100-Seiten-Bücher – Teil 150
Leonora Carrington: »Unten« (1973)

München, 5. März 2019, 20:42 | von Josik

Der Titel eines Berichts der supersten Künstlerin Leonora Carrington, »Unten«, hebt sich wohltuend ab von so prätentiösen Titeln wie Günter Wallraffs »Ganz unten« oder Christian Wulffs »Ganz oben – ganz unten«. Leonora Carrington beschreibt eingangs, wie sie sich immer wieder übergeben musste: »Ich hatte das Erbrechen bewußt herbeigeführt, indem ich das Wasser von Orangenblüten trank« (S. 10). Orangenblütenwasser­produktionsfirmen empfehlen eigentlich: »Orangenblütenwasser zur Gesichts- und Körperpflege auf die Haut sprühen«, und nicht: »Orangenblütenwasser trinken, um Erbrechen herbeizuführen«.

Sowieso würde ich von jenen Methoden, mit denen man Schriftsteller*innen zufolge sich oder anderen schaden kann, grundsätzlich eher abraten. So würde ich z. B. auch davor warnen, jene Suizidmethode zu praktizieren, die Elfriede Jelinek im Interview mit André Müller geschildert hat: »[M]ich umzubringen … ich könnte es nur mit Tabletten machen … Man muß die Tabletten, damit man sie nicht auskotzt, mit Apfelmus mischen … und vorher noch zusätzlich Valium schlucken.«

Leonora Carrington berichtet des Weiteren, wie ihr zur Lösung der politischen Probleme in den 1940er-Jahren eine Verständigung zwischen Spanien und England als die beste Lösung erschienen sei: »Ich begab mich deshalb in die englische Botschaft und sprach mit dem Konsul. Ich versuchte, ihn davon zu überzeugen, daß der Weltkrieg geführt werde, weil eine Gruppe von Leuten die Menschen hypnotisiere: Hitler und Co. … und daß es genüge, sich dieser hypnotischen Kräfte bewußt zu werden, um sie zu besiegen, um den Krieg zu beenden und die Welt zu befreien« (S. 26). Und daraufhin kam Leonora Carrington also für kurze Zeit in eine Nervenheilanstalt, nur weil sie, wie jeder normale Mensch, aufgrund der politischen Lage vorübergehend verrückt geworden war.

Länge des Buches: ca. 105.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Leonora Carrington: Unten. Aus dem Französischen von Edmund Jacoby. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981. S. 5–87 (= 83 Textseiten).

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

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