Regionalzeitung (Teil 22)

Leipzig, 19. März 2010, 07:20 | von Paco

 
  106.   warten neue Herausforderungen

  107.   zimmerte den Ball unhaltbar in die Maschen

  108.   schenkten leckere Heißgetränke aus

  109.   erschreckend aktuell

  110.   versprach glänzende Unterhaltung
 

Lost: 6. Staffel, 8. Folge

Paris, 18. März 2010, 10:16 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Recon«
Episode Number: 6.08 (#110)
First Aired: March 16, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Kundschafter« (EA 5. 5. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Widmore bereitet sich auf der Nachbarinsel auf den Kampf mit Fake-Locke vor, warum auch immer. Sawyer spielt sich als Doppelagent auf, verfolgt aber natürlich noch mal eigene Interessen. Und in der Nicht-Absturz-Welt ist er kein praktizierender Betrugskünstler mehr, sondern ein Cop, und sein Partner ist Miles.

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Vorwort zum laufenden Feuilletonjahr (2/2010)

Paris, 16. März 2010, 08:54 | von Paco

Paris Blick aus dem Fenster

1. Der Umblätterer – Your Après-Feuilleton Dish.

2. Von Anfang bis Mitte Februar hat hier das Coen-Brothers-Projekt von San Andreas stattgefunden.

3. »Die Wahrheit der Sprache hängt nicht an jedem einzelnen Wort.« (Georg Diez, wohl gedacht als Werbeslogan für die Literaturverkürzer bei getAbstract)

4. Das PROJEKT: »Die Algorithmen müssen in Narration übersetzt werden.« – Frank Schirrmacher bei dctp.tv (14:20 mins. in)

5. LOST: Die Serienautoren haben sich so halbwegs gefangen, scheint’s. Kein Zeitreiseschrott mehr, dafür eine zeitparallele Nicht-Absturz-Welt, die den Keim eines würdevollen Finales in sich tragen könnte. Wir machen hier weiter mit unseren Recaps zu jeder einzelnen Folge, bis am 25. Mai 2010 das Finale läuft. Und dann: Nie wieder US-Serien! Denn Gründe dafür gibt es glücklicherweise kaum noch welche, hehe.

6. Name: Antigone Angermeier.

7. »Warum noch Zeitung?« – »Weil mein Toshiba zu hässlich ist, um sich damit ins Kaffeehaus zu setzen.«

8. Dieser Thrombosestrumpf wird in die Literaturgeschichte eingehen. (FvL)

9. »Und weiter.« (Joachim Lottmann)

 
Was bisher geschah:
 
Vorwort Nr. 1/2010

 

Feuilleton und Pornografie (Reloaded)

Leipzig, 15. März 2010, 13:23 | von Paco

Ist jetzt schon eine Weile her (Juni/Juli 2008). Seitdem ist aber nichts sehr Erwähnenswertes hinzugekommen. Deshalb hier noch mal die damals vorgestellten sechs generischen Texte zum Thema:

Teil 1: Alexander Osang über Pornywood
Teil 2: Stephan Maus über die Venus-Messe 2003
Teil 3: Tobias Rapp über Pornpop
Teil 4: Ariadne von Schirach über die Generation Porno
Teil 5: Aaralyn Barra über den »Da Vinci Code«
Teil 6: Jens Friebe über Porn-Surfing

Ach ja, ich wollte dauernd noch etwas über den herrlichen Essay »Pornographic Coding« (2005) von Florian Cramer und Stewart Home schreiben. Das würde dann Teil 7 dieser Reihe werden. Die Notizen dazu hängen leider seit Jahren in meinem Draft-Verzeichnis fest und wandern immer weiter nach unten im Dringlichkeitsstapel. Mal sehen.

Maigret

Paris, 14. März 2010, 11:49 | von Niwoabyl

Tilman Spreckelsen hat ja für FAZ.NET alle 75 Maigret-Romane von Georges Simenon gelesen, einen pro Woche, insgesamt eineinhalb Jahre lang, und alles schön lexikonisiert. Mitte Oktober war er mit allen durch, und vor ein paar Monaten sind die Texte auch gesammelt in einem Einzelband im Maigret-Verlag Diogenes erschienen.

Wie auch immer, was die Maigret-Exegese an sich betrifft, denke ich, dass das Corpus Simenoni aus zwei Gründen absolut spannend ist:

1. Simenon wird immer wieder von der Literaturwissenschaft wiederentdeckt. Dann werden immer die gleichen zwei total verrückten Sätze zitiert. Der von García Márquez: »Simenon ist der wichtigste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.« Und der von André Gide: »Simenon est le plus grand romancier de tous, le plus vraiment romancier que nous ayons en littérature.« Der zweite ist besonders lustig, da Gide bekanntlich mit der Gattung Roman kein einfaches Verhältnis hatte und selbst auch nie einen ›Roman‹ veröffentlichen wollte. Also klingt für mich dieser Satz eher nach verschlüsselter Beschimpfung. Die »echten« Romane Simenons sind auch extrem konventionell und eh schlampig geschrieben. Die scheinbar auch eher konventionelle, anspruchslose Krimi-Reihe gehört aber zum absolut Geilsten, was die moderne französische Literatur zu bieten hat.

2. Die Maigret-Romane wurden von Simenon tatsächlich als flotte Krimis konzipiert, zur Abwechslung und Entspannung geschrieben. Und bei der fast unbewussten ewigen Wiederkehr derselben Themen und Motive sind es gerade Simenons Schlampigkeit und sein Drauflos-Schreiben, die Wunder bewirken. Soviel ich weiß, schrieb er seine Romane meistens in einer knappen Woche. Zwei Tage Grübelei, einen Tag Notizen machen, zwei bis vier Tage Niederschrift und ab ging die Post, fünf- bis zehnmal im Jahr. Was Rainald Goetz einmal in einem anderen Zusammenhang über Helmut Krausser schrieb – »der Typ hat derartig einen an der Klatsche, Wahnsinn« – gilt also unbedingt auch für Simenon. (vgl. R. G., »Abfall für alle«, 1999, S. 765)

Usw.

Vossianische Antonomasie (Teil 9)

Berlin, 13. März 2010, 13:12 | von Paco

 

  1. die Mutter Theresa des aufgeklärten Studienrats
  2. der Hottentotte der Musik
  3. der österreichische Hemingway
  4. die Helene Hegemann der vergangenen Jahrhundertwende
  5. der Thomas Gottschalk der Literatur

 

Sergej Lochthofen: »Schwarzes Eis«

Berlin, 12. März 2010, 08:45 | von Paco

Heute 18 Uhr Eröffnung der Galerien in der Heidestraße Berlin. Unser partner-in-crime, die ZERN Gallery, präsentiert Zeichnungen, Temperas und Collagen von Sergej Lochthofen (bis 20. März 2010):

Schwarzes Eis

Gestern wurde gehängt, hier schön weltexklusiv ein zugehöriges Panoramafoto (Klicken zum Vergrößern):

Schwarzes Eis @ ZERN Gallery (Panorama)

Sergej Lochthofen wurde 1953 in der Straflagerstadt Workuta im Nord­osten Russlands als Sohn eines inhaftierten deutschen Emigranten und der Tochter eines verbannten russischen Revolutionskommissars gebo­ren. Er studierte Anfang der siebziger Jahre Malerei an der Kunsthoch­schule in Simferopol auf der Krim. Nach der Rückkehr nach Deutschland arbeitete er als Journalist in der DDR.

Einem breiteren Publikum ist Lochthofen aus seiner langjährigen Zeit als Chefredakteur der Zeitung Thüringer Allgemeine bekannt. Lochthofen führte die ehemalige Parteizeitung 1990 in die Unabhängigkeit und pro­filierte das Blatt als eine der wenigen wahrnehmbaren Stimmen Ost­deutschlands in der gesamtdeutschen Öffentlichkeit. Im späten November 2009 erregten die Umstände seiner Demission einiges Aufsehen, als sich der 1990 von den Mitarbeitern der Zeitung gewählte Chefredakteur unter großer Anteilnahme der Leser heftig gegen seine Abberufung wehrte. In Lochthofens Zeit als Chefredakteur gewann die Zeitung mehrfach internationale Auszeichnungen für ihren grafischen Anspruch und für die herausragende optische Umsetzung von Politikthemen.

Schwarzes Eis @ ZERN Gallery (Hängung)

Parallel zu seiner Arbeit als Journalist hat Lochthofen kontinuierlich ma­lerisch und zeichnerisch gearbeitet. Das zwanzigste Jahrhundert mit seinen Exzessen und der Entwurzelung von Millionen Menschen in den Bürgerkriegen Russlands liefert die Themen, die Lochthofen aus der Historie des Familienschicksals heraus publizistisch und künstlerisch fortwährend beschäftigen. Seine Sujets haben ihren Ursprung in der Weite von Lochthofens russischer Kindheit. Sie erzählen von den Reisen durch die Endlosigkeit der Steppen, von wiederkehrenden Abschieden und von Sehnsucht. Lochthofens Personal sind die Archetypen des russischen Dorfs; streunende Hunde, rasputineske Popen, verlorene Seelen im Matrosenanzug.

Die Ausstellung »Schwarzes Eis« bei ZERN in Berlin zeigt einen Aufriss der Arbeiten Lochthofens von den frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute. Eingeordnet in einen Kontext familiärer Artefakte aus den Lagern des russischen Nordens und der südrussischen Revolu­tionsarmee seines Großvaters erzählen und illustrieren sie das Abenteuer und den Wahnwitz der ideologischen Modernisierung, die Lochthofens Familie aus Westeuropa in den Nordural und zurück nach Deutschland führte – eine Geschichte, die Sergej Lochthofen derzeit für ein Buchprojekt des Rowohlt Verlages aufschreibt.

Bis heute Abend,
Consortium Feuilletonorum Insaniaeque

Fäuleton

Paris, 10. März 2010, 19:35 | von Paco

An Schrecklichkeit, ich wiederhole: SCHRECKLICHKEIT, nicht zu überbieten ist das Hinschreiben des Wortes: »Föjetong«. Was in dieser Schreibweise mitgeschwemmt kommt, sind die furchtbarsten Abfallprodukte menschlicher Kultur seit den Höhlenmalereien von Altamira.

Eine ganz andere Variante haben vor ein paar Jahren die Absoluten Beginner ins Spiel gebracht, namentlich Denyo, der Rapper der Enterbten. In der FAS vom 23. Juli 2003 (S. 22) hat Johanna Adorján im, genau: Feuilleton ein Interview mit den Beginnern geführt, in dem es heißt:

FAS: Die erste Single der neuen Platte, »Fäule«, ist schon in den Charts. Was bedeutet das eigentlich: Fäule?

Denyo: Manchmal entstehen doch einfach neue Wörter, wenn man den ganzen Tag mit denselben Leuten zusammen ist. In diesem Fall war es so, daß ich den anderen beiden etwas erzählen wollte, das ich im Feuilleton gelesen habe, und weil das so umständlich auszusprechen ist, habe ich Fäuleton dazu gesagt. Das haben wir dann abgekürzt: Fäule. Steht für alles, was uncool ist.

FAS: Von Feuilletons halten Sie also nichts?

Denyo: Ach, da stehen schon interessante Sachen drin, aber dieser ganze Theaterkram, geschrieben von Journalisten, die sich einen auf ihre Sprache abkeulen, ist nicht mein Ding.

Soweit Denyo. Eine noch andere Variante geht so, dass man die Feuilletonseiten einfach »KULTUR« nennt.

Lost: 6. Staffel, 7. Folge

Paris, 10. März 2010, 09:45 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Dr. Linus«
Episode Number: 6.07 (#109)
First Aired: March 9, 2010 (Tuesday)
Deutscher Titel: »Dr. Linus« (EA 28. 4. 2010)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Macht und Machtverlust sind die Hauptthemen der gesamten Serie. In dieser 7. Folge der Finalstaffel hat dieses Themenpaar wieder mal einen schönen Auftritt, und dass es eine auf Ben Linus zentrierte Folge ist, hilft diesem zum Lutscher degradierten einstigen Überboss der Others wieder zu einigen Sympathiepunkten:

1. – Insel-Plot

Nach dem Überfall des Fake-Locke auf den Temple schließt Ben in der Finsternis des Inseldschungels zu den anderen Jacobinern auf. Sie sind in deutlicher Unterzahl und wollen sich erst mal zum Strand zurückziehen.

Miles, der ja als relativ plumper Deus ex machina in die Serie geschrieben wurde, soll anhand von Jacobs Asche (mitgeschleppt von Ilana) herauskriegen, wie der Inselgötze starb. Das bringt Ben in die Bredouille, denn nun wissen alle, dass er ihn abgestochen hat. Ilana ist auch ziemlich sauer über den Verlust ihrer Vaterfigur Jacob.

Im Strandlager darf auch Sun mal wieder was sagen. Ok, von jetzt ab heißt sie nur noch Kulissen-Sun, weil sie nur noch dumm in den Kulissen steht und sie nur noch aus Mitleid ein paar Sätze zugeschustert kriegt. Ilana jedenfalls erzählt ihr, dass sie und/oder Jin candidates seien für die Übernahme von Jacobs Job.

Inzwischen findet Ben in den Zeltresten ein Schmuddelheft (»Booty babes«) und ein Buch von Disraeli, außerdem ein weiteres, das von ihm aber nicht beachtet wird, den 60er-Jahre-Bestseller »The Chosen« von Chaim Potok. Man fürchtet, dass das vielleicht sein letztes intellektuelles Erlebnis war, denn kurz darauf wird er von Ilana dazu gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln.

Fake-Locke erscheint ihm, sprengt seine Fußfessel und lädt ihn auf die andere Insel ein, wo er sich angeblich mit den Ausreisewilligen versammelt hat. Ben flieht denn auch und hat die Chance, seinerseits Ilana umzunieten. Aber ein klärendes Gespräch mit viel Sentiment verhindert das. Ilana vertraut ihm wieder, und statt Fake-Locke zu folgen, kehrt Ben mit ins Strandcamp zurück.

Soweit die Haupthandlung auf der Insel. Ansonsten haben wir auch Jack und Hurley wiedergetroffen. Letzterer erwacht im Dschungelgras mit den Worten »cheese carrots« auf den Lippen. Aber ohne Dusche und Frühstück will Jack gleich weiter zum Temple. Die beiden werden aber von Richard abgepasst, der sie stattdessen zur Black Rock führt, diesem stylischen alten Britenschiff, das zu einem Lieblingsgimmick der Zuschauer geworden und nun endlich einmal wieder zu sehen ist.

Übrigens gab es bei Richards Auftauchen noch einen dieser typischen Langweilerdialoge, buuuaah:

Jack: Where did you come from.
Richard: You wouldn’t believe me if I told you.
Jack: Try me.

Richard, der offenbar mit dem altehrwürdigen Schiff auf die Insel gelangt ist, sagt aber auch gute Sachen, etwa: »I’m not a cyborg.« Er erklärt auch seinen komischen Nichtalterungsprozess: Jacob habe ihn berührt, deshalb. Die Unsterblichkeit sei aber natürlich mehr Fluch als Segen (gääähn). Richard könne sich auch nicht selber um die Ecke bringen, jemand anderes müsse es tun. Jack vergisst seinen hippokratischen Eid und erklärt sich dazu bereit. Er setzt sich neben Richard, während in der Black Rock die Lunte abbrennt. Jack ist sich sicher, dass nichts passieren werde, und es passiert auch nichts.

Zusammen mit Hurley ziehen sie zum Strand, wo es ein Wiedersehen mit den anderen Jacobinern gibt. Als Cliffhanger fungiert ein Periskop, das vor der Insel den Ozean durchpflügt. Es gehört zu einem U-Boot, in dem Widmore sitzt. Der alte Zausel nimmt nun also endlich wieder am Kampf um die Insel teil.

2. – L.A.-Plot (Lehrer Linus)

Dr. Ben Linus, in Studienratsoutfit mit Studienratsnickelbrille, referiert in seiner Klasse über Napoleons Elba-Aufenthalt und über dessen tragischen »loss of power«. Genau darum geht es auch im alternativen L.A.-Plot, und weil das »Lost«-Thema auch hier im Kleinen so gekonnt bespielt wird, kann man diese Folge als sehr gelungen bezeichnen.

Ben ist ja in dieser Parallelwelt Lehrer an derselben Schule, an die es auch Locke als Substitute verschlagen hat. Und Locke schlägt ihm im Lehrerzimmer vor, doch nach dem Amt des Schuldirektors zu streben, da er sich so für die Schule und die Schüler einsetze. Ben bekommt auch bald die Möglichkeit dazu. Es stellt sich heraus, dass Alex, seine adoptierte Inseltochter, hier in L.A. seine Lieblingsschülerin ist. Und Alex hat nun mitbekommen, dass Principle Reynolds nun also mit einer Krankenschwester usw. und auch noch auf dem Schulgelände!

Bens Erpressungsversuch scheitert jedoch, da Reynolds ihn vor die Wahl stellt: Wenn er seinen Posten tatsächlich räumt, dann werde er auch Alex‘ Yale-Empfehlung versemmeln. In diesem Machtspiel entscheidet sich Ben für Alex‘ Fortkommen und handelt damit anders als in Folge 4.09, als er Alex geopfert hat.

In einer Einzelszene sehen wir noch, wie sich Ben um seinen kranken Vater kümmert. In diesem Gespräch erwähnt der Vater auch seine Beteiligung an der Dharma-Initiative. Er war also mit seinem Sohn damals auf der Insel, hat sie aber offenbar wieder rechtzeitig verlassen und bedauert das jetzt gegenüber seinem Sohn: »Who knows what you would have become?«

Faserland-Allergie

Konstanz, 7. März 2010, 18:08 | von Marcuccio

Wenn die Popliteratur fasten müsste, wo würde, könnte sie anfangen? Genau, wohl bei den Markennamen.

»– nichts sollte mehr daran erinnern, dass man mir einst vorwarf, bereits auf der allerersten Seite von ›Faserland‹ tauchten zehn bis zwölf Markennamen auf.«

—Christian Kracht im Gespräch mit Ingo Mocek
(»Ich denke immer an den Krieg«, NEON, Okt. 2008)

Die Philologie hat das ja wirklich ausgezählt, die Markennamen jetzt, und zwar Olaf Grabienski, und er kommt auf ein gut gefülltes Sünden­register (siehe S. 6 im PDF).

Eigentlich hätte es im letzten Buch von Kracht – »Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten« – ja noch ein allerletztes Marken­namenzitat geben sollen, und zwar eine Parisienne-Zigarette, aber, so Kracht (a. a. O.): »Ich habe es zum Glück herausgestrichen«.

Und er hat den NEON-Lesern vor zwei Jahren verschwiegen, dass zeitgleich tatsächlich eine markennamenfreie Version von »Faserland« auf den Markt gekommen ist, zumindest das Exposé dazu:

»Also, es fängt damit an, daß ich bei einer Fischbude in List auf Sylt und ein Bier aus der Flasche trinke. (…) Weil es ein bisschen kalt ist und Westwind weht, trage ich eine gewachste Regenjacke mit Innenfutter. (…) Vorhin habe ich Karin wiedergetroffen. Wir kennen uns noch aus dem Internat, obwohl wir damals nicht miteinander geredet haben, und ich habe sie ein paar mal in einer Disko in Hamburg und München gesehen. (…) Außerdem hat sie mindestens schon zwei Gläser Weißwein getrunken.«

Ein Coup? Naja, eher ein germanistisches Experiment im Sinne der von Paco erwähnten Tendenz zur primären Sekundärliteratur, realisiert durch Frank Degler und Ute Paulokat in ihrer richtig schön lesbaren UTB-Fibel »Neue Deutsche Popliteratur« (S. 38). Vielleicht aber auch ein Statement in Richtung der Markenverächter und Namedropping-Nörgler der eigenen Disziplin. Schaut her, das ist »Faserland« für Markenallergiker.

Dankbar ist man dem Duo Degler/Paulokat auch mal für ein klärendes Wort dahingehend, dass die Markennamenallergie ja immer nur genau bei den Rezensenten und Germanisten auftritt, »die eventuell nicht über das trendsichere Hintergrundwissen verfügen, um die ihnen gebotenen Reizwörter richtig deuten zu können«.

Vorstellbar ist so eine produktnamenfreie »Faserland«-Ausgabe aber nicht nur für zeitgenössische Markenallergiker, sondern auch Markenlegastheniker zukünftiger Generationen. Die »Große E-Book-Ausgabe« 2020 (25 Jahre »Faserland«) mit Live-Streams zu Fisch-Gosch nach Sylt, ins Bordbistro der Deutschen Bahn (Matthias Horx!) und zum kackenden Hund auf dem eindunkelnden Friedhof von Kilchberg wird das Markengedächtnis wahrscheinlich lebendiger halten als wir uns das im Moment noch ausmalen können.

Moritz Baßler hat schon früh auf diese Zukunftsaufgaben der Literatur­wissenschaft aufmerksam gemacht – sein legendärer Hinweis auf den Crunchip-Clip in der kommentierten Stuckrad-Barre-Gesamtausgabe in 100 Jahren (Baßler 2002, S. 105) gilt heute noch als Running Gag unter progressiven Editionsphilologen.