Archiv des Themenkreises ›Palmas Paratexte‹


Knigge und die Filmpiraterie

Konstanz, 1. November 2008, 17:41 | von Marcuccio

Manche meinen ja, das »Baader-Meinhof-Ärgernis«

»fängt schon mit dem Vorspann an. Dort wird man als zahlender Kunde erstmal wieder eingeschüchtert und mit Gefängnis bedroht, weil man ja theoretisch diesen Superdupi Film abfilmen und im Internet anbieten könnte. (…) Das ist genauso frech wie diese nicht vorspulbaren Spots auf Kauf-DVDs, in denen mehrere Jahre Knast angedroht werden, wenn man diese DVD jemals auch nur im Ansatz kopieren sollte. Als zahlender Kunde muss ich mich erstmal einschüchtern lassen?«

Nein, und deswegen kann man schon mal festhalten: Diese Angriffsrhetorik gehört zu den nervigsten neueren Film-Paratexten überhaupt.

Ginge der Pirateriehinweis nicht auch anders? Höflicher, stilvoller, umgänglicher? Vielleicht so wie gestern, im Kino.

Noch läuft die Eiswerbung. Dann geht das Licht wieder an, damit auch alle im Hellen auf den Eisverkäufer warten können. Jede Minute Verspätung ein Eis weniger, sage ich immer.

Neben mir kramt Palma ihre neueste Errungenschaft raus. Adolph Freiherr von Knigge: »Über den Umgang mit Menschen«.

»Eure Cover-Version unseres Libro del Cortegiano. Aus einem italienischen Epochenwerk für den Adel wurde eine deutsche Stilfibel für das Bürgertum.«

(Woher kennt sie eigentlich das Wort Stilfibel? Egal.)

Ich halte dagegen, dass zwischen Castiglione und Knigge immerhin 260 Jahre und eine Aufklärung liegen. Trotzdem: irgendwie ein Missverständnis, dass Knigge zum Knigge für Tischregeln und Kleiderkonventionen verkam … Übrigens sagt Palma tatsächlich »Njiddsche«. Wie eine Mischung aus »Gnocchi« und »Dittsche«.

Der Eisverkäufer ist im Saal (endlich!). Während tatsächlich noch was gekauft wird, flüstert mir Palma den Knigge ein. Über den Umgang mit Frauen. Über den Umgang mit Juden. Mit Geistlichen. Mit Gelehrten, Künstlern und Kaufleuten. Mit Fürsten, Vornehmen und Reichen. Mit Bauern, mit Tieren, mit »sich selbst« … und – das scheint gerade jetzt, wo das Licht runterdimmt und der Film endlich losgeht, angebracht: Über den Umgang mit Raubkopierern:

»Einige meiner Schriften sind in Wien und Leipzig nachgedruckt worden; sollte einer von der berüchtigten Zunft etwa auch auf dies Büchelchen eine korsarische Unternehmung von der Art wagen wollen, so dient demselben die Nachricht, daß alle Vorkehrungen getroffen sind, den Schaden eines solchen Diebstahls auf den Räuber fallen zu machen.«

Der Witz ist, dass Adolph Freiherr von Knigge das vor 220 Jahren schrieb (»Hannover, im Jänner 1788«). Am besten wir Kinogänger machen jetzt auch eine korsarische Unternehmung und projizieren den Satz mit unserem Handy-Beamer so lange an die Kinoleinwand, bis die Branche spannendere Urheberrechtshinweise textet.


Paratext-Posse:
Ein Vorspann vor Gericht

Konstanz, 8. Mai 2008, 06:12 | von Marcuccio

Palma hatte in letzter Zeit eine besondere Mission: Sie war Beobachterin in einem Prozess, der außerhalb der Schweiz nicht halb so hohe Wellen geschlagen hat wie in den eidgenössischen Medien. Dabei hat die Sache, davon ist Palma überzeugt, »Brisanz und Relevanz für den ganzen Journalismus«.

Und darum ging’s: Ein »Weltwoche«-Journalist hatte sich wegen angeblich rassistischer Wortwahl vor Gericht zu verantworten. Das Kuriose: Dieser Journalist war für Teile seines Artikels angeklagt, die er nachweislich gar nicht geschrieben hatte.

Freie Journalisten kennen das Problem

Da liefern sie ihre sorgfältig erarbeiteten Reintexte ins Text-OP namens Redaktion ein und müssen wie unsere Testimonials Malte Welding oder Jürgen Dollase immer wieder feststellen, dass bestimmte Amputationen oder hässliche Operationsnarben einfach dazugehören: Hier ein wichtiger Satz, Halbsatz, Begriff rausredigiert, da Textsinn verändert, schlimmstenfalls entstellt! Wie viele Artikel auf diese Weise schon zum Krüppel gemacht wurden, hat die Journalistik bislang nicht eruiert, vielleicht sie sollte es mal tun.

Doch längst nicht nur wo durch die Redaktion gekürzt wird, sondern auch im umgekehrten Fall, also da, wo durch die so genannten Paratexte etwas zum Reintext hinzukommt, lauern Gefahren für das journalistische Gelingen. Es handelt sich zumeist um die Teile von Texten, an denen verschiedene Verfasser beteiligt sind und in der Hauptsache nicht unbedingt der Autor des Artikels selbst: Überschriften, Artikelvorspänne, Teaser, Zwischenüberschriften, herausgestellte Zitate, sonstige separate Hinweise usw.

Da kann es kleinere befremdliche Brüche geben, auf die der Umblätterer gelegentlich hinweist, aber eben auch presserechtlich richtig relevante Risiken und Nebenwirkungen. Von dem Fall, in dem solche Paratexte einen Journalisten bis vor den Kadi gebracht haben, berichtet nun Palma aus der Schweiz.

»Jäger, Räuber, Rätoromane. Die frechste Minderheit der Schweiz«

So hatte die »Weltwoche« auf ihrem Cover der Ausgabe 37/2006 getitelt, und im Heft gab es dann einen für Schweizer Konsens­verhältnisse ziemlich provokanten Artikel von Urs Paul Engeler, in dem der Autor zu dem Schluss kam: Rätoromanisch, offiziell immer noch die vierte Landessprache der Schweiz, sei bei nur mehr 34.000 verblie­benen Sprechern nichts anderes als hochsubventionierte staatliche Folklore.

Das war für die inneralpinen Restposten des Vulgärlateins sicher nicht nett, politisch ebenso wenig bequem, aber alles andere als rassistisch. Doch der Stein des Anstoßes lag anscheinend auch weniger im eigentlichen Artikel als in seinem Vorspann:

»Anachronistisch, kryptisch, erpresserisch, exotisch, fanatisch, neurotisch, räuberisch: Diese Worte fallen einem ein zu Rätoromanisch. Erfinderisch auch. Das sind die paar Schweizer, die diese Sprache sprechen, wenn es um Subventionen geht: um gigantische Subventionen.«

Vorspann mit Nachspiel

Für Palma ist der Lead »offenkundig satirisch«, und überhaupt: die terroni in ihrer Heimat müssten die gleichen Attribute über sich quasi nonstop in »La Padania« lesen … Grinsende Zustimmung meinerseits. Umgekehrt kann man sich natürlich schon fragen, wie hierzulande die Sorben darauf reagiert hätten, wenn sie in einem Leitmedium entsprechend angefeatured worden wären.

Ein rätoromanischer Verein jedenfalls sah darin lauter diskriminierende Attribute und reichte Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Die wurde abgelehnt, der Verein erstattete sodann Strafanzeige und hatte das Glück, auf einen Staatsanwalt zu treffen, der es mal grundsätzlich wissen wollte.

Angeklagt wegen mutmaßlichem Rassismus gegen die Rätoromanen wurde: Urs Paul Engeler. Der aber konnte, wie Palma aus dem »Tages-Anzeiger« vorliest, beim ersten Prozesstermin 2007 geltend machen, diesen Lead gar nicht verfasst zu haben:

»(…), die Produktionsabteilung der ›Weltwoche‹ habe die umstrittenen Passagen verfasst, und nicht er selber. Sein eigener Vorspann habe anders gelautet. Er wäre aber bereit, ›für das Gesamtkunstwerk‹ die Verantwortung zu übernehmen.

Dies gehe nicht, befand damals der zuständige Staatsanwalt. Es müssten die tatsächlichen Autoren zur Verantwortung gezogen werden.«

Dann war Engeler also plötzlich der falsche Angeklagte, versuche ich zu verstehen. Ja, und es war ziemlich peinlich für das Gericht, das erst während der Verhandlung festzustellen, meint Palma. Überhaupt: Wie wenig Ahnung vom Redaktionsalltag müsse man haben, um daraufhin die Verhandlung zu vertagen mit der Forderung, jetzt sollten »die tatsächlich Verantwortlichen für die inkriminierten Passagen« belangt werden?! Als ob jemand ein Register darüber führt, wer welchen Artikelvorspann und wer welche Bildlegende getextet hat!

Kennt die Schweiz kein »V.i.S.d.P.«?

Wieso stand eigentlich überhaupt Engeler und nicht die »Weltwoche« vor Gericht, will ich jetzt dann doch mal von meiner persönlichen Prozessbeobachterin wissen.

Na ja, so Palma: Das konnte die Hauptverhandlung nicht klären. Immer­hin wurde Engeler am 18. April freigesprochen. Ob der Artikelvorspann nun polemisch-provokant, rassistisch, diskriminierend oder was auch immer war, wurde erst gar nicht weiter verhandelt.

Jetzt prüfen die Untersuchungsbehörden wohl noch, ob und wie es weitergeht. Aber es ist doch schon verrückt: Da ist der Verfasser eines Artikels ist für Teile seines Artikels freigesprochen worden, die er gar nicht verfasst hat. Und die »Weltwoche« entzog sich ihrer Verant­wortung in der juristischen Paratext-Posse bislang anscheinend ganz.


Das Autorenfoto-Pingpong

Konstanz, 21. November 2007, 21:02 | von Marcuccio

Es ist Palmas Artikel des Jahres: ein Beitrag, der das Autorenfotojahr 2007 ihrer Meinung nach überhaupt erst einläutete, ein Gespräch aus der guten, alten »Zeit« (Nr. 4/2007), das im Neujahrskater des noch frischen Feuilletonjahres 2007 leicht übersehen worden sein könnte.

Da trafen sich mit Ursula März und Claudia Schmölders (»Hitlers Gesicht«) zwei ausgewiesene Feuilletonfrauen, breiteten stapelweise Verlagskataloge vor sich aus und unterhielten sich einfach mal über Autorenfotos, zum Beispiel über Peter Handke (hier Suhrkamp-PDF öffnen und auf S. 3 das Foto checken):

»Er ist im Profil zu sehen, ganz wichtig. Das ist schon georgemäßig.«

»Aber es gibt doch Dutzende Schriftsteller, die im Profil fotografiert wurden.«

»Ja, aber George wollte aussehen wie Dante. Die frühe Ikonografie von Fürsten war eine Profilikonografie […].«

Fast schon ein Autorenfoto-Pingpong, wie das auf Augenhöhe hin und her ging. Der Witz der ganzen Sache war, dass die Damen März und Schmölders in Wahrheit eine Art »Was bin ich?« mit Autorenfotos spielten:

»Auf welchem Bahnhof kommen wir denn mit diesem Foto an?« 

»Außerordentlich attraktiv, jung, leicht geöffneter Mund, mit Rückenlicht fotografiert, so dass die langen Haare besser zur Geltung kommt [sic!]. Undefinierbar zwischen Film und public life. […] Auf alle Fälle […] ein absoluter Ausweis des visuellen Zeitalters. Die Botschaft dieses Fotos lautet: Komm in meine Lesung. Lern mich leibhaftig kennen. Und das ist für die Literatur schon ein problematischer Aspekt. […] Die Botschaft des Bildes ist rein biologisch und kosmetisch. Das hat mit Text gar nichts zu tun.«

»… aber eben ganz viel mit Paratext«, flötet mir Palma, fast schon erregt, ins Ohr. Indes sinniere ich noch, wo & wann ich Marisha Pessl eigentlich zum ersten Mal ›begegnet‹ bin. Ich glaube, es war irgendwann im Frühling in der FAS: der wunderbare (wieder mal ein wunderbarer) Artikel von Johanna Adorján, der einerseits total auf Homestory machte und andererseits vermittelte, dass die literarische und visuelle Makellosigkeit dieser jungen Autorin der Gattung »American Streber« (Georg Diez) irgendwo auch ein Gefängnis sein muss.

Doch zurück zum »Zeit«-Gespräch, das eigentlich ein Wahnsinn war: Zum ersten Mal im deutschen Feuilleton (sagt Palma) wurde ein literarischer Bücherfrühling ausschließlich anhand der Optik seiner Autorinnen und Autoren besprochen. 

Und Palma hat Recht:

Ein solches Unterfangen, angesiedelt irgendwo zwischen Lavater und »Bunte«-Stylecheck, gehört hier schon allein deshalb nominiert, weil es ganz unmerklich eine Schallmauer durchbrach. Wo die Kritik heutzutage Debütantinnen fast schon prophylaktisch auf Fräuleinwunder-Fakes testet und auch so manches Debüt der männlichen Kollegen als Mogelpackung entlarvt, war ein klärendes Gespräch halt einfach mal überfällig. Hier wurde, als Plauderthema getarnt, ein Phänomen besprochen, ein latentes Dauerthema der letzten und nächsten Jahre, für das man noch gar keinen richtigen Namen hat.

Jedenfalls ist sich Palma ziemlich sicher: Für irgendjemanden da draußen war es bestimmt auch eine echte Steilvorlage, aus der früher oder später endlich das noch immer nicht geschriebene Standardwerk über das Autorenfoto enstehen kann. Palma wörtlich: »Mehr Zuspiel kann und mag man vom Feuilleton doch gar nicht erwarten.«


Das Jahr des Autorenfotos 2007

Konstanz, 20. November 2007, 18:58 | von Marcuccio

… geht mit Riesenschritten zu Ende und Palma meinte, wir müssen hier doch noch mal sagen, warum 2007 überhaupt ein Jahr des Autorenfotos ist:

Doch etwa nicht, weil Isolde Ohlbaum am 24. Oktober 60 wurde? Wir erinnern uns: Das ist die diensthabende deutsche Autorenporträt-Fotografin, die man allein schon deshalb kennen muss, weil ihre Arbeit für den deutschen Literaturbetrieb wohl niemals wieder so gewürdigt werden kann wie durch unseren Autorenfoto-Alleskönner Christian Kracht:

»Ich stelle meinem Verlag grundsätzlich nur Urlaubsfotos zur Verfügung. da sieht man gut aus, ist schlank, braun gebrannt. Und das kann Isolde Ohlbaum nicht leisten, wenn sie Schriftsteller mit Füllfederhalter im Mund vor dem Bücherregal fotografiert.«

Wir lasen es seinerzeit in der »Zeit« und rahmten es sofort fürs Umblätterer-All-Time-Archiv.

Ansonsten war 2007 vor allem deshalb ein Jahr des Autorenfotos, weil sich das Feuilleton seit langem überhaupt mal wieder auf ein Sujet besann, das für Palma »immer noch viel zu wenig auf der Tagesordnung der Kritik« ist. Es war die wunderbare »Suada« in der Buchmessen-FAS (S. 43), die daran erinnerte, dass

»[…] Schriftsteller Bücher schreiben und nicht als Fotomodell arbeiten; und es ist, mit der Rezeptionstheorie gesprochen, leider das Problem im Auge des Betrachters, dass immer mehr Verlage das andersrum sehen: kleines Buch, großer Kopf. Alleine die Programmhinweise aus dem geschätzten Hanser-Verlag sehen inzwischen erschreckender aus als Lavaters physiognomische Verbrechersammlung

Und weil es Volker Weidermann, dem mutmaßlichen Verfasser dieser Suada, ernst war, legte er etwas weiter hinten (S. 56) gleich noch »ein paar Worte zu den Autoren« bzw. den »Autorengesichtern« nach:

»Immer mehr Verlage werben mit immer größeren Fotos von Schriftstellern, die aussehen, als hätten sie keine Ahnung gehabt, dass an diesem Tag der Fotograf vorbeischauen würde. Erstaunte Gesichter mit abstehenden Haaren. Hände, die eben noch nach Kinn tasten, – ist es noch da? –, wie schön, dann kann ich mich ja daran festhalten. Das ist nicht gut.«

Bestimmt nicht, denn das wäre ja wieder ganz der Füllfederhalter vor dem Bücherregal (s. o.). Deshalb schnell weiter mit Weidermann:

»Für manche Bücher, die meisten, ehrlich gesagt, wäre es besser, man wüsste nicht, wie die Autoren aussehen. Für Autorinnen gilt das natürlich im gleichen Maße.«

Namen nannte Weidermann hier wohlweislich keine. Palma, klar, wüsste jetzt natürlich ganz viele. Erst mal aber findet sie: »Diese Suada, das war die astreine Paratext-Kritik

Und die sei bei dem ganzen Pimp-my-Book-Bohei der Autorenfotos dringlicher denn je. Deswegen will Palma ja auch unbedingt noch ihr »Autorenfoto-Pingpong« in mein Consortium einschleusen. Sie sagt übrigens wirklich immer »dein« Feuilleton-Consortium. Autorenfoto-Pingpong? Ich bin ja mal gespannt.


»Bin ich schön, schreib ich schön«

Konstanz, 6. September 2007, 00:08 | von Marcuccio

»Also kann der KulturSPIEGEL vom August ins Altpapier?«, frage ich Palma, seit Ferragosto und noch 2 Wochen in Apulien, am Telefon.

»Per carità, meinen schönen Franzosen bitte nicht!«

Richtig, ihr schöner Franzose. Nicolas Fargues auf S. 32, von dem sie meint, er müsse ins Archiv. Immerhin habe er die KulturSPIEGEL-Redakteurin zu der Frage veranlasst, »ob auch männliche Autoren zu schön sein können, um sie als Schriftsteller ernst zu nehmen«.

Und laut Palma ist diese Frage so zum ersten Mal im deutschen Feuilleton gestellt worden – wo sie doch traditionell den Autorinnen vorbehalten war, namentlich denen, die vor einigen Jahren unter dem Label »Fräuleinwunder« für Furore sorgten. Zum Beispiel Tanja Dückers, die das Kundenjournal ihres Aufbau-Verlags noch 2001 im sexy Minirock bestückte.

»Hast du …?«, setzt Palma an, die noch nie gut auf Tanja Dückers zu sprechen war (dies aber niemals offen zugeben würde). »Ja«, sage ich, »ich habe den Artikel aus der Berliner Zeitung vom Juni endlich gelesen.« Die Besprechung von Dückers‘ Essayband Morgen nach Utopia mit diesem Hammersatz:

»Vielleicht hätte die Schriftstellerin einfach noch ein paar Fotos mehr von sich ins Buch nehmen sollen und dafür auf den Nachdruck einiger Artikel verzichten sollen […].«

»Ganz schön fies«, sage ich zu Palma.

»Was heißt hier fies? Endlich mal einer, der auf das Gesamtprodukt Tanja Dückers eingeht, ohne Werk und Beiwerk zu vermengen.« Palma klingt, wie immer in solchen Momenten, latent zickig.

»Ja, aber hat nicht gerade Dückers dieses ›Bin ich schön, schreib ich schön‹ in Umlauf gebracht«, werfe ich ein. »Eben diese Gleichung, die es als Beyond.Book-Strategie bis in die Ratgeberliteratur für Autoren geschafft hat?«

»A punto«, sagt Palma. »Und genau das ist das Thema.«

»Welches Thema?«

»Na DAS Thema im Watch-your-Feuilleton-Zeitalter: Wie sieht der denn eigentlich aus? Und der erst! Aber auch die (wow!) und überhaupt: Wie sehen die alle aus? Und hätte sich ein »Spiegel«-Kulturchef ante Matusseks Kulturtipp die Frage gestellt, ob er ein Sex-Symbol ist?«

»Nein, aber das Video, musst du zugeben, Palma, ist funny …«

»Si, è simpatico: Der Schweizer Blog-Irrwisch zu Besuch bei Matussek im Büro. Und zwischendrin die Sekretärin mit dem Rolling Stone.«


Pimp My Parsifal

Konstanz, 14. August 2007, 00:41 | von Marcuccio

Palma findet, dass Endrik Wottrich – so für einen Operntenor – erstaunlich getunte Oberarme aufweise. »Bodybuilding für Bayreuth hat der doch gar nicht mehr nötig«, sagt sie und spielt wohl darauf an, dass Wottrich mit Katharina Wagner, der mutmaßlichen Festspiel-Erbin, zusammen ist: »Da muss er doch nicht noch den Arnie unter den Tenören markieren.«

Ich kann das mit dem Arnie noch gar nicht so ganz nachvollziehen: Wottrich hat auf dem Foto zum aktuellen FAS-Interview ein schwarzes Hemd an – und auf das wirft Palma gerade jetzt ihren Schatten. Naja. Sowieso schweift mein Blick schon die ganze Zeit eine Seite weiter, ins Bad von Brangelina. Ein perfektes Paparazzi-Fake.

Palma hat mein Abdriften natürlich längst bemerkt. »Nun gib mal her«, drängt sie ungeduldig, entreißt mir die FAS und stimmt schon wieder ihren Wottrich an:

»Heute ist weniger die Stimme gefragt als das so genannte ›Gesamtpaket‹, und mit der ersten Falte ist die Karriere zu Ende.«

Das sei doch mal ein wahrer Satz, sagt Palma und redet plötzlich von den so genannten Paratexten und davon, dass der Kulturbetrieb seine Artefakte »nicht anders aufmotzt« als Wottrich seine Oberarme.

– »Ach Palma«, sage ich jetzt mal dazwischen. »Nun lass ihm doch sein Fitness-Studio, wenn er Spaß dran hat. Ist doch sein Ding.«

– »Ist per niente sein Ding«, ereifert sich Palma, jetzt ganz aufgeregt: »Schau ihn dir doch an! Und schau dir genauso Lang Langs Turnschuhe oder das fältchenlose Anna-Netrebko-Gesicht an, das sich ›Mimik schon aus kosmetischen Erwägungen nicht leisten kann‹. Du kannst Anhänger oder Gegner all dieser Äußerlichkeiten sein – doch du kannst 2007 nicht mehr sagen, dass diese werkbegleitenden Dinge bedeutungslos seien. Denn genau sie formen die mediale und damit unsere Wahrnehmung«, schließt Palma.

Und noch bevor ich etwas sagen kann, hält sie mir wie zum Beweis den Schluss von Wottrichs Interview unter die Nase. Da wird er wahrhaftig gefragt, wie es denn um seine Produkterweiterung in eigener Sache stehe (»Sind Sie deshalb passionierter Bodybuilder?«).

Seine lapidare Antwort (»Das hilft ja auch nicht.«) gefällt sogar Palma: »Bei so einem Paket hilft wirklich nichts mehr«, meint sie und lacht. Apropos: Ich solle sie vor ihrer Abreise nach Apulien unbedingt noch daran erinnern, dass sie mir diesen Artikel zu Tanja Dückers rauslegt.