Kaffeehaus des Monats (Teil 29)

sine loco, 15. April 2008, 07:06 | von Millek

Wenn du mal richtig Zeitung lesen willst:

hatemaniya shel santo, zikhron ya'aqov

Zichron Ja’akow
Das Hatemaniya-shel-Santo in der Rehov Hameyasdim.

(Auf das Hinterhofrestaurant scheint sich in sehr
wundersamer Weise immer noch der sagenhafte
Review in der »Jerusalem Post« vom 26. April
1996 auszuwirken, der auch großformatig
an einer hinteren Wand aushängt.)

»Das beste Buch der jungen BRD«

Leipzig, 12. April 2008, 17:05 | von Paco

Florian Illies ist ja mittlerweile bei der »Zeit« und kann daher ganz regulär einen schönen Text im »ZEIT MAGAZIN LEBEN« schreiben, so wie vorgestern in Nr. 16 (10. 4. 2008), S. 12-15, Titel: »Walsers Nr. 1«, Inhalt: »Martin Walser wird gerade für sein Buch über Goethe gefeiert. Dabei sind seine ›Ehen in Philippsburg‹ von 1957 der wahre Klassiker.«

Illies hat vor allem das, was gutes Feuilleton seit mindestens Kleist auszeichnet: eine gute Idee. Der Autor muss so ein Hammervorhaben dann natürlich nicht immer gut umsetzen können (wie damals etwa Andreas Bernard mit seinem Kosenamen-Text im SZ-Magazin), aber Illies gelingt das hier.

Als Ausgangspunkt nimmt er Walsers Goethe-Bestseller »Ein liebender Mann«, mit dem er gerade das »ganze deutsche Heidenreich« bezirzt – allein diese Formulierung rechtfertigt diese Woche den Kauf der gesamten »Zeit«. Von dort blickt er 51 Jahre zurück, ins Jahr 1957, als Walsers Romanerstling »Ehen in Philippsburg« erschien.

Illies‘ erster Satz ist komischerweise dieser: »Das ist die Geschichte des besten Buches der jungen Bundesrepublik.« Wenn die Jungheit des Landes mindestens zwei Jahre weiter reicht, bis 1959, disst er mit diesem Satz die »Blechtrommel«, was zumindest gewagt ist. Das fulminante Grass-Romandebüt habe die »Ehen« ausgebootet, denn:

»Walser hatte den Fehler gemacht, zu einem Zeitpunkt über die Untiefen der Gegenwart zu schreiben, als das Land erst mühsam begann, sich den Untiefen der Vergangenheit zuzuwenden. (…) Man kann sagen, dass Walsers Ehen in Philippsburg über die fünfziger Jahre leider etwa fünfzig Jahre zu früh erschienen ist.«

Dann steht da noch, dass dieses Werk »vielleicht Walsers stärkstes Buch« sei (d’accord, abgesehen vom »Tod eines Kritikers«, hehe). Und daher wird beklagt, dass man es zwar als »Frühwerk, wichtig« abgestempelt hat, es aber nicht mehr liest. Na ja, die SZ-Redaktion hat es immerhin in die ersten 50 Bände ihrer Belletristik-Bibliothek aufgenommen, als Band 9, und wenn man nach den Amazon-Rezensionen geht, hat es da schon auch einige Leser gegeben.

Im Teasertext wurde angekündigt, dass »Geheimnisse gelüftet« würden. »Philippsburg« entspricht »Stuttgart«, soviel ist ja klar. Literaturwissenschaftlich ist es dann natürlich leicht unlauter, wenn Walser dann einfach mal Arno Schmidt als Vorbild für seine Figur des skurrilen Autors Berthold Klaff enthüllt.

Ob sich Walser in seinem Roman dann auch selbst den Journalisten Hans Beumann porträtiert hat, winkt Illies dann aber schnell als »unwichtige Frage« ab, es geht also doch vorrangig um Entertainment. Illies‘ Reportage ist ein DVD-Extra, ein CD-Bonustrack, ein Trivia-Eintrag in einem Wiki zum Buch, insofern: Eins-A-Feuilleton.

Die Pointe wird dadurch vorbereitet, dass Walsers »Ehen in Philippsburg« als heute wieder interessantes Buch dargestellt wird. Walser wird auch in diesem Sinne zitiert: »Ein Buch kann auf seine Leser warten.« Dann schildert Illies, wie die beiden vom Arbeits- hinunter ins Wohnzimmer gehen, und das ist der letzte Absatz:

»Martin Walser geht vor. Ein Autor kann auf seine Leser warten.«

Die Pointe geht absolut okay. Diese Ausführlichkeit dient hier natürlich auch nur der Vorbereitung unserer Sammlung von Pointenstrukturen im deutschsprachigen Feuilleton.

Usw.

Knut Hamsun: »Mysterien«, revisited

London, 11. April 2008, 14:12 | von Dique

Ich habe mal wieder die Szene mit der Hotelparty aus »Mysterien« gelesen (Kapitel 13). Nagel lädt ein paar Leute aus der Stadt zu sich ins Hotel, und sie ziehen sich zu, und Nagel wettert gegen Tolstoi, Ibsen und andere. Dabei gibt er sich selbst einfach ständig als Agronom aus:

»Es mag naseweis klingen, zu sagen, ein Graf [Tolstoi] beschäme einen Agronomen [Nagel] so tief; aber das tut er …«

Das ist schon sehr bizarr. Auch der Student Øien, der selten in die Diskussion eingreift. Er erinnert fast ein bisschen an den Studenten aus Meyrinks »Golem«, Charousek, na ja, nicht ganz. Ist aber immer bemerkenswert, wenn in älterer Literatur bei gesellschaftlichen Events irgendwelche Studenten auftauchen, also nicht als Gruppe, sondern als Teil einer Konstellation. Neben dem Kämmerer, dem Journalisten und dem Sonstwas ist dann eben auch ein Student dabei:

»Der junge Mann war stark interessiert. Man erzählte sich, daß er – wie andere Studenten auch – in den Ferien an einem Roman schreibe.«

Und dann noch mal diese Szene auf dem großen Fest (Kapitel 16). Nagel besitzt ja diesen Geigenkasten, in dem sich aber, wie sich bald herausstellt, nur Wäsche befindet. Er behauptet auch, er könne gar nicht Geige spielen, ergreift dann aber gegen Ende des Festes – die Akrobaten sind gerade fertig, der Applaus ist verklungen, die Leute drängen nach draußen – die Violine und schmettert ein paar Stücke, inklusive einem ungarischen Tanz von Brahms.

Wunderbar beschrieben und vorstellbar, wie er da im Festsaal steht, im gelben Anzug, und alle sind wie gebannt, lauschen ihm ungläubig, hingerissen, und dann endet er abrupt, und erst nach einer Minute fangen sich die Leute, klatschen und johlen, und Nagel fasst dann bis zum Ende des Buches keine Geige mehr an. Immer wieder schön.

»Before the Devil Knows You’re Dead«

Hamburg, 11. April 2008, 01:25 | von San Andreas

Manche Filme kommen einfach so daher, schleichen sich hinterrücks an und erwischen einen kalt. »Before the Devil Knows You’re Dead« ist so einer. Wer hätte gedacht, dass Sidney Lumet zwei Jahre nach seinem Ehren-Oscar – der Mann ist 83 – mit einem solch kühnen, brodelnden, vielschichtigen Thriller auftrumpfen würde. Alterswerk? Sieht so nicht aus.

Der Film atmet die ehrliche, dunkle Aura seiner Meisterstücke aus den Sechzigern und Siebzigern (»The Pawnbroker«, »Serpico«, »Network«); mit »Dog Day Afternoon« teilt er sogar ein zentrales Story-Element: den Raubüberfall, der gründlich misslingt. Doch »Before the Devil Knows You’re Dead« ist auch das erschütternde Psychogramm einer Familie, die von Gier und Verbrechen heimgesucht wird, ein Drama shakespearscher Ausmaße.

Das Perfide an der Sache ist, dass die Demontage der Familienbande ihren Keim im Schoße der Familie selbst hat: Ein notgebeuteltes Bruderpaar plant das perfekte Verbrechen auf dem Rücken seiner Eltern, natürlich ohne deren Wissen. Somit steht jede Aktion moralisch nicht nur in einem gesellschaftlichen, sondern auch in einem familiären Kontext: Jede Verwerflichkeit, jede Schuld, jeder Konflikt wiegt doppelt so schwer.

Lumet überträgt diese Belastung unbarmherzig auf das Publikum, indem er uns in abwechselnden, zeitlich parallel laufenden Erzählabschnitten am Innenleben jeder einzelnen Figur teilhaben lässt. Dieser Perspektivwechsel erinnert an einige berühmte Beispiele der Filmgeschichte, am ehesten aber an Kubricks »The Killing«, weil dort wie hier nicht Interpretationen (»Rashōmon«) oder Erinnerungen (»Citizen Kane«) verschiedener Erzähler, sondern separate Blickwinkel einer allwissenden Erzählinstanz präsentiert werden, frappierenderweise ebenfalls um einen missglückten Coup.

Zuletzt versuchte sich Hollywood dieses Jahr mit »Vantage Point« an dieser Erzählstruktur – ein ehrenhafter, wenngleich gescheiterter Versuch. Mit »Before the Devil Knows You’re Dead« aber haben wir ein rastloses, komplexes Vexierspiel, das nach und nach schwelende Konflikte und innerlich ramponierte Charaktere freilegt. Verzweiflung und Desorientierung türmen sich unaufhaltsam auf, bis sich die Vernunft ausklinkt und brutale Gewalt aufblitzt. Scorsese hätte seine Freude daran.

Die Unausweichlichkeit dieser Eskalation erklärt sich zum Teil auch aus der kranken Gesellschaft, die das Umfeld der Tragödie bildet. Hier dominieren Existenzängste, hier floriert ein dekadenter Drogensumpf, und staatliche Institutionen bieten alles, nur keinen Rückhalt, keine Unterstützung. Es war seit jeher Lumets Stärke, diese sozialen Bezüge unprätentiös ins Geschehen einzuflechten.

Wenn die dramatischen Wellen hochschlagen, sorgen hervorragende Schauspielerleistungen für Bodenhaftung: Philip Seymour Hoffman, selten einen Deut schlechter als perfekt, gibt den großen Bruder Andy, einen unangenehmen, emotionslosen Karrieristen, dessen krimineller Energie keine Skrupel Einhalt gebieten. Seinen jüngeren Bruder, das völlig unsouveräne, sich durchs Leben schleppende Nesthäkchen der Familie, spielt Ethan Hawke mit ungeahnter Ausdruckskraft. Der große Albert Finney verleiht Charles, dem pater familias, mittelständische Würde, die zu beherrschen angesichts des familiären Trümmerhaufens viel Mühe kostet.

Zwei Szenen hat der Film, die Diskussionen provozieren: Die erste, in der Hoffmans weißer Walfischkörper zu zweifelhafter Geltung kommt, und die letzte, in der Charles eine überraschend grausame Konsequenz zieht. Zwei Szenen, emblematisch für den ganzen Film: Das ist sprödes, aufregendes Kino, hässlich wie das Leben sein kann, wenn es einfach so daherkommt, und furchtbar wie der Tod, wenn er einen kalt erwischt.

»Hey, that’s our stuff!« – Seinfeld und Tarantino

Leipzig, 9. April 2008, 23:18 | von Paco

Niemals wäre mir eingefallen, diese Beiden zusammenzudenken, niemals. Doch dann hielt mir San Andreas das Interview aus der »Empire« unter die Nase (Ausgabe vom Januar 2008, S. 163-168), das Nick de Semlyen mit Jerry Seinfeld geführt hat. Und auf einmal konnte ich nicht verstehen, wie mir das jahrelang entgangen sein konnte.

Vincent: »You know what they call a Quarter Pounder with Cheese in Paris?«
Jules: »They don’t call it a Quarter Pounder with Cheese?«
Vincent: »No, man, they got the metric system, they don’t know what the fuck a Quarter Pounder is.«

Einer von vielen Dialogfetzen aus der unfassbarsten, herrlichsten, uneigentlichsten Filmszene der Neunzigerjahre. Mit diesem Gespräch beginnen Vincent und Jules ihren Auftritt in Tarantinos »Pulp Fiction«. Sie sind im Auftrag von Marcellus Wallace unterwegs und werden kurz darauf ein paar säumige Geschäftspartner ins so genannte Jenseits befördern, einen davon aus Versehen, was zur Bekanntschaft mit Mr. »I solve problems« Wolfe führen wird.

Im erwähnten Interview mit Seinfeld steht dann Folgendes:

EMPIRE: Halfway through Seinfeld’s run came Pulp Fiction, arguably a movie about nothing. Tarantino has said he’s a fan of yours – do you see a connection there?

SEINFELD: Oh, definitely, I think Pulp Fiction was definitely influenced by the show. That opening scene, about the Big Mac, when Larry [David] and I saw that we went, »Hey that’s our stuff!« (Laughs) Yeah, Larry and I went along to the theatre and we loved it. It’s very flattering. I love the stuff Tarantino does – Kill Bill was an incredible piece of work, really cool, and so was Grindhouse.

Warum mir die Ähnlichkeit des Dialogstils nicht früher aufgefallen ist? »Seinfeld« ist eine dezidierte Sitcom, eine TV-Serie. Tarantino dagegen macht Filme. Diese handeln von Gewalt und Mythos, zwei Themenkreisen, die in »Seinfeld« nicht vorkommen.

Man muss die pointierten Dialoge über den Alltag, die »Seinfeld« und Tarantinos Filmen gemein sind, erst von der jeweiligen Handlung abkoppeln. Und auf diese Idee kommt man nicht so einfach. Aber erst dann wird die Verwandtschaft offensichtlich.

Auch für Larry Davids eigene Serie »Curb Your Enthusiasm«, die ja einige »Seinfeld«-Prämissen übernommen hat, stimmt die Diagnose. Nehmen wir die »Pulp Fiction«-Szene, in der Vincent die Frau von Marcellus Wallace ausführt, Mrs. Mia Wallace:

Vincent: »Goddamn, this is a pretty fucking good milkshake.«
Mia: »Told ya.«
Vincent: »I don’t know if it’s worth five dollars, but it’s pretty fucking good.«

Das erinnert doch sehr stark an eine Szene aus »Curb Your Enthusiasm«, an das Jandl-artige »Milk and coffee«-Gedicht, das Larry im Starbucks performt, in Folge 2.08 (»Shaq«), auf die ich schon mal hingewiesen habe.

Auch die Trinkgeld-Diskussion am Anfang von »Reservoir Dogs« ist eine »Seinfeld«-mäßige Szene, und so könnte man lange weiter aufzählen, aber gut, the point is made.

Das Spiel ein Traum: »Lost – Via Domus«

Leipzig, 8. April 2008, 09:56 | von Paco

Ludere necesse est, soll Pompeius so oder ähnlich gesagt haben, und außerdem pausiert die 4. »Lost«-Staffel gerade einen Monat. Also habe ich mir kurz das Spiel zur Serie installiert und am wetter­wendischen Sonntag in einem Rutsch durchgespielt: »Lost – Via Domus«, erschienen Ende Februar.

Von der Story her ist die Übersetzung des »Lost«-Konzepts in die Spielewelt gelungen. Da die zu erwartenden Ausmaße des Serienendes nicht mal ansatzweise absehbar sind, haben die Ubisoft-Entwickler vor allem auf das Look & Feel der Serie gesetzt und drumherum eine eigene Geschichte erzählt. Hier beginnen jetzt auch die Spoiler:

Elliott Maslow heißt die Figur, die durchs Spiel gesteuert wird. Sieht ein bisschen aus wie Jack, ist aber ein Fotograf mit Amnesie, der im Laufe seiner Gedächtnisrückgewinnung skrupellose Seiten zeigt wie fast alle aus dem TV schon bekannten Mitabgestürzten. Für ein gelungenes Foto würde er alles tun, und das meint in der Konsequenz, dass er dafür sogar seine Freundin Lisa Gellhorn opfern würde, was auch geschieht. Sie wird vom finsteren Forschungsgangster Savo erschossen, während Elliott das Ganze in einem Versteck beobachtet und lieber ein Beweisfoto macht statt zu helfen.

Logikorgien am Schaltkasten

Insgesamt gibt es in »Via Domus« 7 Level, die dramaturgisch mehr oder weniger ausgestattet sind wie eine »Lost«-TV-Episode. Es gibt den bekannten »previously on Lost«-Vorspann, dasselbe kurze In- und Outro, einen Cliffhanger und vor allem die figurenzentrierten Flashbacks, die für die Serie so konstitutiv sind. Sie wurden auch in Gameplay umgesetzt: Mit einer Kamera muss man immer wieder vergangenes Geschehen im richtigen Maßstab und mit der korrekten Schärfe fotografieren, bis irgendwelche Erinnerungsfetzen auszumachen sind. Na ja.

Aber das hauptsächlichste Element des Spiels sind die Logikorgien am Schaltkasten. Ständig muss man irgendwelche Relais so einpassen, dass ein Mechanismus ausgelöst wird, seien das Türen oder andere Dinge. Es gibt auch zwei Jump’n’Run-Einlagen, die aber extremst leicht zu meistern sind. Eine Herausforderung ist das Spiel sicher nicht. Die Level müssen außerdem arg linear durchstreift werden, nach großen Abwegen sucht man vergebens.

Damit sich der Schwierigkeitsgrad ein wenig erhöhte, hatte sich unser Wappentier kurzzeitig vor dem Screen positioniert. Hier sind wir am Ende von Level 5, unser Maulwurf und Elliott kucken gemeinsam auf einen Computerschirm, auf dem gleich ein alberner IQ-Test gemacht werden muss, damit der Reaktor abgeschaltet wird:

Wappentier Elliott Lost Via Domus

Zurück zur Story. Die anderen Survivors misstrauen Elliott und halten ihn teilweise sogar für einen Other, was natürlich inakzeptabel ist (wir wissen, was mit Ethan und Goodwin passiert ist, hehe). Am Ende macht er aber tatsächlich den Michael, indem er mit den Others einen Deal abschließt. Er serviert ihnen Jack, dafür darf er mit einem Boot nach Hause reisen, wie Michael. Er soll auch demselben Kurs folgen wie dieser (325). Anders als Michael entscheidet er sich aber kurzfristig dafür, den Losties zu helfen, die ihm wiederum bei der Schluss­verfolgung durch die Others zur Hand gehen, sodass er ohne Probleme sein Boot erreicht.

We’re the good guys, duuude!

Während des Spiels trifft man übrigens auf einige der TV-Losties, vor allem am Midsection Beach. Sawyer ist gewohnt abweisend, Hurley haut einem sein »Duuude!« um die Ohren, und Jin redet nur Koreanisch und ist daher keine große Hilfe. Viele Figuren bekommen nur einen Alibi-Auftritt. Wenn man sie nicht aus der Serie kennt, wird man storymäßig völlig alleingelassen.

Ben taucht erstmals am Ende von Level 2 auf, natürlich mit dem schönen Satz: »We’re the good guys.« Hernach hat er nicht mehr viel zu vermelden, wir sehen ihn nur noch mal kurz bei der Anstiftung zum Verrat gegen Jack. Von seinem beschwingt-maliziösen Wesen kriegen wir gar nichts mit.

Trotz allem macht sich teilweise so etwas wie Stimmung breit. Es beginnt beim Dharma-Ladezeichen. Spätestens wenn man im Hatch die Zahlenkombination 4 8 15 16 23 42 in den Uralt-Computer hacken muss, damit der Bunker nicht in die Luft fliegt, kehrt Atmosphäre ein. Am Anfang von Level 5 wird man dann in derselben Kammer gefangen gehalten wie Ben in der 2. Staffel. Der Hatch selber ist auch stimmig nachgebildet. Ebenso das Black Smoke Monster, das einen gern mal am Schlafittchen packt und ins Game Over befördert.

Ansonsten zerrt das eintönige schwere Geigenthema etwas an den Nerven. Die Grafik ist für meine 8800 GT kein Problem, eher für die Augen. Wenn man »Crysis« gewöhnt ist, wirken die Figuren­bewegungen recht ruppig.

Das Spiel ein Traum?

Große Diskussionen hat die ambivalente Endsequenz hervorgerufen. Elliott beobachtet bei seiner Abreise von der Insel den gleichen Flugzeugabsturz noch einmal, den er auch als Passagier mitgemacht hat. Plötzlich befindet er sich wieder lädiert am Strand. Die totgeglaubte Lisa kommt angerannt, sie lebt und freut sich. Hä? Verunsicherung.

»Alles nur ein Traum?«, fragen enttäuschte Fans im Netz reihenweise. Andere meinen, dieses komische Happy End könnte mit dem Zeitreisenthema aus der »Lost«-Folge 4.05 zu tun haben. Wieder andere halten den Schluss für die verrätselte Vorbereitung eines Sequels.

Dass Elliott trotz seiner Abreise letztlich wieder auf der Insel landet, folgt aber ganz deutlich dem bekannten Dialog aus Novalis‘ »Heinrich von Ofterdingen«: »›Wo gehen wir denn hin?‹ ›Immer nach Hause.‹«

Es könnte sich bei dem Ende aber auch einfach um Mindfuck handeln. Das Subgenre hat ja auch in der Serie seine Heimat. Wenn man das dann erkannt hat, kann man das Spiel endlich frisch deinstallieren und sich anderen schönen Dingen widmen. Zum Beispiel einer Runde Public mit »Call of Duty 4«.

Die (nicht durchgeweichte) FAS vom 6. 4. 2008:
Altwerden als Schreckensvision

London, 7. April 2008, 00:55 | von Dique

London FAS Fackel (Preview) Eisiger Wind, Schnee, und ich trage die FAS unterm Arm, unterm Mantel, damit sie nicht durchweicht. Befinde mich auf einem Umweg zum Lisboa, muss noch mein Wochenticket verlängern. Überall Straßensperren und Menschenaufläufe. Ach ja, hier wird wohl jeden Moment die olympische Fackel vorbeirennen.

Ein paar tibetische Fahnen, aber es scheint sich kein ernsthafter Protest zu formieren. Polizei überall. Ich warte natürlich nicht auf die Fackel, laufe aber quasi der Fackel entgegen, recht schnell, an den die Straße flankierenden Menschen vorüber, die FAS unterm Arm, unterm Mantel.

Ich denke, dass jeden Moment ein Elitepolizist den Griff seines Assault Rifles in meinen Rücken rammen wird und ich zu Boden gehen muss. Dann wird die Stelle von 5 weiteren Polizisten gesichert, und einer reißt mir den Mantel auf. Statt einer Waffe ist da aber nur die aktuelle FAS drunter … würde man in so einem Fall die Reinigung ersetzt bekommen, denke ich gerade, da sehe ich tatsächlich die Fackel, das olympische Feuer, und das Szenario könnte nicht unolympischer sein.

Ein Chinese in blauem Joggingzeug trägt die Fackel, weitere, in einer Traube drum herum, eskortieren sie. Alle halten an, vielleicht ist die Fackel ausgegangen oder kurz davor zu erlöschen bei diesem Mistwetter? Davor dann tatsächlich eine Eliteeinheit der Polizei, und davor fährt ein offener LKW, überladen wie in der Dritten Welt, aber die Passagiere sind ausschließlich Fotografen und Kameraleute.

Irgendwann dann doch noch Kaffee und die FAS. In Maxim Billers »Moralischer Geschichte« dann gleich mehr zum Thema, irgendwie. Ihr zufolge hieß der Dalai Lama in seiner Kindheit Itzik Kaganowitsch, und was das bedeutet, sollte man unbedingt in diesem kleinen Text nachlesen (S. 32).

Auf S. 27 ist ein Interview abgedruckt, welches Johanna Adorján mit einer sehr relaxt und sympathisch rüberkommenden Silvia Bovenschen führte. Es geht um ihr neues Buch »Verschwunden«, über das Verschwinden von Dingen. Sie erinnert sich daran, wie ihr einmal der Computer gestohlen wurde, und dass nach dem Schock auch ein Moment der Erleichterung einsetzte, Chance zum Neubeginn.

Gestern erzählte mir jemand von einem Bekannten (vielleicht war das also auch eine urbane Legende), der umgezogen ist. All seine Sachen wurden auf einen LKW verladen, sein Leben, oder zumindest sein Besitz. Der LKW wurde gestohlen und tauchte nie wieder auf.

Das vorletzte Buch von Silvia Bovenschen hieß übrigens »Älter werden«, und Johanna Adorján hat das in ihrer ersten Frage gleich in die Feststellung verpackt, dass Älterwerden ja auch eine Art von Verschwinden ist. Die Medienseite konfrontiert uns dann mit dem Altwerden als Schreckensvision. »Morgen gefällt Ihnen das auch!« heißt der ausgezeichnete Text von Peer Schader, der uns vor und hinter die Kulissen der Volksmusiksendungen des Fernsehens führt (S. 33):

»(…), und die Isartaler Hexen bedienen E-Gitarren zu einem Playback, in dem keine einzige Gitarre zu hören ist. Da wippt sogar der Mann vom Brandschutz am Studioeingang mit.«

Alt geworden ist auch David Rockefeller, der Enkel des Gründers des Familienimperiums. Er gibt ein bisschen Geiz- und/oder Sparsamkeits-Blabla von sich, kommt immer gut bei superreichen Gründernaturen (S. 54/55). Über Warren Buffett wird ja auch immer gern angemerkt, dass er in einem Haus lebt, welches er vor ca. 50 Jahren für schlaffe $31,000 erwarb.

Und IKEA-Gründer Ingvar Kamprad nimmt für sich beim Zugfahren den Seniorenrabatt in Anspruch und fährt nur 2. Klasse, denn: »Mit 80 Jahren bin ich eindeutig Senior.« So steht es dann tatsächlich auf der letzten Seite von »Geld & Mehr« (S. 58).

Am Ende des Gesprächs mit David Rockefeller wird es dann ein bisschen persönlicher. Enkel Rockefeller zeigt Parallelen zu Ernst Jünger, auch er ist Käfersammler. 150.000 Arten hat er nach eigenen Angaben archiviert. Das Interview mit dem humorvollen alten Herrn endet wie folgt:

Rockefeller: »Kürzlich erst habe ich in der Wüste Marokkos ein bemerkenswertes Exemplar entdeckt und mit nach Hause genommen.«
FAS: »Ist das erlaubt?«
Rockefeller: »Ich habe nicht gefragt.«
FAS: »Sind Käfer wertvoll?«
Rockefeller: »Nicht im Vergleich zu den französischen Impressionisten.«

Seine Kunst hat Herr Rockefeller freundlicherweise dem MoMA vermacht bzw. wird es vermachen. Was aus den Käfern wird, hat er nicht gesagt.

Does this town need a hug? — »No Country
for Old Men« und das neue Hollywood

Hamburg, 4. April 2008, 06:20 | von San Andreas

Die Nonchalance eines Hannibal Lecter, die Treffsicherheit eines Schakals, die Mitleidlosigkeit eines Dr. Christian Szell, die Zielgerichtet­heit eines HAL 9000, der Zynismus eines Agent Smith, der Wahnsinn eines Jack Torrance, die Wertelosigkeit eines Weißen Hais, die Unzerstörbarkeit eines Terminators, die Gerissenheit eines Gordon Gekko, die Frisur einer Mireille Mathieu: Anton Chigurh schreibt sich aus dem Stand in die Filmgeschichte ein, als verheerende Mixtur des Bösen, ein ikonischer, tatsächlich Furcht einflößender Schurke, dessen Willkür man ohnmächtig gegenübersteht; der Mann ist das Schicksal in Person.

Und er ist lediglich ein Teil dieses erstaunlichen Films: Der Held, dem wir zwei Stunden lang auf seiner Flucht vor diesem kreuzgefährlichen Killer gefolgt sind, wird unversehens von Namenlosen getötet – off-screen, denn die Kamera war gerade nicht zur Stelle. Der Killer beseitigt noch – völlig grundlos – die Frau des Helden, um dann völlig unbehelligt das Geschehen zu verlassen. Der Sheriff, der während der ganzen Geschichte nicht das Geringste hat ausrichten können, erzählt seiner Frau gerade, was er letzte Nacht geträumt hat, als ihm der Abspann beinahe das Wort abschneidet. Ein Film wie eine Ohrfeige.

Dieses rundweg unwahrscheinliche Werk nun, dieses fiese, harte, zynische Stück Autorenkino, gelangt in Hollywood zu allerhöchsten Ehren, natürlich zu Recht, und befindet sich mit Kandidaten wie »There Will Be Blood«, »The Assassination of Jesse James«, »Gone Baby Gone« oder »Sweeney Todd« in ebenso düsterer, psychopatischer, blutiger Gesellschaft.

»Does this town need a hug?«, fragte Jon Stewart bei den Oscars folgerichtig. Filme wie diese sind nicht nur Teil des Hollywood-Outputs; sie bilden das neue Aushängeschild. Eine gewisse Ernsthaftigkeit macht sich breit, aber nicht nur von der sozial- und selbstkritischen Sorte (»Crash«), der man als argwöhnischer Europäer noch gut eine Prise Scheinheiligkeit andichten konnte. Vielmehr besinnt sich Holly­wood wieder seiner gewachsenen cineastischen Kompetenz und produziert lustvoll kompromisslose Genrekunst.

Dabei fallen profunde Metaebenen keinesfalls unter den Schneidetisch. Gerade die ›Revisionist Westerns‹ der letzten Monate beschreiben in ihren Subtexten ureigene Befindlichkeiten – sei das im Zusammenhang mit den formativen Prozessen der amerikanischen Gesellschaft (»Blood«), ihrem Umgang mit Regelbrechern (»Jesse James«) oder ihrem tief greifenden Wandel in jüngerer Zeit (»Country«). Man kann sagen, was man will: Hier entsteht großes, amerikanisches Kino.

Dennoch, sie hält sich hartnäckig, die Vokabel ›Hollywood‹ als Etikett für alles Massentaugliche, Rundgelutschte, Weichgespülte. Wer sich dieser Tage »Jumper« oder »10,000 B.C.« ansieht, wird trefflich damit um sich werfen können. Die Tatsache aber, dass im selben Multiplex auch »Juno«, »Michael Clayton«, »Half Nelson« und »In the Valley of Elah« auf dem Plan stehen, lässt solch Schubladentum gänzlich obsolet erscheinen.

Welchen Film zierte in letzter Zeit denn schon ein klassisches Hollywood-Happy-End? Disneys bezaubernde Märchenklamotte »Enchanted« fällt uns ein, »Ratatouille« etwa, »Dan in Real Life« (Hochzeit!) und »Mr. Magorium’s Wonder Emporium« vielleicht noch, aber dann wird es auch schon dünn. Stattdessen verlassen Holly­woods Protagonisten die Leinwand doch mittlerweile regelmäßig mit den Füßen voran.

Scorsese hatte da einen Markstein gesetzt, indem er in »The Departed« praktisch den kompletten Cast ausradierte. Respekt. Aber auch die Helden von »Into the Wild«, »Cloverfield«, »Jesse James«, »3:10 to Yuma« und »Sweeney Todd« erleben nicht das Ende der Vorstellung. Selbst ein Old-School-Horrorfilm wie »The Mist« gefällt sich am Schluss mit einem rabiaten, multiplen Exitus.

Und wenn schon nicht gestorben wird, fallen Film-Enden dieser Tage gern traurig und ambivalent aus. »Gone Baby Gone« lässt den Zuschauer gnadenlos zwischen Herz und Verstand hängen, »Before the Devil Knows You’re Dead« schließt mit einem drastischen, verstörenden Racheakt, und selbst ein Blockbuster wie »I Am Legend« beeilt sich, dem ursprünglichen, ziemlich schlimmen Kino-Ende den kommerziellen Anstrich zu nehmen. Im ›Alternate Cut‹ entfällt Nevilles heroischer Freitod; er realisiert, dass er die Bedrohung, der Fremdkörper in dieser Welt ist und verlässt die Stadt in eine ungewisse Zukunft.

Dr. Neville zählt ja noch zu den Gutmenschen, aber was sind das sonst für gemeine Gestalten, die heute die Leinwände bevölkern! Mit Daniel Plainview treffen wir den Inbegriff eines selbstgerechten Soziopathen, sein todgeweihter Gegenpart Eli Sunday ist als bigotter, von Gier zerfressener Heilprediger keinen Deut sympathischer. Jesse James wird als der gebrochene, paranoide Schatten eines Westernhelden redefiniert, und Jason Bourne verkörpert als wortkarger, schroffer Anti-Bond eine neue Klasse des Action-Helden. Wo sind sie geblieben, die so vertrauten wie verspotteten Hollywood-Klischeefiguren? Zugegeben, sie sind noch da (Hallo, die Herren Rambo und McClane?), aber die Konkurrenz aus der authentischen Sparte wächst.

Spannende Charaktere hin oder her – taugen denn die eigentlichen Filminhalte etwas? Europas Filmkritik bemäkelt an Hollywoodfilmen ja gern den scheinbar unauslöschlichen amerikanischen Stempel: diese gewisse Prüderie in der Handhabung sensibler Themen, die leicht verlogene Political Correctness und vor allem den allgegenwärtigen Widerschein eines hoffnungslos egozentrischen Weltbildes.

Nun, Selbstbezogenheit muss nicht zwangsweise in narzisstische Überheblichkeit ausarten; sie kann auch etwas mit Selbstverständigung zu tun haben. Wer für etwas verantwortlich ist – und Amerika ist das für vieles – kann und soll sich dazu äußern. Längst übt sich Amerika vermittels seiner Filme in kritischer Selbstreferenz, liefert gescheite, teils hervorragende Beiträge für den politischen Diskurs, angesichts derer sich Europa im Zugzwang sieht, ähnlich Relevantes zu liefern.

Dabei geht man durchaus ans Eingemachte – ob es das Thema Folter in der Terrorismusbekämpfung (»Rendition«) betrifft, die Verrohung der Jungs an der irakischen Front (»Elah«), latenten Rassismus in den Städten (»Crash«), die religiöse Indoktrination des eigenen Nachwuchses (»Jesus Camp«) oder die Konflikte in Afghanistan gestern (»Charlie Wilson’s War«) und heute (»Lions for Lambs«). Selbst härteste Schicksale wie die des Daniel Pearl (»A Mighty Heart«) werden nicht ausgespart.

Diese Bandbreite zeugt von einem erstarkten Selbstbewusstsein ebenso wie von einer ernüchterten Weltsicht. Zwischen den Zeilen schwingt ehrliches Bekennermut. Und mit dem Gewinn thematischer Wahrhaftigkeit geht eine Revision gängiger Dramaturgien, Genre-Schablonen und Figurenkonstellationen einher. Trotzdem der Film produktionsbedingt eher ein Konsensmedium ist, zeigt sich eine erfrischende Bereitschaft zu Wagnissen in größerem Stil.

Das neue Hollywood schaut zunehmend über formale und inhaltliche Tellerränder hinaus, kippt ausgetretene Plotmuster und besetzt mutig gegen den Strich (etwa Pitt in »Babel«, Sandler in »Reign Over Me« und Jolie in »A Mighty Heart«). Man erfreut sich am Formelbruch, selbst nachgerade experimentelle Formen lockern den so genannten Mainstream auf (»I’m Not There«, »Redacted«).

Ein interessanter systemischer Aspekt ist hierbei, dass ein Formelbruch nur dann als solcher wahrnehmbar ist, wenn ein gewisses Regelwerk gegeben ist – in diesem Fall eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Machern und Publikum, die sich nicht in einem Statut festschreibt, sondern langsam, über viele, viele Werke, im kollektiven Filmbewusstsein verankert hat. Und maßgeblich geprägt hat diesen Prozess natürlich Hollywood selbst.

Nur wer das Handwerk beherrscht, produktionstechnische Freiheitsgrade besitzt und beim Filmemachen Erfahrungen und Erwartungen mitdenken kann, vermag damit zu spielen – ebenso wie ein Zirkusclown ein perfekter Jongleur und Balletttänzer sein muss, bevor er anfangen kann, Blödsinn zu machen. Erst dann finden Wollen und Können zusammen, erst dann können Bausteine zu neuen Formen kombiniert werden, die neue Bedeutungen transportieren.

Hollywood versammelt hierfür wie kein anderer Ort auf dem Planeten die idealen Ressourcen, und es ist gut zu sehen, dass sich kreative Kräfte ihrer mit frischer Energie bedienen. Die Studios stoßen ein kunterbuntes Konvolut von Filmen aus, Jahr für Jahr, Monat für Monat, Woche für Woche. Das Spektrum an künstlerischer Integrität, Kommerzialität oder einer wie auch immer gearteten Qualität könnte breiter nicht sein. Doch das Angebot zu sichten ist ein lohnendes Unterfangen, denn hier verstecken sich immer noch die wahrscheinlich besten Filme der Welt.

Wilhelm Ostwald und die drehbare Étagère

Leipzig, 3. April 2008, 07:56 | von Paco

Über Wilhelm Ostwald wird eigentlich nicht mehr in fachfremder Presse berichtet, über das Leipziger Wilhelm-Ostwald-Gymnasium hingegen schon, so wie vorletzte Woche auf SP*N (22. 3. 2008).

(Das war eine Reprise des »Spiegel«-Artikels der Ausgabe 21/2005, S. 172-174, der vom selben Autor stammt, Manfred Dworschak. Recap: Begabtengymnasium mit auch international erfolgreichen Schülern. Wettbewerbsgeist werde gefördert. Frontalunterricht können die alle ab, weil das für sie nur die Vorstufe zur Praxis sei. Ein Lob der DDR, die mit Begabten kein Problem hatte. Im Westen sei das Wort Begabung immer noch verdächtig. Usw.)

Am Wochenende fand ich aber eine genuine Wilhelm-Ostwald-Stelle. Der 2004 erschienene dtv-Band »Bücher sammeln« von Klaus Walther hatte auf meinem To-do-Stapel obenauf gelegen und wurde von mir also endlich weggelesen. Das Buch ist ein wenig onkelig geschrieben, was beim Thema Bibliophilie wahrscheinlich auch Teil des Plans ist. Es liefert aber auch viele ganz hervorragende Anekdoten, unter anderem diese:

»Wilhelm Ostwald, der erste deutsche Nobelpreisträger für Chemie, ließ einst in Großbothen bei Leipzig die Fundamente seines Landsitzes verstärken, damit er seine Bibliothek dort unterbringen konnte. Die vierzigtausend Bände hätten ansonsten das Gebäude den Hang hinuntergezogen. Ostwald war ganz sicher kein Bibliomane oder gar ein Bibliophiler, er war ein leidenschaftlicher Organisator wissenschaftlicher Arbeit. Dass er seine Büchermassen um sich hortete, verzeichnete er unter dem Lebensbegriff ›Energieeinsparung‹, die er bis in komische Details betrieb. So musste auf dem Esstisch immer eine jener drehbaren Etageren stehen, damit sich jeder Tischgast wortlos die Butter oder den Käse heranholen konnte. Das Tischgespräch wurde nicht durch so profane Einwürfe wie ›Geben Sie mir doch bitte die Butter‹ unterbrochen. Man sparte damit Energie, wie Ostwald meinte. Nun ja, so weit kann man es mit Energieeinsparung treiben.« (S. 12-13)

Die drehbare Étagère, das klingt sofort irgendwie sprichwörtlich. Was für ein Utensil! Wenn wir nicht schon ein Wappentier hätten, wäre sie ein heißer Kandidat, hehe.

Kaffeehaus des Monats (Teil 28)

sine loco, 2. April 2008, 21:26 | von Paco

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