Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 15):
»Lügner von Beruf« (1987)

New Haven, 15. Dezember 2013, 08:20 | von Srifo

(= 100-Seiten-Bücher – Teil 94)

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(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)

Keine der zwei Bibliotheken der Ostküste, die es in irgendeinem Außenmagazin haben, verlieh »Lügner von Beruf« und erst nach langem Warten kam dann ein tadelloses Exemplar aus der Regenstein Library in Chicago. Gerade um dieses Buch hatten sie sich hier nicht gerissen. Dass es einen zu dem Mann aus Robbe-Grillets »Jalousie« macht, der stets halb mit den Lamellen vor dem Fenster, halb mit dem Geschehen draußen konfrontiert wird, das wäre dem Pursuit of Happiness nicht zuträglich gewesen.

Im »Lügner von Beruf« gibt es Lamellen von langen Faulknerpassagen, verschränkt mit Raddatz’ eigenen Erlebnissen »auf den Spuren William Faulkners«. Und es ist ganz unklar, worauf man jetzt jaloux sein soll, ob auf die Faulknertexte, die man gern ganz gelesen hätte, oder auf die Raddatz-Reise, bei der man gern schon von Seite 7 an – »Der Mississippi beginnt am Pont-Neuf« – dabeigewesen wäre.

Es ist jedenfalls 1987, Baudrillard hat grade »Amérique« rausgebracht, Keanu Reeves steht kurz vor seinem breakthrough mit »Bill & Ted’s Excellent Adventure« (»History is about to be rewritten by two guys who can’t spell«) und so gonzojournalismiert Raddatz durch die Südstaaten. Vom Jardin du Luxembourg ist es nach New Orleans gegangen, weiter nach Oxford, MS, wo Faulkner liegt, davor gab es noch einen nördlichen Abstecher rüber nach Tennessee zu Presleys Graceland: »Hier wackeln gleichsam die Accessoires noch mit den Hüften, die rosa Rüschenhemden und samtenen Hös’chen und die goldene Badezimmerwaage mit Pelzbezug (viel zu klein für einen fetten Nascher).« (S. 116) Elvis ist nur dick, nicht verdrogt, die Postmoderne genießt ihr fear and loathing, vor Faulkners Grabstein angekommen nennt FJR den Nobelpreisträger einen »Hurenbock« (S. 120), was schon damals sicher so affirmativ gemeint war wie vor ein paar Tagen sein Meinungsbeitrag in der »Welt« (»Honey, are you going to the Puff tonight?«).

Länge des Buches: ca. 113.000 Zeichen. – Ausgaben:

Fritz J. Raddatz: Lügner von Beruf. Auf den Spuren William Faulkners. Mit Zeichnungen von Hans-Georg Rauch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1987. S. 3–122 (= 120 Textseiten).

Fritz J. Raddatz: Lügner von Beruf. Auf den Spuren William Faulkners. In: Unterwegs. Literarische Reiseessays. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1991. S. 76–128 (= 53 Textseiten).

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

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