Mehr Buchstaben! Bessere Buchstaben! Ein Interview mit Bernhard Heckler
Frankfurt/M., München, 11. September 2025, 20:00 | von Charlemagne
Der Umblätterer: Nachdem es beim letzten Gespräch schon so gut funktioniert hat, auch hier erst einmal ganz locker rein ins Gespräch: lieber Bernhard, wie geht’s Dir und wo erreicht dich unser Fragenkatalog?
Bernhard Heckler: Danke, alles bestens. Mein zweiter Roman erscheint gerade, während ich das hier beantworte, das ist ja nicht ganz schlecht. Ich sitze während eines Urlaubstags zuhause am Schreibtisch und bearbeite diesen Fragenkatalog, und das gerne. In Sachen Urlaub auch machen bin ich eher ein Lowperformer.
Der Umblätterer: Moritz von Uslar (Grüße!) hat mir neulich meine Frage, warum das Feuilleton so langweilig sei, völlig zu Recht um die Ohren gehauen. Deine Lobeshymne auf die neuen Kurzgeschichten von Heinz Strunk und vor allem deine zwei Texte zu Ferdinand von Schirach beweisen, wie recht er damit hatte. Größtes Glück: mit den eigenen Texten den Zeitgeist treffen und zum Schwingen bringen?
Bernhard Heckler: Freut mich, dass die Texte gefallen. Wenn ich mich um eine Sache aufrichtig bemühe beim Schreiben, dann darum, nicht zu langweilen. Den Zeitgeist treffen und zum Schwingen bringen: Das klingt allerdings nach dem größtmöglichen publizistischen Glücksfall, mir tun solche warmen Worte gut, ich stehe nämlich oft im Rumpf der Galeere meines Selbstanspruchs mit der Peitsche hinter mir und befehle mir im Takt der Hiebe: Mehr Buchstaben! Bessere Buchstaben! Also: Danke für die Milde mit mir.
Der Umblätterer: Noch mal einen kleinen Schritt zurück. Du bist Jahrgang 1991 – welche Rolle hatte das Feuilleton, hatte Zeitgenossenschaft, als du aufgewachsen bist, und welche hat es heute?
Bernhard Heckler: Ich weiß nicht genau, wie man aktive Zeitgenossenschaft betreibt: Ich versuche, einigermaßen gut durchzukommen, seit 1991. Seit ich im Feuilleton arbeite (meine Stelle ist gleichermaßen Zufallsprodukt und ein großer Glücksfall, ich würde sagen, die Festanstellung im SZ-Feuilleton hat mein Leben über Nacht um 150 Prozent verbessert), kriege ich bestimmte Kulturbereiche und das Reden über sie bewusster mit, ohne dass sich für mich dadurch groß was ändern würde. Ich konsumiere gleich gern und gleich leidenschaftlich Filme und Bücher, wie ich das mit 15 getan habe, nur dass ich jetzt meine fünf Cent dazugebe, und dabei versuche, eine gewisse Verantwortung für das Besprochene zu übernehmen, seit ich mitbekommen habe, dass die besagten fünf Cent tatsächlich mitunter wahrgenommen, sogar gelesen werden. Für mich ein erstaunlicher Umstand. Ach so: Das Feuilleton lese ich erst seit ungefähr zehn Jahren, davor habe ich drei Viertel der Texte nicht verstanden, wenn ich es mal versucht habe, und bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass das an meinem eigenen Unvermögen liegt. Dass die Texte vielleicht manchmal einfach scheiße waren, auf die Idee bin ich nie gekommen.
Der Umblätterer: Heutzutage kann man sich vor Meinungen nicht mehr retten, die sogenannte Meinungshoheit (des Kritikers, der Zeitungen, der etablierten Formate, etc. pp.) ist nicht mehr. Wie geht es Dir als Autor und Literaturkritiker damit?
Bernhard Heckler: Sehr gut. Ich finde den Bedeutungsverlust der Feuilletons und die Auffächerung der Rezeption null bedrohlich und demokratisch einwandfrei. Ferdinand von Schirach würde sagen: Die Wahrheit ist eben auch nur noch eine Meinung unter vielen. Ich persönlich finde es mitunter einigermaßen anstrengend, zu allem immer eine Meinung haben zu müssen, aber das bringt der Beruf halt mit sich.
Der Umblätterer: Gleichzeitig sind die Grenzen offener, die Gatekeeper schwächer, die Möglichkeiten fast unendlich. Du schreibst übers Vapen, begleitest Jan Böhmermann auf dem E-Roller und setzt dich kritisch mit der neuen Vereinshymne der Bayern (Grüße aus Frankfurt, Pokalsieger 2018!) auseinander. Wie kommst Du auf diese Themen und wie schwer ist es, sie unterzubringen?
Bernhard Heckler: Die Themen entstehen meistens aus unserer täglichen Ressortkonferenz, manche bringe ich ein, manche werden mir zugetragen, und ich versuche dann, das Beste daraus zu machen. Das Unterbringen ist glücklicherweise nicht sehr schwer, weil die Tageszeitung mit mal drei, mal vier, mal sechs Seiten Feuilleton ja jeden Tag gefüllt werden muss, und in meinem Ressort herrscht eine große Offenheit, quasi alles feuilletonistisch zu behandeln, solange der Text gut genug ist. Das ist an den meisten Tagen ein ehrlich beglückendes Arbeitsumfeld.
Der Umblätterer: Und jetzt, lieber Bernhard, wie geht’s weiter, what’s next?
Bernhard Heckler: Als nächstes versuche ich, meinen Roman mit dem Titel DIE BESTE IDEE DER WELT (elevator pitch: Eine Gruppe von Außenseitern versucht, eine Wrestling-Show aufs Münchner Oktoberfest zu bringen) einigermaßen gut unter die Leute zu bringen, und im Idealfall endlich Millionär zu werden. Ansonsten versuche ich es dann mit dem dritten Buch wieder. Und dann mit dem vierten, und so weiter. Und ich schreibe natürlich auch weiterhin mindestens vier Texte pro Woche für das SZ-Feuilleton: keep the engine running!
Der Umblätterer: Herzlichen Dank!
Bernhard Heckler: Herzlichen Dank auch von mir, für die aufmerksamen Fragen.