Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 10):
»Das Tage-Buch« (1981)

Düsseldorf, 10. Dezember 2013, 08:10 | von Luisa

(= 100-Seiten-Bücher – Teil 89)

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(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)

Neulich erzählte FJR in der LW, wie sehr er den Baron de Charlus bewundere, seines unfehlbaren Geschmacks wegen. Wem käme da nicht gleich das ebenso elegante wie unauffällige complet in den Sinn, in dem der Baron in Balbec vor die Leser tritt? Jedoch: »Ein dunkelgrüner Faden im Gewebe des Hosenstoffs war (…) auf das Streifenmuster der Strümpfe mit einem Raffinement abgestimmt, das deutlich eine sonst überall bezähmte Neigung verriet«. Eine eingewebte Enthüllung also, ein dezentes Fadenverrätertum, das Marcel natürlich sofort entdeckte.

Da der Sinn für solche Feinheiten inzwischen ausgestorben ist, konnte FJR bei seinem großen Fernsehauftritt mit Peter Voss bedenkenlos rote Socken tragen. Ob er damit etwas verriet, weiß ich nicht. Die dunkelgrünen, kaschierten Leinenfäden des 78-Seiters »Das Tage-Buch« signalisieren jedenfalls Seriosität, und die ist, im Gegensatz zu FJRs lärmend-losem 938-Seiter »Tagebücher«, tatsächlich die Grundlage dieser kleinen Schrift. »Das Tage-Buch« war eine 1920 gegründete Zeitschrift, deren Herausgeber und Autor Leopold Schwarzschild nach Paris und später in die USA fliehen musste. Schwarzschilds Artikel und Urteile waren klarsichtig, Thomas Mann und andere Schriftsteller publizierten dort, trotzdem ist die Zeitschrift längst nicht so berühmt geworden wie Ossietzkys »Weltbühne«. FJR erinnert an sie, zitiert und huldigt, und dafür soll er gepriesen sein auch dann noch, wenn Socken und Sottisen längst dahin sind.

Länge des Buches: > 100.000 Zeichen. – Ausgaben:

Fritz J. Raddatz: Das Tage-Buch. Porträt einer Zeitschrift. Königstein (Ts.): Athenäum 1981. S. 3–78 (= 76 Textseiten).

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

Eine Reaktion zu “Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 10):
»Das Tage-Buch« (1981)”

  1. Georg Klein

    „Socken und Sottisen“ wäre allein schon hochapart. Aber dazu noch der Binnenreim „Sottisen“ auf „geprIesen“:

    Just hierfür lieben wir LUISA!

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