Listen-Archäologie (Teil 3):
Leonardo: »Ach so, ja, ich kann auch malen«

Hamburg, 8. Mai 2010, 13:20 | von Dique

Leonardo, Study of Horse Ungefähr 1483 schickt Leonardo da Vinci ein Bewerbungsschreiben an Ludovico Sforza. Es besteht aus einer Liste mit vor allem Waffen und Kriegsgerät, die er für den Mailänder Herrscher zum Einsatz bringen will. Diese Liste ist natürlich relativ bekannt und auch recht lang, und der Clou ist dann erst ziemlich am Ende versteckt (Punkt 10.): Dort erwähnt Leonardo, dass er übrigens, falls es Sie, lieber Herzog, interessieren sollte, auch als bildender Künstler exzellent sei.

Ganz zum Schluss erwähnt er dann noch das berühmte Reiterstandbild von Ludovicos Vater, Francesco Sforza, für dessen geplante Umsetzung er sich anbietet. Über zehn Jahre arbeitet er sporadisch an dem Riesenpferd, kreiert das Tonmodell, bekommt aber nie genug Bronze zusammen, damit es auch gegossen werden kann, und 1499 zerstören dann die Franzosen das Modell.

Hier nun der Brief samt Liste in seiner Gänze. Ich las ihn in der schönen Leonardo-Bio von Charles Nicholl, »Flights of the Mind«, zitiere das Anschreiben aber mal lieber nach der Leonardo-Monografie von Hugo Graf von Gallenberg (Leipzig 1834):

Da ich mich nun, gnädigster Herr, hinlänglich überzeugt habe, daß die Proben aller derjenigen, welche sich Meister in der Erzeugung der Kriegsinstrumente nennen, so beschaffen sind, daß sie jene zum alltäglichen Gebrauche bestimmten an Nutzen und Neuheit nicht übertreffen, so werde ich mich gegenwärtig befleißen, ohne einem andern schaden zu wollen, Euerer Herrlichkeit meine Geheimnisse zu eröffnen und die Ausführung dann, wenn es Ihnen beliebt, übernehmen; denn ich darf die sichere Hoffnung hegen, daß alle jene Dinge, welche der kurze Gegenstand meines Schreibens sind, ihren gewünschten Erfolg haben werden.

1. Ich weiß Brücken zu bauen, die sehr leicht von einem Orte zum andern befördert werden können, mit denen man öfters den Feind verfolgen und in die Flucht schlagen kann; dann sehr sichere, die nicht angegriffen werden können, Feuer sprühen und zum Kriege tauglich sind. Dann solche, welche geschwind aufgeschlagen und abgetragen werden können. Dann habe ich auch endlich die Art und Weise ersonnen, jene der Feinde zu zerstören und in Brand zu stecken.

2. Ich habe die Art und Weise erdacht, wie man bei der Belagerung eines Ortes die Laufgräben des Wassers berauben, Brücken mit Leitern versehen und andere zu einer solchen Unternehmung nützliche Instrumente verfertigen könne.

3. Könnte man etwa bei der Belagerung eines Ortes der Höhe der Mauern oder der Festigkeit des Ortes wegen die Kanonen nicht anwenden; so habe ich die Art und Weise aufgefunden, wie man einen Thurm oder eine Festung, wenn sie nicht auf dem Felsen gebaut sind, der Erde gleich mache.

4. Ich weiß auch eine Art von Kanonen zu verfertigen, welche sehr leicht und bequem getragen werden können, mit diesen brennende Stoffe zu schleudern, mit ihrem Rauche dem Feinde große Furcht einzujagen, großen Schaden beizufügen und seine Verwirrung herbeizuführen.

5. Nebstdem ersann ich die Art und Weise, wie durch Ausgrabungen, durch enge, krumme und ohne allem Geräusch gemachte Wege, zu einem bestimmten Orte zu gelangen sei, zu dem man anders nicht kommen könnte, als indem man unter den Wällen und manchem Flusse gehen müßte.

6. Ferner kann ich sichere, bedeckte, defensive, offensive Karren bilden. Dieselben können in die mit Geschütz versehene Schlachtordnung des Feindes geführt werden und es wird keine so geschlossenen Reihen geben, die sie nicht durchdringen könnten. Diesen kann dann das Fußvolk, ohne allen Schaden zu erleiden und Widerstand zu erfahren, nachfolgen.

7. Wenn es die Noth verlangt, kann ich ferner Kanonen, Mörser, Haubitzen von äußerst schöner Form gießen, welche ganz anders als jene sind, die gegenwärtig gebraucht werden.

8. Ich werde, wo die Kanonen etwa nicht angewandt werden könnten, andere Instrumente von besonderer Wirksamkeit und ungewöhnlichem Gebrauche ersinnen und endlich werde ich nach Verschiedenheit der Fälle mannichfache und unzählbare Waffen zum Angriffe bilden.

9. Führte vielleicht der Zufall eine Seeschlacht herbei, so halte ich eine Menge von Waffen bereit, welche nicht nur zum Angriffe, sondern auch zur Vertheidigung beitragen, dann Schiffe, welche dem Feuer des gröbsten Geschützes Widerstand leisten und endlich sowohl Pulver als Rauchwerk.

10. In Friedenszeiten glaube ich im Vergleiche mit jedem andern durch Architectur, durch Erbauung öffentlicher und privater Gebäude, und durch Leitung des Wassers von einem Orte zum andern, einem jedem Genüge zu leisten. Ich verfertige Bildhauerarbeiten aus Marmor, Bronze und Thon; auf ähnliche Weise vollende ich alles, was nur in der Malerei geleistet werden könnte, in Vergleich mit jedem, und sei es wer er will. Auch kann ich an die Arbeit des bronzenen Pferdes schreiten, das den unsterblichen Ruhm und die ewige Ehre Ihres glorreichen Vaters, seligen Andenkens, und des durchlauchtigsten Hauses Sforza begründen wird.

Wenn einige der obgenannten Gegenstände Jemandem etwa unmöglich oder unausführbar scheinen dürften, so findet man mich äußerst bereit, die Beweise davon in Ihrem Parke, oder an einem Orte, den die Güte Euerer Excellenz mir bestimmen wird, zu liefern, und somit empfehle ich mich unterthänigst.

(Bildquelle: Wikimedia Commons)
 

Eine Reaktion zu “Listen-Archäologie (Teil 3):
Leonardo: »Ach so, ja, ich kann auch malen«”

  1. cantueso

    And did he get the job?

    I think the application is a tad too long and maybe also a bit too technical.
    He sounds like a real go-getter, but that is not how he is normally presented.

    Muttersprache: deutsch, but largely forgotten :-(

Einen Kommentar schreiben