Introducing:
Der Goldene Maulwurf 2008

Zürich, 12. Januar 2009, 00:45 | von Paco

Der Goldene Maulwurf

Die 10 besten Feuilleton-Texte des vergangenen Jahres

Morgen ist es wieder soweit. Seit 2004 küren wir die »angeblich zehn besten Artikel« (Perlentaucher) aus den Feuilletons eines Zeitungs- und Internet-Jahres. Anfangs geschah das im Alleingang beim Online-Feuilleton satt.org. Mittlerweile ist dafür das Consortium Feuilletonorum Insaniaeque zuständig.

In dem eigens dafür gegründeten Produktions-Blog Der Umblätterer sammeln wir das ganze Jahr über Vorschläge für beste Texte und schildern uns gegenseitig, nach dem Vorbild moralischer Wochenschriften des 18. Jahrhunderts (mindestens!), unsere täglichen Erfahrungen mit Zeitungen, Kaffeehäusern und überhaupt Kulturgütern aller Art.

Wir interpretieren das Feuilleton als nicht enden wollenden Gegenwartsroman, mit all seinen literarischen Glanzpunkten und inhaltlichen Schrecklichkeiten. Und dem schönsten aller Texte wollen wir endlich einen Titel verleihen. Mit der vierten Auflage unserer jährlichen »Best of Feuilleton« ist der beste Artikel des vergangenen Jahres deshalb:

Der Goldene Maulwurf (The Golden Mole)

Der Maulwurf war schon immer unser Wappentier, und so wie den Dunkelmann des Feuilletons wollen wir die besten Autoren und deren Texte preisen und verherrlichen.

Der Goldene Maulwurf ist eine virtuelle Auszeichnung. Es gibt kein Preisgeld, keinen Maulwurfs-Pokal, kein Anschreiben an die GewinnerautorInnen. Nur beste Gesellschaft in unserem Top-Ten-Reader. Plus unsere vollkommen subjektive Behauptung, dass es einen besten Feuilleton-Text des Jahres gibt.

Warum überhaupt eine Feuilleton-Meisterschaft

Feuilleton-Autoren schreiben in einer Halbwelt. Ihr Schreibgegenstand, »die Kultur«, ist zwar kein Geheimnis, ihre Namen allerdings merkt man sich, wenn überhaupt, oft erst nach hundertmaligem Lesen. Wenn Autoren allmählich zu Lieblingsfeuilletonisten werden, dann sind sie keine austauschbaren »Kultur- und Medienjournalisten« mehr, sondern Stilisten, die den Ton einer ganzen Zeitung prägen können.

»Der Goldene Maulwurf«, der dem Namen nach auch ein Vereinspreis der Schädlingsbekämpfer sein könnte (hehe), kommt nach einem Jahr besessenen Wühlens in einem Berg alter Zeitungen morgen früh endlich wieder ans Licht.

Bei Jan Fabre in Bregenz

Zürich, 8. Januar 2009, 20:43 | von Paco

Die heftige interne Diskussion um den angeblich™ besten Feuilleton-Text des Jahres 2008 geht in die letzte Phase, Anfang nächster Woche (Montag? Dienstag?) posaunen wir hier das Ergebnis heraus.

Um angespannte Diskussionsstränge wieder zu lockern, waren wir heute schnell mal im Kunsthaus Bregenz (KUB), um endlich die dort gerade stattfindende Jan-Fabre-Ausstellung anzusehen und gutzufinden.

Fabre darf mit seiner Schau »From the Cellar to the Attic | From the Feet to the Brain« das gesamte KUB bespielen. Sogar die WCs im Untergeschoss hat er höhlenartig zementiert. Zwischen Waschbecken und Urinalen stehen außerdem Geschosse und Patronen für jeden militärischen Zweck bereit. Um die Ecke gibt es dann einen Saal mit blauen Betten und einem aus der Decke wachsenden Beinpaar, das irgendetwas Bestimmtes bedeutet. Der Saal führt zu einer Munitionskammer, in der sich allerdings nur Wesen bedienen können, die nicht viel dicker als 10 Zentimeter sind. Ansonsten kann man das reichhaltig gemischte Arsenal nur durch den Wandspalt betrachten.

Die fünf von Fabre bearbeiteten Etagen sollen den Körperzonen Füße – Genitalien – Bauch – Herz – Gehirn entsprechen. Das ist aber zunächst mal vor allem eine esoterische Behauptung, die man schnell vergessen sollte, um sich den Etagen einzeln zu widmen. Im Erdgeschoss liegt ein Alter Ego des Künstlers mitten in einer Grabsteinorgie herum. Aus seiner Hose ragt eine Porno­erektion, sicher eine Anspielung auf Jeff Koons‘ Abenteuer mit Cicciolina oder irgendetwas anderes.

Im 1. Obergeschoss liegt dann auch wieder eine Menschengestalt, eine Art Gegenstück zum onanierenden Grabsteinlümmel in der vorhergehenden Etage. Laut Info handelt es sich um einen zu Tode gepeitschten Kongolesen. Zur Installation gehört auch ein nach oben hängender Kronleuchter, der mit exotisch schimmernden Prachtkäfern ausgekleidet ist. Es handelt sich um eine Variante von Fabres Deckengestaltung »Heaven of Delight« im Königlichen Palast in Brüssel, und es geht hier also irgendwie noch nachträglich um die unglorreichen Teile der belgischen Geschichte. Die Wirkung bleibt auch nicht aus, denn die tote Menschenfigur liegt bäuchlings auf einem Teppich, der ebenfalls aus den schönen Käfern besteht. Als Anspielung auf die von Fabre in Brüssel bearbeitete Palastdecke ist auch er bei exaktem Hinsehen wunderschön, aber diese Schönheit bleibt einem natürlich planungsgemäß im Halse stecken wie die sprichwörtliche schwarze Milch der Frühe.

Das 2. Obergeschoss ist angenehm leer. Zwei Haufen aus gläsernen Knochen und Schädeln stehen da, auf denen jeweils ein Herz präsentiert wird, ein männliches und ein weibliches. Die unentrinnbar per Katalog, Leaflet, Website, Audioguide usw. vermittelte Bedeutung ist leicht uninteressant, deshalb gleich weitergehen …

… ins 3. Obergeschoss, auf eine Holzterrasse, von der aus man Einblick in sehr schön gestaltete Schützengräben hat. Außerdem ist das Gelände mit Bombentrichtern (umgedrehte Maulwurfshügel) übersät. In der Mitte liegt die sehr vergrößerte Nachbildung eines menschlichen Kopfes. Ein Abbild des Künstlers steht darauf und scheint sich frohen Mutes ins Gehirn des Riesenkopfes graben zu wollen. Sicher das stärkste Bild dieses schönen, empfehlenswerten Gesamtkunstwerks.

Jan Fabre, KUB, Bregenz

Andere Besucher, die vor uns da waren, bedankten sich übrigens für

»die Anregung zum Nachdenken
durch die Provokation«

Das klingt fast wie der Titel eines nicht geschriebenen Kleist-Aufsatzes, also großartig, und wäre auch mal ein superster Ausstellungstitel, egal für welchen Künstler und welche Schau.

Oft war das KUB-Café der eigentliche Grund für einen Bregenz-Aufenthalt. Heute zwar nicht, denn die Jan-Fabre-Tentoonstelling war wie gesagt sehr hervorragend, aber wir gingen natürlich trotzdem noch ins Café rüber und sprachen endlich wieder entspannter über die Feuilleton-Meisterschaft ’08.

(Service-Hinweis: Ausstellung läuft noch bis 25. Januar.)

Regionalzeitung (Teil 13)

Leipzig, 7. Januar 2009, 15:08 | von Austin

 
  61.   eine Spurensuche der besonderen Art

  62.   doch das Buch hat viele Facetten

  63.   ist bekanntlich ein

  64.   konnte überzeugen

  65.   sind ein lustiges Völkchen
 

… und Grüße an den Sport Kurier

Milk/Frost/Nixon/W.

Hamburg, 6. Januar 2009, 12:03 | von San Andreas

Wann kommt sie endlich, die vom Umblätterer groß angekündigte Werkmonografie der Coen-Brüder? Sie wird kommen, und zwar bald. Ansonsten:

Die Award Season rückt näher, es häufen sich politisch ambitionierte Filme, die dem »Besonders Wertvoll«-Stempel, selbst wenn sie wollten, nicht ausweichen werden können. Einige davon zieren erfrischend knappe Titel, wie etwa »Milk«, die Geschichte des ersten offen homosexuellen Politikers der Vereinigten Staaten, der – und das ist mal kein Spoiler – kurz nach Amtsantritt von einem Rivalen erschossen wurde.

Gus Van Sant, der bislang zweigleisig fuhr – spröde Arthouse-Perlen auf der einen, gefälliges Star-Kino auf der anderen Seite – hat es bei »Milk« mit einem Mittelweg versucht. Der Vibe des schwulenbewegten San Francisco brandet nur so in den Saal, intime und kolossale Momente geben sich die Klinke in die Hand, zudem entpuppt sich Sean Penn in der Titelrolle als einer dieser seltenen Glücksfälle. An »Milk« wird man nicht vorbeikommen.

Ebenso wenig an »Frost/Nixon«, der Umsetzung des Stücks von Peter Morgan, das 2006/07 in London und New York lief. Es behandelt die Umstände der Nixon-Interviews von 1977 und zeigt ungefähr, dass David Frosts journalistische Arbeit ebenso essenziell für das Verständnis der Verfehlungen Nixons war wie die von Woodward/Bernstein für deren Enthüllung.

Ron Howard stach im Regie-Rennen Kollegen wie Scorsese, Clooney und Mendes aus und macht nach dem Da-Vinci-Durchhänger diesmal einfach keinen einzigen Fehler.

»Frost/Nixon« zeigt, wie seinerzeit »All the President’s Men«, wie die Medien funktionieren, während diese ja zeigen sollen, wie Politik funktioniert. Beide Seiten haben Macht, beide Verantwortung, sie können beide redlich vorgehen oder eben nicht.

In diesem Zusammenhang erinnern wir uns auch an »Nixon«, Oliver Stones genauso strikt betiteltes Politiker-Porträt. Aber es geht noch kürzer, sein jüngster Beitrag heißt schlicht »W.« (lies: Dubya), handelt vom sagenhaften Aufstieg des aktuellen, gerade noch so amtierenden US-Präsidenten.

Die halbe Welt sieht das Ergebnis seit Monaten im Kino, allein in Deutschland fand sich kein Verleih. Wir dürfen das Werk stattdessen im Januar im Pantoffelkino bewundern, ProSieben wird damit eine Reihe von Werbeblöcken unterbrechen.

Manolo für George W. Bush

London, 5. Januar 2009, 11:51 | von Dique

Stilfragen sind nicht unsere Hauptbeschäftigungslinie, doch kommen wir nicht umhin, ab und an unsere Freude zu teilen, wenn zum Beispiel Hans Magnus Enzensberger im knallrot leuchtenden Pullunder aus dem »Spiegel« grüßt oder Peter Rühmkorf in einem besonders interessanten Trenchcoat in der FAS auftaucht.

Und natürlich können wir nicht schweigen, wenn wir bemerken, dass Erich Priebke eine Karstadt-Style-Bundjacke trägt, die der berüchtigten Ahmadinejacket des iranischen Präsidenten zum Verwechseln ähnelt, noch dazu, wenn besagter Priebke auf einem Motorroller zusammen mit seinem Anwalt auf dem Weg zum Gerichtstermin in Rom an den Quattro Fontane vorbeizirkelt.

Diesen Kleinodien widmen wir uns nur am Rande und nur dann, wenn es sich nicht vermeiden lässt, denn normalerweise hegen wir andere Sorgen und besonders jetzt stecken wir wie mehrfach berichtet tief in einem Kleinkrieg um die zu kürenden »Best of Feuilleton 2008«, der hoffentlich Ende der Woche beendet ist.

Beruhigenderweise ist unsere Arbeit in Modefragen auch nicht notwendig, denn dafür gibt es »Manolo for the Men«. Hier beschäftigt sich Izzy (Isidore Gallant), der von sich konsequent in der dritten Person schreibt, nicht nur mit den kleinen Gimmicks, welche auch wir im Programm gehabt haben könnten, wenn sich beispielsweise Fidel Castro im Adidas-Tracksuit mit Kuba-Flagge portraitieren lässt. Izzy beleuchtet auch die großen modischen Fauxpas.

Die Fliege, der Bowtie, welcher seit der Folge »The Bowtie« von »Curb Your Enthusiasm« (Season 5, Episode 2) wieder wachsende Verbreitung auch unter jungen Menschen findet, fristet trotzdem ein Nischendasein und wird, wenn überhaupt, in der vorgebundenen Variante getragen, und das ist natürlich furchtbar, wie Izzy anhand eines Vergleichs von John Travolta (pre-tied) mit Peter O’Toole (self-tied) im Beitrag »Pre-Tied Bowties: Why Not Just Wear Sweatpants?« zeigt.

Ende letzten Jahres, das kann man ja nun wieder sagen, wurde das zweite George-W.-Bush-Portrait für die National Gallery Washington enthüllt, welches einen lächelnden noch amtierenden US-Präsidenten zeigt, der allerdings mit einem Hemd mit zwei eigenartigen Brusttaschen bekleidet ist, welches auf den zweiten Blick und im Kontext von Izzys scharfer Analyse recht ominös erscheint (besonders unter dem Jackett, auf dem Bild mit Putin, sieht es eigenartig aus):

»Izzy is almost certain that that light-blue shirt, with its two unusual pocket flaps, is the same one Bush wore when engaging in diplomacy with Vladimir Putin. As Izzy pointed out at the time, that quasi-militaristic style has also been favored by fellow Texan Charlie Wilson. Clearly, Bush’s choice of shirt and pose—bent over, sitting on a couch while smiling—was intended to give an air of casualness and familiarity. Unfortunately, given how the shirt’s cuffs ride up due to bent arms, Izzy mainly sees poor tailoring. (The pleats adjacent to the cuffs are a further sign that the shirt was not custom-made.)«

Die SZ bescheinigt dem Porträt eine Art Biedermeierei in schweren Zeiten, und wer will es verübeln, dass der Präsident da ein bisschen auf Kaminfeuerromantik macht. Aber auch Kia Vahland kommt nicht umhin, das Präsidentenhemd zu kommentieren:

»Nehmen Sie Platz in der guten Stube, der Gastgeber schenkt Ihnen sein Ohr. Er erwartet Sie auf der Sofakante, im frischgebügelten himmelblauen Hemd, die Brusttaschen in Cowboyart, die Manschetten dagegen staatsmännisch anzugsfähig. Noch lächelt er etwas verkrampft, aber nach zwei Gläsern wird sich die Stimmung schon auflockern. Fühlen Sie sich wie zu Hause.«

Bevor ich hier aber alle Artikel abrolle, lasse ich das so stehen. »Manolo for the Men« ist nicht nur lesbar, sondern eine seriöse Empfehlung im Namen des Umblätteres.

Die Karnickelzüchter

Leipzig, 4. Januar 2009, 03:35 | von Austin

Ein Jahr geht, das neue Jahr kommt. Und gleich nach den von der FAS noch schnell am 28. 12. ins Rennen geschickten apokalyp­tischen Reitern und Reiterinnen – übrigens, liebe FAS, bitten wir an dieser Stelle und vor diesem Hintergrund um Hilfe, die uns der Duden nicht geben kann, die aber nützlich sein könnte, um das Jahr mit der FAS verfolgen zu können, und die uns, nebenbei, auch ganz persönlich betrifft: Gesucht wird so langsam mal die kanzlerinnenkompatible Äquivalenz zum ›Herrenreiter‹ … Herrenreiterin? – gleich nach diesem Aufmarsch lässt die S-Zeitung am 2. 1. die apokalyptischen Rammler frei, mit einem Text von Holger Gertz über den Karnickelzüchterverein W152 Dortmund–Oespel, bzw. mittlerweile: Kaninchenzüchterverein W152 Dortmund–Oespel–Kley.

Ein »Seite 3«-Artikel, der sich, das Jahr ist zwar noch jung, schon jetzt als Anwärter für die Top-Ten 2009 nominiert sehen darf. Nicht nur wegen des gabrielhaften Headliners »Zucht ist Ordnung«, sondern wegen der minutiösen Sozialrecherche in einem Milieu, das über aller Lehman-Brothers-Apokalypse schon fast vergessen ist: Ja, auch das war die BRD. Der Hammersatz:

»Wenn die Namen ihrer Klubs immer länger werden, ist das kein gutes Zeichen für die Kaninchenzüchter.«

Dennoch gibt uns der Sektionschef W152 dann noch als Lösung für alle eventuellen Apokalypsen den guten alten Selbstversorger­gedanken mit auf den Weg. Seine Hasen jedenfalls haben keine Namen.

Ansonsten? Im April ist die große Anja Silja, eben noch in Covent Garden, an der Oper der Umblätterer-Homebase Leipzig. Nicht als Rosina Leckermaul (und auch nicht als Gräfin in »Pique Dame«), sondern in der dritten Rolle ihres nun schon länger währenden Altersrepertoires, in Schönbergs »Erwartung«, wo sie die ebenso große Deborah Polaski ersetzt, die letztes Jahr diese Sache sensationell über die Bühne gebracht hat. Mit Marcuccio also ist an diesem Punkt zu sagen: 1:1 in und für Leipzig. Bezüglich der »Erwartung«. Und bezüglich London.

Das Feuilletonjahr 2009 beginnt

Zürich, 1. Januar 2009, 20:23 | von Paco

So. Die letzten Feuilletons des Jahres sind erschienen und durchgelesen, die Best-of-Feuilleton-Liste für 2008 wird letzten internen Streitereien unterworfen (Erscheinungsdatum: 1. bis 2. Januar-Woche).

Währenddessen beginnt das Feuilletonjahr 2009 mit der aktuellen »Weltwoche«, deren Nr. 1/2009 (1. 1. 2009) gerade von mir gelesen wurde, von hinten nach vorn:

Wolfram Knorr schreibt über die zweite Staffel von »Rome« (S. 62), die offenbar gerade auf DVD erschienen ist: »›Rom‹ ist eine kopernikanische Wende im Genre des Sandalen­films.« Na aber mindestens. Und außerdem beginnt gerade wieder ein Kopernikus-Jahr (Commentariolus, 1509), da kann man ruhig mal schön kopernikanisch formulieren.

Auf S. 60 hat es einen Text von Michael Klonovsky über den (Entschuldigung für das Tucholsky-Zitat:) »Verdi des kleinen Mannes«, also Puccini. Es geht wieder mal darum, dass »die Hohepriester der Zunft« ihn so gering schätzen, natürlich absolut ungerechtfertigtermaßen.

Schreibgast Ulf Poschardt rezensiert auf S. 57 den neuen Skoda Superb 2,0 TDI (Preis: 41.800 Franken). Außerdem gibt es auf S. 13 noch die Broder-Kolumne, diesmal geht es um Juristen (»Die Strafrechtspflege ist meiner Gesundheit bekömmlich.«).

Usw. usw. usw.

Die Bratwurst in der Literatur:
»Niemals mit Senf«

Zürich, 31. Dezember 2008, 10:20 | von Marcuccio

Noch ein kleiner literaturgeschichtlicher Nachtrag kurz vor Jahresende. Hanns-Josef Ortheil hat sich in seinem immer noch aktuellen Roman »Das Verlangen nach Liebe« (2007) als Kurator einer exquisiten Sonderausstellung im Bratwurstmuseum empfohlen, und Rainer Moritz unterstützt ihn in der NZZ (23. 1. 2008):

»Selten dürfte in der Weltliteratur derart genüsslich der Verzehr von St. Galler Bratwürsten nebst Bürli beschrieben worden sein«.

Die Szene im O-Ton: Ortheils Ich-Erzähler Johannes besucht den Grillstand am Zürcher Bellevue (S. 25):

»Als ich den Platz erreichte, erkannte ich einen schmalen, zum Teil überdachten Grillstand, der in einer Häuserlücke untergebracht war, diesen Grillstand kannte ich, ja genau, hier gab es diese unvergleichlichen Bratwürste, wie hießen sie doch gleich, diese leicht gedrungenen Würste mit einer hellen, porenlosen, milchig wirkenden Füllung von Kalb- und Schweinefleisch. Wegen ihres intensiven und für Bratwürste ganz raren Eigengeschmacks aß man sie niemals mit Senf, sondern mit dunkelbraunen, knusprigen Bürli, die ebenfalls eine Köstlichkeit waren und in nichts mehr erinnerten, was man im Deutschen als Brötchen bezeichnete. Bürli waren nämlich innen flockig, porös und weich wie gewisse Pilz-Schwämme, außen aber überzogen von einer hier und da aufgeplatzten Kruste mit einer ganz unmerklich dunklen Lasur. Eine solche Bratwurst und ein solches Bürli, dazu ein kaltes Glas Bier – das war genau richtig (…).«

Irgendwann wird es also sicher Zeit, Elisabeth Frenzels »Motive der Weltliteratur« um die Bratwurst zu erweitern.

Kaffeehaus des Monats (Teil 42)

sine loco, 30. Dezember 2008, 18:36 | von Millek

Wenn du mal richtig Zeitung lesen willst:

Stolberg/Harz, Friwi

Stolberg/Harz
Das FRIWI in der Niedergasse.

(Gleich ein paar Häuser neben dem Café selbst liegt die etwa tausend Jahre alte FRIWI-Backfabrik. Von dort karren die Kellnerinnen den ganzen Tag edelste Torten hinüber ins Stammhaus, einfach so über die Straße, im Plastekorb. Diese inkommensurablen Kreationen dürften auch einen gestrengen Kuchentester wie Gustav Seibt restlos überzeugen.)

Wildes Gefecht

Zürich, 29. Dezember 2008, 16:03 | von Paco

In Dresden haben zum Jahresende alle erleichtert ihre Uwe-Tellkamp-Schinken ins Bücherregal des Vergessens gestellt, das Lesezeichen irgendwo zwischen Seite 30 und 40. Das Jahr 2008 geht zu Ende, niemand muss mehr Tellkamp lesen.

Ansonsten hat wirklich jeder, den ich kenne, zu Weihnachten die Marx-DVDs von Alexander Kluge geschenkt bekommen oder diese verschenkt. Die Gabentische müssen in diesem Jahr also in diesem etwas krank aussehenden Suhrkamp-Orange geleuchtet haben.

Und dann gab es im Dezember noch eine der besten Überschriften des Jahres, in der SZ natürlich (Ausgabe vom 16. 12.). Es ging um das Römer-Schlachtfeld aus der Commodus-Zeit, das bei Kalefeld im Kreis Northeim entdeckt wurde und eigentlich gar nicht hätte da sein dürfen. In der SZ war der Artikel von Harald Eggebrecht so überschrieben:

»Ein wildes Gefecht an der A7«

Das ist so hervorragend gut wie es ahistorischen Benennungen oft eben sind. Wenn etwa Hannibal durch Frankreich Richtung Alpen zieht. Oder wenn der Museumsmann von Lützen sagt: »Das protestantische Heer stand südlich der B87.«

Wie auch immer. Hier beim Umblätterer geht es ab jetzt um unser Hauptprodukt, die Jahresendliste, den Feuilleton-Reader mit den »angeblich zehn besten Feuilletonartikeln des Jahres«, wie es der Perlentaucher wahrheitsgemäß formulierte. (Hier die Top-10 der Jahre 2005, 2006, 2007, demnächst dann die für 2008.)

Dieses Jahr war ein sehr gutes Jahr, die Ausbeute ist unvorhersehbar riesig gewesen. Wir warten jetzt noch die Silvesterausgaben ab und zerfetzen uns dann sicher wieder wildes-gefecht-mäßig über das Ranking, von dem wir öffentlich immer behaupten, dass es in der Liste gar keine Rolle spielt.