicht bestsellertauglich, befürchte ich.«

Matussek: »Wer kann schon Steinmeier und Merkel wirklich auseinanderhalten?«

Trivia

Running time of this episode: 7’33 mins.

Matussek wears no suspenders in this episode after the opening credits.

»Der alte Schirrmacher« (»good old Schirrmacher«) is not mentioned in this episode. The same goes for Ding and Dong (i. e., Mephisto). Also Goethe is only seen in footage for an earlier episode where he accompanies Matussek and Australian author Gregory David Roberts to a restaurant in downtown Bombay (1:25 minutes in).

As always, Matussek uses the abbreviation »blog« when actually referring to a »blog entry« (or rather, »vlog entry,« or »vlog post«). Some inexperienced would-be bloggers suggest that this shows how he doesn’t have the foggiest notion about what he is doing. (Them noobs have nooo idea, hehe.)

This 97th episode ushers in the confusion surrounding the festivities of Matussek’s upcoming 100th vlog entry. Just take Matussek’s little chit-chat with Franz Josef Wagner where the latter one goes: »I haven’t seen the 99th yet.« – »It’s not there yet,« answers Matussek. Of course, this bears a double meaning. He was directing the alleged 99th episode in that very moment. But this also indicates that Matussek was well aware of what he was doing there. He tells us the 99th episode »is not there yet,« although he starts off by saying: »This IS blog #99.« Just compare this to the first sentence of Max Frisch’s celebrated novel »Stiller«: »I am not Stiller,« he writes. »This is the 99th blog,« Matussek says, a clear allusion to the Swiss author.

Mathias Döpfner, CEO of Axel Springer, is seen delivering a speech in honor of Franz Josef Wagner but little can be overheard.

The footage showing Hillary Clinton, Sarah Palin, and John McCain, was provided by SPIEGEL TV.

His words concerning Sarah Palin seem to be favorable yet in an interview with the Hamburg newspaper »Abendblatt« Matussek revises his thoughts: »In meinem letzten Blog hab ich Sarah Palin als neuen, konservativen Typ Feministin bewundert, schon weil mir die traditionellen Feministinnen so auf die Nerven gehen, und nicht nur mir. Jetzt allerdings hat mir Irene Dische ein absolut dämliches Palin-Interview geschickt und mit mir geschimpft, und ich schäme mich in Grund und Boden.« – While we’re at it: The name of mentioned author Irene Dische can be pronounced either way: »Dische, Disky, Dish.« This is intel provided by Adriano Sack who interviewed Dische for the German edition of »Vanity Fair«.

Allusions

Matussek mentions that Kai Diekmann, editor-in-chief of »BILD«, Europe’s biggest yellow press newspaper, cranks up the blog business by installing a »Leserblogger« project. This enigmatic remark might refer to an actual project called »Blattkritik« where celebrities are asked to criticize the current edition of »BILD« in front of a camera. The first guest to appear was Germany’s current Foreign Minister, Frank-Walter Steinmeier, on Sept. 22, 2008, just 3 days before this episode of »Matussek« aired. (BILDblog indicates that Steinmeier might have had ulterior motives for his far too gentle »criticism« but that’s another story.)

»Alle sind auf der Suche nach den neuen ›Feuchtgebieten‹,« says Matussek. This refers to the bestselling teenage novel »Feuchtgebiete« by Charlotte Roche whose English edition, »Wetlands«, is about to hit the market.

The jury of the renowned German Book Prize is referred to as »behämmert« (»nutty«, »screwy«) because they didn’t care to put Roche’s megaselling book on their longlist for the 2008 award.

This episode contains excerpts from episode 62, »Bücher 2008 – Die neuen Tabubrüche sind da!«, that aired on January 8, 2008. Matussek is seen flipping through some brochures announcing Charlotte Roche’s novel »Feuchtgebiete.« He reads the advertising text and screams, »Um Gottes Willen!« (»For God’s sake!«)

Subsequently, the title of this episode, »Die alten Feuchtgebiete«, is then coined as Matussek looks at a reproduction of Titian’s »Venus of Urbino« in one of the catalogues he is browsing. »The old wetlands« thus may refer to whatever you might see in this fabulous painting.

Von Enzensberger zu Hans Hoffmann:
Der rote Pullunder und der fein gemalte Igel

New York, 6. November 2008, 23:50 | von Dique

Heute ein bisschen Starkult, wir gehen in Tom’s Restaurant auf der Upper West Side frühstücken. Es ist das Seinfeld-Diner (Monk’s Cafe), jedenfalls von außen, die Innenaufnahmen wurden woanders gedreht. An den Wänden hängen ein paar signierte Devotionalien, ansonsten ist es ein eher typisches Diner, und wir essen Eggs Benedict.

Der »Spiegel« kostet hier etwas über 8 Dollar, und man bekommt ihn am besten in irgendeinem Universal Press Store, von welchen es leider zu wenige gibt. Für die aktuelle Ausgabe (45/2008) haben sich Matthias Matussek und Markus Brauck mit Hans Magnus Enzensberger in dessen Münchner Wohnung getroffen (S. 76-78).

Die Konstellation Matussek/Enzensberger erlebten wir ja auch neulich im »Kulturtipp« (Folge 63, Trivia), als der SPON-Vlogger ebenfalls bei Enzensberger vorbeischaute, um sich nach dem Verbleib von ›Ding‹ zu erkundigen und auch Hinweise bekam.

Dieses Mal geht es bei der Begegnung aber um den Crash der Weltwirtschaft, das Chaos an den Börsen und die Krise des Kapitalismus. Passend zum Thema trägt Enzensberger einen blutroten Pullunder, und das erinnert mich an eines dieser wunderschönen Fotos von Tina Barney.

Wäre das Autorenfoto tatsächlich von ihr, würde es sicher den Titel »Der rote Pullunder« tragen und würde sich wunderbar in ihre »The Europeans«-Arbeiten einreihen. (Man vergleiche »The Yellow Wall«.) Das Enzensberger-Bild hat eine ähnlich »oszillierende Stille« und Ausgewogenheit wie ihre Portraits.

Enzensberger braucht eine Weile, bis er sich bei seinem Auftritt im Wirtschaftsfeuilleton des »Spiegel« wohl fühlt und beginnt skeptisch und zurückhaltend:

»Warum fragen Sie mich? (…) Ich habe noch nicht einmal Geld verloren. Also warum fragen Sie ausgerechnet mich?«

Das anfängliche Zögern weicht dann aber schnell der abgeklärten Analyse und einer gehörigen Portion Marx:

»Das ist doch grandios. Das ›Kapital‹ war immer ein tolles Buch. Stark in der Analyse, schwach in der Prophezeiung. Und im Kalten Krieg hätte ein solcher Satz noch einen Skandal ausgelöst. Heute dagegen kann der Kapitalismus damit sehr gut leben. Die Kritik ist es doch, was ihn am Leben hält. Hätte es die nicht gegeben, wäre er schon längst an die Wand gefahren.«

Die Tina-Barney-Assoziation schreit eigentlich nach einem Besuch des Museum of Modern Art, denn dort sollen ein paar ihrer Fotos hängen. Vor dem MoMA stehen aber leider immer irgendwie Schlangen und außerdem müssen wir noch mal ins Met, allerdings nicht, ohne uns vorher noch die Adele Bloch-Bauer von Klimt in der »Neuen Galerie« anzusehen.

Die »Neue Galerie« wurde von Ronald Lauder gegründet und widmet sich moderner Kunst aus dem deutschsprachigen Raum, neben Klimt und Schiele gibt es auch viele Objekte der Wiener Werkstätten. Der Teil, in dem normalerweise die Sammlung der deutschen Expressionisten hängt, ist mit einer Alfred-Kubin-Sonderaustellung belegt, also kein Kirchner heute.

Umso schneller gelangen wir ins Met und sehen uns endlich, wie angekündigt, die 300 ausgewählten Montebello-Ankäufe aus 30 Jahren an. Die Ankündigung in der New York Times hatte nicht zu viel versprochen, es handelt sich tatsächlich um »a wonder-cabinet situation, an exercise in proprietorial pride, an unabashed, if surprisingly low-key, display of fabulousness«.

Wir staunen uns durch die Räume, die kleine Duccio-Madonna ist sicher der größte Hit, 45 Millionen Dollar waren vor einigen Jahren für dieses um 1300 entstandene Werk bezahlt worden. James Beck, der Gründer von ArtWatch, bezeichnete das Stück in seinem Buch »From Duccio to Raphael. Connoisseurship in Crisis« als Fälschung, blieb mit dieser Meinung aber relativ allein, und wir wollen ihm auch keinen Glauben schenken.

Wir gehen dann weiter, und es gibt einige Wände mit Altmeisterzeichnungen, Leonardo, Bronzino, Parmigianino, und sogar eine von Jacques Bellange! Und dann passiert das Erstaunliche, ein paar Meter weiter an der gleichen Wand erweckt etwas meine Aufmerksamkeit, und ich nähere mich ungläubig der kleinen Gouache eines Igels, und dann gibt es keinen Zweifel mehr: Es ist ein Hans Hoffmann.

Hoffmann ist der wohl wichtigste Vertreter der so genannten Dürer-Renaissance und war im späten 16. Jahrhundert bei Rudolf II. in Prag tätig. Bekannt ist er vor allem durch seine feinen aquarellierten Tierzeichnungen, darunter einige Kopien, aber auch eigene Erfindungen.

Mehrere seiner Hasenbilder wurden in den letzten Jahren für hohe Summen versteigert. 2001 wurde in New York ein Hase, am Waldrand sitzend, für $2.4 Mio. an das Getty Museum verkauft, und Anfang dieses Jahres ging eine wunderschöne Kopie von Dürers Feldhasen bei Lempertz in Köln unter den Hammer. Und zwar ohne Skandal, obwohl sich dieser Feldhase ursprünglich in der Kunsthalle Bremen befunden hatte – nach dem Krieg geriet er dann »in die Hände der Russen – und war weg« (FAZ).

Der Hase tauchte unter dubiosen Umständen wieder auf und, ziemlich einmalig in so einem Fall, die Bremer ließen die Auktion durchgehen und kassierten dafür die Hälfte der ca. 700.000 ersteigerten Euro.

Wir bestaunen den wunderbaren Hoffmann-Igel und denken an unseren Lieblingssatz von Vasari, der natürlich einem anderen Zusammenhang entstammt und andere Werke meint:

»Diese werden von all denjenigen, die sich mit derartigen Dingen auskennen, wahrlich für wunderschön gehalten.«

Beim Abendessen erzähle ich einem befreundeten Kunstexperten von dem fein gemalten Igel im Met und will gerade noch die Postkarte zeigen, welche ich mir davon mitgenommen habe, da winkt er schon ab, denn nach seiner Ansicht sei das Bild nichts als eine Fälschung.

Es gebe zwei findige Italiener, die diese Art von Tiergouachen in hoher Qualität herstellen, in Renaissance-Rahmen fassen und dann verkaufen, und da komme es schnell mal zu Fehleinschätzungen bezüglich der Echtheit.

Mit einem Indianerblick à la Larry David versuche ich diese Aussagen im Gesicht meines Gegenübers zu verifizieren, aber es gelingt nicht, und niedergeschlagen kaue ich auf meinem Steak, American Beef French Style im Les Halles, Empfehlung von San Andreas und sogar aus Vor-Zagat-Zeiten, er besitze sogar ein Kochbuch des ehemaligen Chefs, Anthony Bourdain.

Bourdain ist ein rechter Rüpel, nachzulesen in seinem Wikipedia-Artikel. Er hat mal eine Kobra gegessen (komplett mit noch schlagendem Herzen), das Rektum eines Warzenschweins sowie den Augapfel eines Seehunds. Das Ekligste, das er je gegessen hat, war aber nach eigener Aussage ein Chicken McNugget.

Usw.