Archiv des Themenkreises ›Serienjunkiez‹


Lost: 4. Staffel, 8. Folge

auf Reisen, 25. März 2008, 23:50 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Meet Kevin Johnson«
Episode Number: 4.08 (#79)
First Aired: March 20, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Mein Name ist Kevin Johnson« (EA 3. 8. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

In dieser Folge wurde die manipulative Informationspolitik von beiden Seiten, Widmores und Bens, eindrucksvoll in Szene gesetzt. Durch stetig wechselnde Vorzeichen wird wieder mal klar vor Augen geführt, dass hier gar nicht wirklich ausgemacht ist, wer ›gut‹ und wer ›böse‹ ist.

Mehr noch: Es steht zu vermuten, dass beide Machtklüngel zu den ›bad guys‹ zählen. Das wäre ja mal interessant: Der Kampf Böse gegen Böse. Und die Survivors des Oceanic-Fluges stehen dann in der Mitte, wobei die ja auch fast alle ein paar Leichen im Keller haben.

Wie auch immer, der Schlagabtausch beginnt mit der Rekapitulation eines Dialogs aus Folge 2.23, einem verzweifelt fragenden Michael und einem sympathisch (hehe) grinsenden Ben:

Michael: Who are you people?
Ben: We’re the good guys, Michael.

In der letzten Folge hatte Widmores Kapitän so halb überzeugend dargestellt, warum die Frachterbesatzung auf der Suche nach Benjamin Linus sei: weil er nämlich das falsche Flugzeugwrack inklusive 324 (teils?) falschen Leichen auf dem Meeresgrund geparkt hat. In der aktuellen Folge wird diese Aussage nun GENAU ANDERSHERUM erzählt: In einer Flashback-Szene in New York behauptet nämlich der inzwischen von Sawyer getötete Tom (von den Others), dass Widmore den falschen Flieger auf den Meeresgrund gepflanzt hat.

Allerdings wird Michael an Bord des Frachters die Geschichte wiederum aus der anderen Perspektive erzählt, diesmal vom Chopperpilot: Widmore sei tatsächlich aus rettungstechnischen Gründen auf der Suche nach dem wahren Wrack. Als Michael aber sieht, wie die Söldner auf dem Deck mit ihren MPs in den offenen Ozean ballern, kommen ihm berechtigte Zweifel am Rettungscharakter der Mission.

Also was nun! Dieses Hin und Her ist effektvoll inszeniert und spiegelt überzeugend das manipulative Spiel beider Mächte wider.

Gegen Ende von Michaels Flashbacks folgt eine Hammerszene: Er ist entschlossen, die ihm von den Others mitgegebene Bombe zur Explosion zu bringen, um das Widmore-Schiff dem Meeresboden gleich zu machen. Ein 15-Sekunden-Countdown startet, Spannung pur. Und dann …

… springt bei 00:00:00 nur ein Zettel heraus, auf dem steht: »NOT YET« – und da sage einer, die Others hätten keinen Humor.

Dann ruft Ben auf dem Boot an (durchgestellt wird er als »Walt«, der Trick kommt ein bisschen billig, funktioniert aber offenbar). Er rechtfertigt den Bombenscherz so:

»I had to show you the difference between him and me. When I’m at war, I’ll do what I have to win but I won’t kill innocent people.«

Auch hier also wieder ein deftiger Schuss einlullender Informations­politik.

Der Fülle literarischer Techniken, die in »Lost« ihre Verwendung finden, wird diesmal eine weitere hinzugefügt. Anhand Michaels Background-Story gibt es zum ersten Mal einen Figuren-Flashback, der nicht als mentale Erinnerung ausgelegt ist, sondern einer anderen Figur direkt ins Gesicht gebeichtet wird.

Dadurch erfahren wir nebenbei, was Michael widerfahren ist, nachdem er mit seinem Sohn Walt die Insel verlassen durfte (nichts Gutes). Am Ende führt Michaels Story aber vor allem dazu, dass Sayid ihn erst mal an den Captain des Frachters verrät. Sein Dasein als »Kevin Johnson«, als Bens Trumpf an Bord des Frachters hat damit ein Ende.

Das ist für Michael selbst aber nicht so wichtig, denn er hatte Sayid auf dessen erste Anfrage hin, was er denn auf dem Boot mache, geantwortet: »I’m here to die.« Er bringt das mit ziemlichem Pathos hervor, und sein Satz wirkt auch deshalb ein bisschen lächerlich, weil er vorher schon mehrfach erfolglos versucht hat, sich umzubringen. Toms herrliche Erklärung für seine Fehlschläge: »You can’t kill yourself. The Island won’t let you!«

Und damit sind wir wieder auf der Insel: Dort scheint es mal wieder Zeit für ein neues Level zu sein, sprich: für einen neuen Dharma-Bunker. Diesmal handelt es sich um irgendeinen Tempel, von dem wir noch nichts Genaues erfahren. Alex (Bens Tochter) und Rousseau (Alex‘ Mutter) werden von Ben zusammen mit einem Inselboy (Karl) dorthin geschickt.

Die Fußreise der drei wird jäh durch MG-Salven unterbrochen. Karl ist wohl hinüber, Rousseau zumindest gut getroffen, und Alex lässt die Folge mit einem Schrei ausklingen, adressiert an den unsichtbaren Schützen: »Wait! I’m Ben’s daughter!«

Und jetzt haben wir erst mal einen Monat »Lost«-Pause.


Lost: 4. Staffel, 7. Folge

London, 20. März 2008, 01:19 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Ji Yeon«
Episode Number: 4.07 (#78)
First Aired: March 13, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Ji Yeon« (EA 27. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Eine Sun-zentrierte Folge, und ich bin erst mal enttäuscht. Dieser ganze Affären-, Klassen- und Vaterkomplexkram geht mir gehörig auf den Zeiger. Doch die 4.07 entpuppt sich dann schnell als starke Folge mit einer ganzen Menge Puzzleteilen.

Gehen wir voll rein in die großen Bedeutungsfelder: Benjamin Linus und Charles Widmore verkörpern zwei Mächte, die sich im Kampf um die Insel gegenüberstehen und dabei informationspolitisch-manipulatorisch die Sau rauslassen. Wer wen als Scherge und Opfer benutzt, ist noch nicht ganz klar, aber beide nutzen alle Tricks, um den Gegner taktisch zu schwächen.

Wenn man den Aussagen des Frachter-Captains Glauben schenkt, hat Ben also aufwendig falsche Spuren gelegt, indem er den gecrashten Rumpf der Oceanic 815 irgendwo im Ozean platziert hat, zusammen mit 324 Leichen, die zahlenmäßig der Passagierliste des Fluges entsprechen. Mit dieser Finte will er offenbar alles und jeden von der Insel fernhalten, hat aber nicht mit Widmore gerechnet, der irgendwie (wie?) die Original-Black-Box des 815er Fluges auftreiben konnte. Und jetzt ankert sein Freighter namens »Kahana« in der Nähe der Insel.

Allerdings wird dieser auch sabotiert, wahrscheinlich von einem alten Bekannten, Michael. Denn: Ein bisschen frisiert und inkognito (als Kevin Johnson), aber immer noch mit seinem gereizten Blick, sehen wir ihn endlich wieder. Welcome back, brotha, würde Desmond sagen, sagt er aber nicht, da er ihn ja gar nicht kennt. Michael, der im Finale der 2. Staffel mit seinem Sohn Walt erfolgreich von der Insel fliehen durfte, scheint also Bens Spion an Bord des Freighters zu sein.

Benjamin Linus erschien ja von Anfang an als äußerst vierschrötig und unheimlich, schon als er sich noch als Henry Gale ausgab, mit oder ohne sein gelb-blau geschlagenes Gesicht, und nun wird ihm noch dieses »staged wreckage« des Fliegers angehangen. Aber jetzt kommt’s:

»What’s even more disturbing … where exactly does one come across 324 dead bodies? And that, Mr. Jarrah [Sayid], Mr. Hume [Desmond], is just one of the many reasons we want Benjamin Linus.«

Das sagt wiederum Widmores Kapitän. Verkörpert also Widmore die gute Seite der Insel-Medaille? Unwahrscheinlich. Das kann man der Serie gar nicht genug danken, dass sie bei ihrer Konstellation der Mächte eben nicht klar zwischen Gut und Böse unterscheidet. Die Konturen verschwimmen je nach Informationslage, und es begegnen uns auf der Mikroebene der Charaktere sowie auf der Makroebene des Plots stark ausgeprägte Ambivalenzen.

Juliet zum Beispiel ist uns in ihrer wachsenden Apathie gegen ihren Boss Ben Mal um Mal sympathischer geworden. Doch in dieser Folge lässt sie wieder ihre Skrupellosigkeit heraushängen. Mit berechnender Eiseskälte haut sie dem gerade so Englisch radebrechenden Jin das Affärengeheimnis seiner Frau ins Gesicht. Das Geheimnis, das ihr von Sun in einer prekären Lage vertraulich mitgeteilt wurde. Am Ende vertragen sich aber alle wieder, Jin & Sun, Sun & Juliet. Sie wollen ja alle bloß von dieser verdammten Insel runter, und da haben die Emotionen eben mal kurz übergekocht.

Für Sun sowieso, klar, aber auch für uns Zuschauer mit Wissensvorsprung gegenüber der koreanischen (nun) Mutter, erscheint Juliet noch immer zwielichtig, was treibt sie eigentlich, will sie wirklich einfach von der Insel runter, irgendwo sicher, aber is it as simple as that?

Auch Bernard findet eine schöne Beschreibung für die wabernde gut/böse-Dichothomie. Bernard, der zusammen mit seiner Frau Rose einer der wenigen zu sein scheint, der keine Leichen im Keller hat. Nachdem Jin die Affäre seiner Frau serviert bekommen hat und sich zur Beruhigung zum Fischen aufs Meer zurückzieht (als Symbol der Reinigung funktioniert das ja immer gut), hält ihm Bernard diesen Monolog über die Ehe, der wohl Jin darin bestärkt zu verzeihen und zu Sun zurückzukehren, um dieses Kapitel ein für alle mal abzuschließen.

Vor allem stellt Bernard zum ersten Mal fest, was auch die Zuschauer noch nicht so gedacht haben werden, obwohl es stimmt: »Locke is a murderer.« Dann erklärt er Jin das Karma-Konzept, eine Hommage à »My Name Is Earl«, die NBC-Comedyserie, in der das allgegenwärtige Karma neben dem Ex-Tunichtgut Earl die Hauptrolle spielt:

»You see, now, that’s karma. We must be the good guys, huh?«

Das ist einerseits ironisch, wenn man Jins Vergangenheit als mordender Scherge von Suns Vater bedenkt. Andererseits stimmt man sofort zu, ja, Jin is one of the good guys. Das passt irgendwo auch ein bisschen zu unserer kürzlich geführten Diskussion um Schirrmachers Artikel über Peter Hacks. Schuld, Sühne, Chance, Fehler, gut, böse »und der ganze Crap«, wie George Costanza vielleicht sagen würde.

Die Sterberate ist übrigens für eine Serie, die ja immer wiederkehrende Figuren braucht, recht hoch, und manche Tode kommen und gehen ohne irgendeine Konsequenz. Da springt nun diese Regina (Tarantinos »Death Proof«-Muse Zoë Bell) mit Ketten um den Leib ganz von sich aus in den Ozean. Die Besatzung juckt das nicht, keiner springt hinterher um sie zu retten.

Gut, vielleicht kann man da auch nichts machen, cabin fever und so, aber trotzdem wird dann ziemlich schnell umgeschaltet, obwohl da gerade ein Mensch in den Tod gesprungen ist (auch wenn Z. B. im wirklichen Leben Stuntfrau ist und ihr nichts passiert sein wird, hehe). Man denke hier auch noch mal an Locke. Der ballert einfach mal Naomi ab und wird dann Führer des einen Flügels der Überlebenden. Auch diese ganzen Morde an den Others, etwa in einer der letzten Szenen der dritten Staffel, als Sawyer den Other Tom regelrecht hinrichtet.

Jack sehen wir dieses Mal nur ganz kurz. Eine dieser Jack-Szenen, in denen er sich nach irgendjemandes Wohlbefinden erkundigt. Er erinnert mich darin sehr an Doctor Livesey in irgendeine Verfilmung der »Schatzinsel«. Der kommt da auch manchmal mit der weißen Fahne ins Blockhaus und erkundigt sich nach dem Wohlbefinden der verfeindeten Piraten, die auch gerade Jim Hawkins auf ihrer Seite haben.

Auch Kate wurde etwas stiefmütterlich in die Folge hineingeschrieben und erscheint wie einer dieser Vollgummibälle, die mit unglaublicher Kraft unkontrolliert herumspringen, nicht wissen, wo sie hinwollen und dabei eine Menge Porzellan zerschlagen.

Ach ja, Jin ist angeblich tot. Das Datum auf seinem Grabstein ist das Datum des Flugzeugabsturzes. Zumindest dieses Datum hat er aber überlebt, das müssten Jin und Hurley eigentlich wissen. Andererseits scheinen beide im Flashforward trotzdem anzunehmen, dass er tot ist, warum auch immer.

Sehr schön ist die Parallelisierung von Suns Entbindung im Flashforward mit Jins Kauf eines riesigen Plüschpandas, den er slapstickhaft durch den koreanischen Großstadtverkehr schleppt, bevor er ihn als Representative von Suns Vater, Mr. Paik, in einem Krankenhaus abliefert, offenbar eine Flashback-Szene.

Sun wird jedenfalls als eine der Oceanic Six bezeichnet, also fehlt noch einer. Aaron scheint nicht zu zählen, da er ja auch nicht auf der Passagierliste stand, weil er beim Absturz noch nicht geboren war.

Okay, vielleicht ist das beste an dieser Folge, dass dieser ganze Sun/Jin-Affärenkram ein für alle mal vorbei ist. Bleiben Vaterkomplex und Klassenunterschied, also immer noch genügend Lückenfüller, hehe.


Lost: 4. Staffel, 6. Folge

auf Reisen, 12. März 2008, 02:42 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Other Woman«
Episode Number: 4.06 (#77)
First Aired: March 6, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Die andere Frau« (EA 20. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Jetzt wird es konkreter, jetzt muss es konkreter werden, denn es geht dem Ende entgegen. Nach dem SciFi-Zeitsprung-Kram der letzten Folge kriegen wir nun von Ben bestätigt, dass Pennys Vater, Mr. Widmore, die Insel will.

Damit ist wieder eines der Hauptthemen da: Väter. Viele Subgeschichten handeln von Vater-Sohn-Beziehungen, von Sohnes- oder Tochterleid und Vatermord. Locke und Sawyer und Kate und Jack. Es ist kein Zufall, dass all diese Hauptcharaktere schwere father issues haben.

Und nun Mr. Widmore, wieder so ein Vatervieh, das irgendwas im Schilde führt. Laut Ben hegt Widmore ganz normale Bereicherungs- und Ausbeutungspläne, ob dieser notorisch unzuverlässigen Quelle diesmal zu trauen ist, wissen wir natürlich nicht. Jedenfalls hat der Offshore-Feind jetzt ein Gesicht.

Daneben gab es vor allem viel Juliet in dieser Folge. Sie hat sich nach ihrer Ankunft auf der Insel mit Goodwin eingelassen, dem Mann der Other-Therapeutin Harper, den wir schon aus früheren Staffeln kennen. Die Affäre ist aber insofern ein Fehler, als Ben von Anfang an einen crush on Juliet hat, und warum: »She looks just like her.« Die Frage »Like who?« ergänzt wieder mal den Strauß dringend zu beantwortender Fragen.

In weiteren Szenen sehen wir einen verliebten Ben, der Juliet mit einem Dinner for two hofieren will. Sie soll dann allerdings auch begreifen, »that you’re mine«, uh-oh, sowas kommt schlecht an bei einer modernen Frau – da hat Ben auf der Insel wohl ein paar Jahrhunderte Menschheitsentwicklung verpasst.

Jedenfalls hat er Goodwin aus Eifersucht unter die Überlebenden von Oceanic 815 geschickt, wo er irgendwann von Ana Lucia gekillt wurde. Ben führte Juliet dann persönlich zum gepfählten Goodwin, um Juliet seine Rache effektvoll unter die Nase zu reiben.

Als Spannungselement gibt es diesmal übrigens ein Wettrennen zu The Tempest, dem Elektrowerk, das die Insel mit Energie versieht. Wieder so ein Inselbunker.

Faraday und Charlotte erreichen das Ziel als erste, doch werden vorher im Dschungel kurz von Kate gestellt. Die kriegt aber von Charlotte eins übergebraten. Jack und Juliet finden die zusammengeschlagene Kate, Jack befragt sie, doch darüber verschwindet dann wieder Juliet voreilig Richtung Tempest.

Dort stellt sie Faraday, der gerade an so einem Monogreen-Bildschirm herumtippt. Charlotte probt wieder ihre Überzieherkünste und bringt Juliet zu Fall. Die letzten Sekunden zählen sich herunter, die Szene ist ähnlich wie damals beim Hatch-Computer ein bisschen hollywoodesk überzogen.

Charlotte meint, sie wollen mit ihrer Aktion das Ausströmen eines tödlichen Gases verhindern, mit dem Ben alle Insulaner killen wollen würde. Und siehe da, Juliet glaubt das offenbar und hält Faraday nicht auf. Der schafft es dann auch einen Moment vor der Nullsekunde das Ding anzuhalten: »That … that was a close one.«

Und ach ja, Claire kriegt von den Autoren mal wieder ein paar Zeilen zugeschanzt. Sie darf heute mal Locke anzweifeln, und wenn sogar sie nicht mehr glaubt, dass er es reißen kann, muss was dran sein. Das erkennt auch Locke und entschließt sich endlich zu einem Deal mit Ben. Der führt ihn zu einer Videokassette mit einer heimlich gefilmten Tiefgaragenszene, in der Charles Widmore auftaucht.

Wir müssen dann den Erklärungen von Ben glauben, aber Locke bekommt von ihm immerhin eine Akte über Widmore ausgehändigt, zusammen mit dem Geständnis, dass das Bens letzter Trumpf war. Na gut, fehlt nur noch Bens Mann auf dem Boot: »You need to sit down«, meint Ben, aber die Antwort hören wir in dieser Folge nicht mehr.

Am Ende gibt es eine Szene mit Hurley und Sawyer, damit wir auch die beiden nicht ganz vergessen. Sie spielen Hufeisenboccia, als sie plötzlich ungläubig den freigelassenen Ben vorbeispazieren sehen: »See you guys at dinner«, meint er grinsend zu den glotzenden Hufeisenwerfern, und da ist es mal wieder Zeit für eine Hommage an die Figur Ben, an deren Vielschichtigkeit, die sich so schön langsam herausgeschält hat. Man muss sich wirklich noch mal die 2.14 ansehen, in der er zum ersten Mal auftaucht. Damals glaubt man ihm noch seine Unschuldsstory – mit dem geballten Wissen um seine geheimnisvolle coole Verlogenheit wird man diese Szenen jetzt anders sehen.


Lost: 4. Staffel, 5. Folge

London, 5. März 2008, 01:20 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Constant«
Episode Number: 4.05 (#76)
First Aired: February 28, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Die Konstante« (EA 13. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Der Propeller rattert, ein glücklich lächelnder Desmond, ein besorgter Sayid, und der »Renegade«-mäßige Pilot bringt die Chopper schlingernd in eine Schlechtwetterfront.

Ziemlich verregnet geht es weiter, wir befinden uns plötzlich in einer Kaserne in Schottland, wo Desmond Militärdienst leistet, im Jahr 1996.

Was für ein Schotte, dieser Desmond. Was für ein Schotter, diese Folge. Zumindest kam mir das so vor. Egal ob Bewusstseinsstörung oder Zeitreise: Wer da keine Konstante hat, ja, der ist verloren und todgeweiht. »Lost« wird mit dieser Folge also endgültig Science-Fiction – das war ja nicht unbedingt in dieser Konsequenz zu erwarten.

Und das muss auch nicht schlecht sein, doch leider geht es nicht so richtig vorwärts, eher seitwärts. Besonders die Sache mit Desmond und seinen Zeitsprüngen muss erst mal inhaltlich verdaut werden. Die Angst wächst, dass sich viele Mysterien um die Insel in Klischees auflösen.

Desmonds Traumsucht kennen wir ja schon von seinen Blicken in die Zukunft, durch die er mehrfach Charlies Tod voraussah, bis der Rocker am Ende der 3. Staffel schließlich im Looking Glass ersoffen ist. Nachdem Des nun die Insel verlassen hat, scheint er über seine Realvisionen den Verstand zu verlieren. Wieso weiß er plötzlich nicht mehr, wer Sayid ist und wo er selber sich gerade befindet und überhaupt?

Das klärt sich dann einigermaßen auf: In dieser Folge werden Konstanten gesucht, wie schon der Titel ankündigt, und für uns, die Zuschauer, fungiert Daniel Faraday als Konstante, wie er back in time als junger hitziger Professor für Aufklärung sorgen soll, Mitte der Neunziger, am Physics Department in Oxford.

Das sind Szenen zum Aufpassen, hier wird sicher irgendwie der Plan für das »Lost«-Finale schon in Gang gesetzt, und bei all dem Ernst geht Daniels coole Antwort ein bisschen unter, die er Desmond gibt, nachdem dieser ihm sagt, was ihm vom 2004er Faraday aufgetragen wurde zu sagen:

»Why didn’t I just help you there, in the future? Why would I put you through the headache of time travel? You know what I mean, it just seems a little unnecessary.«

Danach wird es allerdings ziemlich klischiert: Wir sehen eine mit Formeln vollgeschmierte Tafel, ein Experiment mit einer Laborratte und einen besessenen Faraday, dem es irgendwie zu gelingen scheint, den Beweis für die Funktionalität dieser träumerischen Zeitreisen zu erbringen.

Wenigstens wird in dieser Desmond-Folge ein wichtiger loser Erzählfaden aufgegriffen: Im Jahr 1996 haben Penny und Desmond ihre Beziehung beendet, die genauen Gründe bleiben im Dunkel. Es gibt aber Parallelen zu einem früheren Ereignis: Desmond lernte Penny kennen, als er gerade aus einem Kloster entlassen wurde. Recht spontan hatte er sich davor für den Gang ins Kloster entschieden, kurz vor seiner Hochzeit, also eine Art Flucht. War der Gang in die Kaserne eine ähnliche Flucht? Ist das der Grund why Penny is »trying to make a clean break« von Desmond?

Und dann ist da noch die Sache mit der Telefonnummer. Gib mir deine Telefonnummer und ich rufe dich in 8 Jahren an. Das klingt dick aufgetragen und unglaubwürdig, sorgt aber trotzdem für starke Momente:

»I won’t call for 8 years. December 24th, 2004, Christmas Eve.«

Dazu dieses gänsehautige Musikthema, dieser Teil, wenn an einem knackigen Bass eine Saite angerissen wird und lange ausschwingt. Solche Momente lassen jedenfalls alle Räder stillstehen und enden in einem emotionalen Feuerwerk. Penny mit ihrem wunderbaren Akzent schmeißt Desmond aus der Wohnung. Aber 8 Jahre danach, wir müssen gar nicht lange warten, es ist ja auf der Insel bzw. offshore jetzt genau Weihnachten 2004, da kommt auch tatsächlich der Anruf von Desmond:

»Hello?«
»Penny?«
»Desmond?«
»Penny, Penny, answer, answer, Penny …«
»Des, where are you?«
»I’m, I’m, I’m, I’m on a boat, errm, I’ve been on an island …«

Beenden wir das Ganze mit ein paar offenen Fragen, nein, nicht mit der nach dem vierzehigen Statuenrest, sondern mit der nach dem letzten der Oceanic Six, oder der nach dem komisch gestrandeten Schiff, das die Losties am Ende von Staffel 1 mitten auf der Insel finden, und dessen Logbuch nun von Mr. Widmore, Pennys Vater, bei Southfield’s in London ersteigert wird.

Und wer ist Bens Mann an Bord des Schiffes? Die »Lost«-Fansites erwarten in diesem Zusammenhang die Rückkehr von Michael, oder vielleicht ist es doch ein tropischer Eisbär, der hier eingehüllt von schwarzem Rauch die Szene betreten wird?


Würdiger Vorläufer von »Rome«:
»I, Claudius« (BBC 1976)

auf Reisen, 27. Februar 2008, 06:25 | von Paco

Es gibt nach dem Ende der 2. Staffel leider keine Fortsetzung der HBO-Serie »Rome«. Bzw.: Es gibt sie doch, in a way.

Die 13-teilige BBC-Serie »I, Claudius« (nach dem Roman von Robert Graves) ist stilistisch ein deutlicher Vorläufer von »Rome«: Allein die skrupellos-genialen Intrigen der Livia (Siân Phillips), die sie immer so schön doppeldeutig kommentiert und am Ende dem Kaiserkandidaten Claudius (Derek Jacobi) offenbart, sind sehenswert. Die empfehlenswerte Website »I, CLAVDIVS PROJECT« nennt etwa ihre Loswerdung des Postumus in Folge 4 »a masterful piece of manipulation«.

Erzählrahmen bildet Claudius‘ Niederschrift der Geschichte der julisch-claudischen Dynastie unmittelbar vor seinem Tod im Jahr 54 n. Chr. Er beginnt seine Familienstory ca. 24 v. Chr., es handelt sich also historisch gesehen tatsächlich um die Fortsetzung der HBO-Serie »Rome«, die ja mit Marc Antonys Tod nach der Niederlage bei Actium und Octavians Machtantritt endet. Natürlich wirken die 70er-Jahre-Charakter alle etwas dröger als die vor Fleischeslust strotzenden und leuchtenden Römer der US-Serie. Aber das schöne UK-Englisch passt natürlich besser zu den Römern.

Um mit dem Figurenreichtum zurechtzukommen, sollte man auf jeden Fall irgendeinen Serienguide im Netz nutzen. Der unübersichtliche Familiennexus verwirrt sogar Augustus (Brian Blessed) selbst, der den kleinen Claudius in Folge 3 fragen muss:

– Now, which one are you?
– Claudius.
– Oh, yes, Drusus‘ boy.

»I, Claudius« folgt als gute Britenserie auch einem speziellen Humor. Wenn es zum Beispiel in Folge 2 um die römische Provinz Britannia geht, heißt es: »There’s nothing of value there and the people make poor slaves.« Genauso schön funktioniert übrigens das Krautbashing: »Shall we ever civilise the Germans?« Gut, der Ton ändert sich ein wenig im Jahre 9, nachdem Varus an der Grenze zu Germania ein paar Legionen verheizt hat.

Ähnlich wie »Rome« liegt auch der 70er-Jahre-Serie ein lüsternes Drehbuch zugrunde, das sich vor allem für die sagenhafte Promiskuität der Römer interessiert. Nur ein Beispiel: Augustus‘ Tochter Julia hält sich dutzendweise Liebhaber, nachdem ihr dritter Mann Tiberius auf Rhodos exiliert ist. Einmal fragt sie ihren Lover Plautius, der gleichzeitig der Freund ihres Sohnes Lucius ist: »Tell me, does Lucius know you’re ploughing his mother’s furrow with such ferocious skill and energy?« (Folge 3)

Livia setzt diesen Plautius dann irgendwann als Spitzel ein und lässt ihn eine Liste mit allen Lovern von Julia anfertigen. Es wird eine lange Liste. Sie brieft Augustus mit den ausspionierten Daten, und der befragt ein paar angetretene Männer nach ihren Beziehungen zu Julia und rastet dann aus: »Is there anyone in Rome who has not slept with my daughter!«

Dann gibt es noch die Anekdote mit dem Lovemaking-Contest: Während ihr Gatte Claudius Britannia erobert, arbeitet Messalina im Wettstreit mit der berüchtigten Starprostituierten Scylla eine Männerschlange ab, wobei aber nicht mal heruntergelassene Hosen gezeigt werden. Das HBO-»Rome« hätte dafür sicher auch ein paar lustige Bilder gefunden. Erwähnt sei auch noch John Hurt als blondgelockter Lustmolch Caligula, dem schon eine Präfiguration des 1979er Caligula im gleichnamigen Film von Tinto Brass (nach Gore Vidal) gelingt.

An seinem Beispiel lässt sich auch die brutale Entschlossenheit der Figuren zeigen, für die ja auch »Rome« überzeugende Ausdrucksmöglichkeiten gefunden hat (erinnert sei an die Zunge, die Titus Pullo einem Kontrahenten in Folge 2.08 herausbeißt): Caligula hat dem für tot gehaltenen Tiberius bereits den Ring abgestreift und sich pompös zum neuen Emperor erklärt, da kommt ein Sklave angerannt und vermeldet, dass der bereits Totgeglaubte noch lebt und seinen Ring zurück haben will. Herrlich: Caligulas Blick in diesem Moment. Macro nimmt dann ein Kissen und hilft Tiberius ins Jenseits. – Oder wenn in Folge 9 der Kopf des kleinen Gemellus gebracht wird, und Caligula kommentiert: »I’ve cured his cough.«

»I, Claudius« ist entlang der historischen Begebenheiten also auch so brutal wie »Rome«. Beispielhaft zu nennen wären hier auch noch die Grausamkeiten rund um die Ermordung des Sejanus (gespielt vom jungen Patrick Stewart) und seiner Familie. Dessen minderjährige Tochter steht auch mit auf der Prosrikptionsliste, und als einer der Exekutoren Bedenken trägt, eine Jungfrau zu ermorden, da das Unglück für die Stadt bedeuten würde, schlägt ihm ein Kamerad vor: »Make sure she’s not a virgin before you kill her.«

In 13 fast einstündigen Folgen ist übrigens auch Platz für schöne Details, etwa die häufige Wiederkehr von Augustus‘ komischem Lieblingsausdruck »quick as boiled asparagus«.

Am Ende wird Claudius durch seine letzte Frau Agrippinilla vergiftet, die auf diese billige Weise machthungrig ist wie alle ihre Peers. Claudius will es aber auch gar nicht verhindern, dass ihr verzogener Sohn Nero als sein Nachfolger installiert wird. Die julisch-claudische Dynastie wird mit diesem verwöhnten dicken Jungen tatsächlich abtreten, und genau das ist auch Claudius‘ Ziel, von dem er sich langfristig die Wiederherstellung der Republik verspricht, auf dass es endlich ein Ende habe mit den Giftmischern und Mördern. Es sollte natürlich anders kommen.

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Lost: 4. Staffel, 4. Folge

auf Reisen, 26. Februar 2008, 13:30 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Eggtown«
Episode Number: 4.04 (#75)
First Aired: February 21, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Deal« (EA 6. 7. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Eine Antwort! Wie in anderen »Lost«-Blogs schon weithin festgestellt wurde, haben wir diesmal die Antwort auf die wohl nagendste Flashforwardfrage bekommen. Als wir im Finale von Staffel 3 überhaupt zum ersten Mal einen Flash nach vorn auf dem Zeitstrahl sehen durften, sahen wir Kate zu Jack sagen, dass sie jetzt zurück nach Hause müsse, zu »ihm« (»he’s going to be wondering where I am«).

Wer dieser »he« war, ist nun geklärt. Nämlich nicht Sawyer oder irgendein anderer, der die Stimmung der Jack-&-Kate-Fraktion getrübt hätte. Sondern der kleine Aaron, der eigentlich Claires Sohn ist.

Aber wo ist Claire, die blonde Jungmutti mit leichtem Hang zum Zickentum? Sie ist offenbar nicht unter den Oceanic Six, und überhaupt wird es eng für die anderen Losties, denn es fehlt nur noch eine Person, die es von der Insel runtergeschafft hat. Aber warum gibt Kate den kleinen Aaron als ihren Sohn aus? Die geklärte »he«-Frage hat also wie jede bisherige Auflösung neue Fragen aufgeworfen.

Warum zum Beispiel will Jack den Kleinen nicht sehen? Vielleicht hat er Claire auf der Insel aus Versehen mit einer Dampfwalze überfahren und schämt sich jetzt? Oder so.

Nun aber zum Beginn der Folge: Locke brät zwei klassische Spiegeleier und greift sich ein Philip-K.-Dick-Buch (»VALIS«) aus Bens Bücherregal. Das sieht zunächst ein wenig wie westliche Frühstücks-Normalität aus. So ähnlich fing ja auch die zweite Staffel an, als Desmond da seinen normalbürgerlichen Beschäftigungen nachging, ohne dass man gleich wusste, dass er den Hatch bewachte, der dann aber auch nur auf der Insel lag, fernab jeglicher Zivilisation.

Jedenfalls sind Spiegeleier und Buch nicht für Locke selber. Er bringt sie Ben in sein Verließ. Ben hat das Buch schon durch, Locke animiert ihn zu nochmaligem Lesen und kommentiert sehr schön (auch in Anspielung auf Bens erste Gefangenschaft, damals im Hatch): »You might catch something you missed the second time around.« Das Gleiche kann und muss man natürlich auf jeden Fall auch auf »Lost« selber beziehen, hehe, da sollte man ja auch lieber noch mal wie sablog einen »Lostathon« einlegen vor jeder neuen Staffel.

Es kommt zu verbalen Machtspielchen zwischen Ben und Locke, und Ben ist da ja Meister. Er erinnert Locke daran, dass er gerade vergeblich Jacob und die Cabin gesucht hat und gern wissen will, wer Bens Spion auf dem Frachter ist. »You’re more lost than you ever were«, haut er noch raus, perfekt: Locke rastet erst mal aus.

Dann die Kate-Story des Flashforwards. Wie ihr Sawyer in 4.03 prophezeit hatte, bekommt sie es außerhalb der Insel mit ihren alten Vergehen zu tun und muss vor Gericht den Tod ihres Vaters verantworten, den sie in 2.09 samt Haus in die Luft gejagt hatte. Auf der Insel wird Sawyers Ratschlag von Miles sinngemäß wiederholt: »If I where you I’d stay right here, on the island.«

Als Kate übrigens mit Miles sprechen will, Locke ihn aber nicht rausgibt und Kate fragt, warum nicht, antwortet Locke: »You may think this is a democracy, Kate, because of the way Jack ran things. But this is not a democracy.« Das ist neben dem belief/disbelief-Streit wieder ein hervorragend herausgearbeiteter Jack/Locke-Gegensatz. Mit seiner believer-Truppe, mit seinem Camp in den Barracks und mit dieser »democracy«-Aussage scheint Locke tatsächlich der »Colonel Kurtz« zu werden, als den ihn Sawyer in 4.02 bezeichnet hatte.

Sawyer macht auch erneut seinem Namen als Spitznamenerfinder alle Ehre, indem er Miles als »Bruce Lee from the freighter« bezeichnet. Miles widerum will $3.200.000 von Ben, dann werde er den Frachterleuten sagen, dass er tot sei. Die »Lost«-Scripter haben es ja mit komischen Zahlen, und das hier ist wieder so eine unübliche Summe, und da werde ich gleich mal Dique damit erschrecken, wenn ich ihm sage, dass »32« eine umgekehrte »23« ist, es ist sehr unheimlich, hehe.

Nach dem Dämpfer für die Kate-&-Sawyer-Fraktion gibt es auf der Insel dann überraschenderweise problemlos eine nur knapp jugendfreie Szene ziwschen beiden. Nachdem man ja mit der Aussicht auf Zuneigungsbezeigungen in TV-Serien eigentlich immer hingehalten wird, fragt man sich, warum »Lost« hier jetzt so mit Romantik um sich schmeißt. Na ja, der Tête-à-tête endet im Streit, immerhin.

Insgesamt setzt mit dieser Folge eine deutliche erzählerische Verlangsamung der Staffel ein, aber nach den fulminaten ersten drei Folgen muss sich alles erst mal ein wenig setzen. Trotzdem gibt es noch Elemente des Schnelldurchlaufs, die Zeit rennt, sie müssen alles noch irgendwie unterbringen und wollen keinen vergessen: Kurzes Gespräch zwischen Sun & Jin, man kriegt das fast gar nicht mit, man konnte sich ja sozusagen kaum mehr an die beiden erinnern, hehe.

Am Schluss dann die spannende Horrormeldung per Funk: Der in der letzten Folge mit Sayid gestartete Heli ist nicht auf dem Frachter gelandet. Locke sorgt darüber hinaus noch für einen eigenen Schocker: Da er keine Antworten von ihm bekommt, stopft er dem gefesselten Miles eine Handgranate mit gezogenem Splint in den Mund, sodass der bibbernde Antwortverweigerer den Bügel nur noch mit seinen bibbernden Zähnen hält. Was für eine Szene!


Lost: 4. Staffel, 3. Folge

London, 19. Februar 2008, 22:12 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Economist«
Episode Number: 4.03 (#74)
First Aired: February 14, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Ökonom« (EA 29. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Eine Sayid-Folge, und man fragt sich, wie der ehemalige Foltermeister der Republikanischen Garde immer wieder zum Werkzeug dunkler Mächte wird. Besonders, wenn man ihn von der Insel her kennt, kontrolliert, dominant und somewhat in charge. So wie er in dieser Folge bei seiner Charlotte-Befreiungsaktion rüberkommt, um dadurch auf den Frachter vor der Küste zu gelangen, wie es ihm als Lohn in Aussicht gestellt wird von dem Chopper-Pilot, der aussieht wie der Typ aus »Tropical Heat«, nur eben in alt und versoffen.

Aber so tough er auch sein mag, Sayid hat erkannt: »Everyone has a boss.« Seine Dienstherren scheinen bevorzugt zur Kategorie ›schlimme Finger‹ zu gehören, wenn man seinen Werdegang vom Folterer zum Auftragsmörder von Bens Gnaden betrachtet. Von diesem neuesten Karriereschritt wird uns nämlich im Flashforward gegen Ende der Folge berichtet. Dabei hatte er auf der Insel noch getönt: »The day I start trusting him [Ben] is the day I would have sold my soul.« Hat er also in einem faustischen Pakt, von dem wir noch nichts wissen, seine Seele verkauft?

Und was wissen wir schon. Für jeden Ansatz einer Erklärung, und davon gibt es in dieser Folge glücklicherweise mal so einige, werden uns immer wieder neue Fallstricke der Verwirrung gedreht, werden neue Personen und schwindelerregende Plot-Winkelzüge präsentiert.

Da schlendert nun der harte, weiche Sayid, ›der weiche Riese‹ möchte man sagen, ein bisschen wie Axel Schulz, nur ohne die frischen Koteletts auf den Augen, durchs winternasse Berlin und verliert, binnen einer Folge, erneut eine blonde Geliebte. Bauchschuss. So starb auch Shannon auf der Insel (am Ende von Folge 2.06), nur hat Sayid diesmal in Berlin selbst die Hand am Abzug.

Im Café »Die Mauer« lernt er Elsa kennen. Sie soll eigentlich nur ein Lockvogel sein, eine Informationsquelle, ein Vorwand. Der Mörder Sayid, das kann man ruhig mal so hart sagen, will ihren Boss niederstrecken, so wie er den Herrn zu Anfang der Folge auf dem Seychellen-Golfplatz erledigt hat. Der altmodische Boss von Elsa, über den wir nichts wissen, wird ein alter Bekannter sein. Dazu gibt es sicher bald mehr, oder eben gegen Ende der 6. Staffel, falls es die Autoren irgendwie zwischenzeitlich vergessen, verschieben oder verplanen. Deshalb frage ich auch nicht schon wieder nach dem Statuenrest mit den vier Zehen.

Die Folge ist auch wieder ein bisschen touristisch, so wie Paco es bei der letzten Folge bereits feststellte, nach dem anfänglichen Abstecher auf die Seychellen wird uns ein kühles Deutschland präsentiert, Berlin. Und es gibt auch wieder Namensspiele: Sayids Geliebte (und Opfer) Elsa erinnert einerseits an den berühmten Exploitationklassiker »Ilsa, She Wolf of the SS« von Don Edmonds, hehe, aber vor allem natürlich an die ach-so-deutsche Elsa (von Brabant) aus Wagners »Lohengrin«. Die Parallelen der Todesumstände beider Elsas sind zumindest recht deutlich. Aber vielleicht gehen wir hier ein bisschen zu weit mit unseren Mutmaßungen, denn eine Zigarre ist manchmal eben nur eine Zigarre.

Wo wir gerade dabei sind, Namen, Zahlen … Faraday lässt vom Frachter aus eine kontrollierte Rakete auf seine Position abschießen, welche mit einiger Zeitverzögerung auf der Insel ankommt. Die Zeit auf der Insel scheint deutlich langsamer zu laufen. Das ist natürlich ein dickes Ei. Erklärt vielleicht auch, warum Richard, den Ben auf seiner kurzen Flucht während seiner Kindheit hinter den Sicherheitspylonen im Wald traf (Folge 3.20), seither nicht oder nur sehr wenig gealtert ist. Als er ihn nach dem Massenmord an der gesamten Dharma-Besetzung wiedertraf, sah der noch genauso aus, aber aus dem jungen Benjamin war inzwischen ein Mann geworden.

Die Rakete brauchte übrigens 03:16:22 Realflugzeit, nach Inselmessung aber nur 02:45:03. 3+1+6+2+2=14 (1+4=5, die Quersumme von 23). Nun mal bitte die Inselzeit zusammenrechnen, scary, platt oder Zufall? Ach so, flight number 8+1+5, hehe.

Es gab ja das U-Boot, und wir wissen auch um den Kontakt der Inselbewohner mit der Außenwelt, welcher allerdings immer sehr sporadisch wirkte und an dem Ben nicht beteiligt war. Es erschien immer, als hätte er sein Leben nach der Ankunft auf der Insel ausschließlich dort verbracht. Nun entdeckt aber Sayid diesen geheimen Raum in Bens Haus (ganz klassisch: ein drehbares Bücherregal).

Ein Raum voller Pässe, plus Geld in verschiedenen Währungen und anderen Reiseutensilien. Ben war also out and about in der weiten Welt. Und dann bekommen wir noch einen kurzen Blick auf Bens Schweizer Reisepass. Und was wird wohl herauskommen, wenn wir von Bens Geburtsdatum die Quersumme bilden, 3. März 62, 3+3+6+2?

Bens Reisetätigkeit wird auch erklären, warum einige Leute auf ihn so sauer sind und ihn suchen. Es sieht nach Rache der Dharma-Initiative aus. Vielleicht gehört Ben zu einer Organisation, die direkt mit den Dharmas in Konkurrenz steht. Nach dem in Tunesien freigelegten Skelett eines Eisbären mit Dharma-Halsband liegt die Vermutung nahe, dass Dharma nicht nur auf der Insel Experimente mit dem weißen Meister Petz durchführte, sondern verschiedene Stationen betrieb.

Vielleicht hat Ben die alle nacheinander ausgeschaltet. Die Insel war für ihn sicherer Fluchtpunkt, denn niemand konnte sie orten, aber nach der Explosion im Hatch und der Zerstörung von »The Looking Glass« hat sich das alles geändert, und die heile Inselwelt des Benjamin Linus entgleitet immer mehr ins Chaos.

Locke führt in der aktuellen Folge seine »Herde« über die Insel und folgt dabei seinem ganz persönlichen Abendstern, in Form von Mr. Ekos Schnitzereien. Nun begegnen sich die Gruppen at gunpoint, aber doch zivilisiert. Sayid wird von Kate überrascht, noch ehe er seine Gedanken über Bens Versteck verdauen kann und wird, wie zufällig, zu Ben gesperrt, der ihn mit »I guess they’re running out of jail space« begrüßt.

Vielleicht haben die beiden hier ihren teuflischen Pakt geschmiedet, obwohl dafür wohl die Zeit nicht gelangt haben dürfte. Denn Sayid wird sich schnell einig mit Locke: Er tauscht Charlotte gegen den Geisterjäger Miles und kehrt mit ihr zum Heli zurück, zu Jack und den anderen. Der Plan geht auf, und der Chopper hebt ab, mit dem versoffenen Tropical-Heat-Piloten, Sayid, Desmond und der toten Naomi.

Für Herz und Record, Kate hat sich mal wieder für Sawyer (und damit die Insel) entschieden, aus Mangel an Perspektive. Das wird sie sich aber scheinbar noch mal anders überlegen, schließlich ist sie eine der Oceanic Six. Wie übrigens eben auch Sayid, der jetzt Nr. 4 von 6 ist, fehlen also noch 2 (wenn man Ben nicht mitzählt, der ja im Flashforward mit Sayid unterwegs war). Die Komplettierung dieses Figuren-Sixpacks ist im Moment wohl die spannendste Perspektive, und sie wird auch nicht so lange auf sich warten lassen wie die Auflösungen all der anderen Fragen (die Monumentalstatue mit den vier Zehen will ich gar nicht erst wieder erwähnen, was zur Hölle ist das!).


Lost: 4. Staffel, 2. Folge

auf Reisen, 12. Februar 2008, 15:45 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Confirmed Dead«
Episode Number: 4.02 (#73)
First Aired: February 7, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Für tot erklärt« (EA 22. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Ok, ich bin dran, nachdem Dique letzte Woche die 4.01 gemacht hat.

Folge Nr. 2 ist eine sehr touristische Folge, die uns an verschiedene Orte in den Staaten (Massachusetts, Kalifornien), auf die Bahamas und sogar nach Tunesien trägt. Dort findet sich am Rand einer Ausgrabungsstätte bei einem Polarbärskelett (yeah, right) ein Riemen mit dem Dharma-Zeichen, eine Kreuzung von Symbolen an verschiedenen Orten der Welt, die ein wenig an Alejandro González Iñárritus »Babel« erinnert.

Überhaupt wird allen möglichen Anspielungen und Assoziationen wieder freier Lauf gelassen. Die Folge wirkt vollgestopft mit neuen Sachen, so als ob die Autoren jetzt um jeden Preis die Gleise für erst nachträglich ausgedachte Erklärungen legen wollen würden, hehe.

Am Anfang sehen wir die Szene, die 4.01 beschlossen hatte, aus der anderen Perspektive. Nun ist es der mit dem Fallschirm gelandete Neuankömmling Faraday, der Jack und Kate angerannt kommen sieht. Faraday wird schön windig gespielt, und er gibt dann auch zu, dass die Rettung der überlebenden Passagiere von Oceanic 815 nicht das »primary objective« der Mission sei.

Es handelt sich übrigens ungewöhnlicherweise um eine »multi-centric episode«, d. h. es geht in den Flashbacks oder Flashforwards nicht um nur eine Person. Es sind auch zu viele Leute vorzustellen: Außer Faraday haben sich Miles (ein, ähm, Geisterjäger) und Charlotte (Anthropologin) aus dem schlingernden Helikopter gerettet. Am Ende kreuzt noch der Chopperpilot (und dedizierte Säufer) Frank auf.

Die Namen der Neuen sind natürlich wieder ein Festival semantischen Überhangs: Die Anthropologin Charlotte Staples Lewis spielt sicher auf C. S. Lewis an, den Verfasser der »Chronicles of Narnia«. Und dass der Physiker ausgerechnet (Daniel) Faraday heißt, ist schon wieder mehr als cheesy. Die Anspielung auf den historischen (Michael) Faraday, den Entdecker der elektromagnetischen Induktion, passt aber natürlich gut in das Magnetismuskonzept, mit dem die Autoren ihre Insel ausgestattet haben.

Der Chopper wurde übrigens doch noch glücklich gelandet und steht jetzt auf einer Inselwiese herum. Aber nur solange Locke ihn nicht zu Gesicht bekommt, denn dann wird wieder schön explodiert wie mit dem U-Boot in Folge 3.13, hehe.

Speaking of which, während Locke mit seiner Believer-Gruppe das Weite suchen will, wird er von Sawyer mit Fragen genervt und wegen seiner lakonischen Sturheit »Colonel Kurtz« genannt, und das ist doch mal gut getroffen. Locke besteht darauf, dass ihm Walt erschienen sei, »only taller«, und dass er ihm geholfen habe, nachdem Ben ihm eine Kugel verpasst und ihn zum Verrotten in einer Grube zurückgelassen hatte.

Zum Beweis zeigt er dem ungläubigen Sawyer den Durchschuss durch seinen Unterleib, und die Szene erinnert mich kurz an den Potsdamer Caravaggio, auch wenn dort der Hl. Thomas die Wunde von Jesus unfassbarerweise direkt mit dem Finger prüft.

Locke kommentiert sein Überlebensglück so: »I’d probably be dead if I still had a kidney there.« Ein unerwartet ironischer Kausalnexus, denn jetzt hat also Lockes leiblicher Vater (in 3.19 von Sawyer um die Ecke gebracht), der ihn einst skrupellos ausgenutzt hat, um an eine Niere zu kommen, das Leben gerettet.

Und dann noch ein unerwarteter Hammer, bei dem mir fast der sprichwörtliche Döner aus der Hand gefallen ist: Ben steht kurz davor, von Locke erschossen zu werden, und verspricht in dieser Situation vollmundig Antworten auf alle möglichen Fragen, die sich bei den Losties so angesammelt haben.

Locke reagiert ganz im Sinne der Zuschauer (wir erinnern uns an diese Liste) und fragt ohne viel Federlesens sofort nach dem Black-Smoke-Monster, die wohl lustigste Replik der ganzen Serie bisher. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt – können wir jetzt endlich aufhören, »Lost« zu kucken? Schließlich hängt an dem black smoke das größte Fragezeichen.

Können wir nicht, denn Ben weiß natürlich nicht, was es mit dem schnell zuschlagenden und schnell sich verflüchtigenden schwarzen Rauch auf sich hat.


Lost: 4. Staffel, 1. Folge

London, 5. Februar 2008, 13:38 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Beginning of the End«
Episode Number: 4.01 (#72)
First Aired: January 31, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Der Anfang vom Ende« (EA 15. 6. 2008)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

San Andreas ist in der 3. Staffel ausgestiegen, ein Fehler, wie man im sablog nachlesen kann. Paco und ich sind dabei geblieben, und nach langen 8 Monaten heißt es jetzt endlich wieder »previously on Lost«.

Seit dem Ende der zweiten Staffel warten wir auf Neuigkeiten bezüglich des riesigen Statuenrests mit den vier Zehen, gesehen durch ein Fernrohr und dem Drehbuch bisher keinen direkten Kommentar wert.

Das ist selbstverständlich nur ein Beispiel für die vielen offenen Seitenarme des Plotkanalsystems. theTVaddict.com hat mal die anderen bisher unbeantworteten Fragen gesammelt. Sehr schön gleich Frage 1: »The Smoke Monster … what’s the deal?«

Nun soll es also noch dreimal 16 Folgen »Lost« geben, das ist zumindest der Plan, wegen des Streiks sehen wir davon in dieser Staffel vielleicht nur 8. Da heißt es Ruhe bewahren, und damit sind wir auch gleich bei der ersten neuen Folge: Am Ende der Episode haben sich die Fragen natürlich gemehrt, und die Handlung, wie im ersten Drittel jeder Staffel üblich, bewegt sich im Schneckentempo.

Trotzdem werden die Gleise gelegt für eine Staffel voller Dynamik, denn die Losties teilen sich am Ende in 2 Gruppen. Eine wird von Jack geführt, der auf das nahende vermeintliche Rettungsteam zugehen will. Die andere von Locke, der nicht an die Rettung glaubt und sich Richtung Barracks entfernt.

In der letzten Folge von Staffel 3 wurde bereits klar, dass »Lost« offenbar als narratives Diptychon angelegt wurde. Die ersten Flashforwards (statt Flashbacks) waren zu sehen. Ein Stilbruch, der in der vierten Staffel offenbar zum stilistischen Standardmittel wird.

Jeder neue Informationshappen, der uns in der (vom Inselplot aus gesehenen) Zukunft erwartet, hat freilich gleich hydraartig neue Verrätselungen zur Folge. Wenn zum Beispiel Hurley sich bei Jack dafür entschuldigt, dass er sich damals Locke angeschlossen hat: »I’m sorry I went with Locke, I should have stayed with you.« – Hä? Ach so. Hä?

Die Gruppenteilung ist auf jeden Fall eine Art Wettstreit von Weltbildern und Glaubensbekenntnissen, verkörpert in Jack und Locke. Die entscheidenden Sätze stammen bereits aus Staffel 2, Folge 3:

Locke: »Why do you find it so hard to believe?«
Jack: »Why do you find it so easy?«

Jack will nicht glauben, sondern wissen. Locke will glauben und hat auch Grund dazu, nachdem er nach der Bruchlandung des Oceanic Flight 815 auf der Insel aus dem Rollstuhl aufstehen konnte. Sein Glaube hat bisher auch gravierende Fehlentscheidungen, die ihm entsprungen sind, überlebt: So wurde Locke mehrfach von seinem leiblichen Vater verarscht bis hin zum Mordversuch und hat am Ende der zweiten Staffel voller Überzeugung die Eingabe der Zahlenkombination verhindert, woraufhin der Hatch explodierte.

Wie der Jack/Locke-Wettstreit ausgeht ist auch deshalb spannend, weil beide Seiten irgendwie Sympathieträger sind und weil ja offenbar von beiden Seiten Leute den Sprung von der Insel schaffen.

Nebenbei, die Drehbuchschreiber lieben ja ihr auf einfachen Prinzipien beruhendes Erzählfundament, und dazu gehören auch die Namen der Protagonisten. Mit Sawyer, Rousseau, Bakunin und (John) Locke surft man durch die Literatur- und Philosophiegeschichte und sorgt für einen semantischen Überhang, über den man sich auf jeden Fall lustig machen muss, vor allem wenn es dann auch noch sprechende Namen wie den von Jack (Shephard) gibt, der sicher seiner Herde stets ein guter Hirte ist. Auf Namen und Etymologien werden wir sicher noch zurückkommen, jetzt aber …

… wieder zurück zur ersten Folge, die sehr viel Hurley bietet und damit viele Szenen im Irrenhaus. Dabei wieder eine der ungelösten Fragen, die auf der Fragenliste des TVaddict übrigens fehlte: Was machte eigentlich Libby, Hurleys bald dahingeraffte Inselliebe, in Staffel 2, Folge 18 in seiner alten Anstalt?

Libby, die Figur, wird in der vierten Staffel natürlich nicht wieder zum Leben erweckt, doch zumindest die Schauspielerin hat es ans Set geschafft, um immerhin einige Flashbacks abzudrehen, die vielleicht eine Erklärung statt neuer Fragen liefern.

Jetzt aber wieder Hurley: »I’m one of the Oceanic Six«, schreit er am Anfang der Folge. Neben Jack und Kate (und drei bisher unbekannten Anderen) hat er es runter von der Insel geschafft und ist im Kampf mit seiner Schizophrenie gelandet. Jack besucht ihn und könnte in diesem Moment ein Haltepunkt sein, doch das Treffen verläuft unbefriedigend.

»What are you really doing here, Jack?«, fragt Hurley. »You’re checking to see if I went nuts. If I was gonna tell.« Ähm, tell what? Genau, Stoff für viele Folgen. Jedenfalls will Hurley aus irgendeinem Grund zurück auf die Insel, und noch winkt Jack ab.

Bald wird er aber in seinen eigenen Abgrund stürzen, einen Vorgeschmack darauf bekamen wir im Flashforward der letzen Folge der dritten Staffel: einen bärtigen, verzweifelten, gebrochenen Jack, der nun auch auf die Insel zurück will und verzweifelt zu Kate sagt: »I’m sick of lying. We’ve made a mistake. We have to go back!«

Übrigens, zu Beginn der aktuellen Folge trägt Hurley eine Jeansjacke und darunter ein schwarzes T-Shirt und dazu eine schwarze Schlabberhose. Das Outfit ähnelt farblich dem Anzug von Jack am Ende der Episode, als dieser Hurley im Irrenhaus besucht. Das kann kein Zufall sein, und ich glaube, dass die linken Jackentaschennähte bei beiden genau 23 Stiche haben und dass deren Achsen jederzeit eine Linie zwischen der Cheops-Pyramide und Stonehenge bilden, hehe.


In Herzliya

Tel Aviv, 6. Januar 2008, 14:07 | von Paco

Bei Eitan Mehulal hoch oben in den Ackerstein Towers in Herzliya. Der in Israel obligatorische schöne Meerblick aus dem Konferenzraum. Kurze Verzögerung, wir warten mit den Coffeetable-Books und durchblättern das schöne Ankuck-Buch »פורטרט ישראלי« (»Israelische Porträts«).

Darin auch eine Aufnahme von David Grossman, dem Verfasser des grandiosen Sticker-Songs, vertont von Hadag Nachash. Dann geht es kurz um den Song, dann aber auch gleich wieder um viele andere Dinge.

Um die Mittagszeit gehen wir hinunter ins Joya in der Rehov Shenkar. Irgendwie scheinen da gerade ein paar Kundengespräche zu laufen, das Restaurant ist auch auf den ersten Blick sehr geeignet für Kundengespräche, und wir erinnern uns an eine frühe Episode der US-Version von »The Office«, Folge 2.13: »The Client«. Weil Michael wegen eines Kundengesprächs nicht im Office ist, findet Pam zufällig seinen unfassbaren Drehbuchentwurf für einen Hollywood-Actionfilm mit dem schönen Arbeitstitel »Threat Level: Midnight«. Er wird mit verteilten Rollen gelesen, ein großes Highlight der zweiten Staffel!

Das Essen im, wie gesagt: Joya, sieht so aus, dass ich auf einmal weiß, warum Henryk M. Broder bei seinen Restaurantbesuchen in aller Welt manchmal frisch servierte Tellerladungen fotografiert. Genau, lass uns jetzt auch anfangen, Essen zu fotografieren, sagt Millek, aber uns ist klar, dass wir hinter der Ästhetik von Broders Essensbildern immer zurückstehen müssen. Was wir dagegen gut können, sind völlig indiskutable, anti-touristische, verwischte und prinzipiell motivlose Handybilder von Kaffeehäusern, hehe.

Wir gehen noch ein paar Alex-Rühle-Artikel durch, außerdem ein paar Zeitungstexte zum Urteil in Sachen »Esra«, und halten vor allem die von Heribert Prantl (SZ, 13. 10.) und Remigius Bunia (FAZ, 13. 10.) gegeneinander.

Während der Rückfahrt nach Tel Baruch Zafon kommt ein Anruf aus dem Institut. Milleks Postkasten ist über und über mit Zeitungen gefüllt, ob sie die entsorgen sollen. Millek fragt zurück, ob da jemand wahnsinnig geworden sei, Zeitungen bitte im Office zwischen­speichern, wie eigentlich abgesprochen. Usw.