Der Seinsüberwurf und die drei Verdoppelungen (Lottchen, Marx und Malick)

Stanford, 21. Juni 2011, 02:30 | von Srifo

Aus dem Schatten des doppelten Lottchens hat Ekkehard Knörer ja im »Freitag« den »doppelten Marx« heraustreten lassen, was als Sequel gut passt, denn 1942 hieß Kästners Drehbuch noch »Das große Geheimnis«. Beide Märxe waren vor kurzem nämlich gleichzeitig im bekannten Ferienheim Berlin zu Besuch. Sie konnten sich erst gar nicht ausstehen und fanden aber dann bei Schokoladenmilch auf irgendeine Weise heraus, dass sie durch die Scheidung ihrer Eltern getrennt wurden.

Was nun das große Geheimnis der Stunde angeht, friemelt Knörer auseinander, muss es so sein, dass obwohl die zwei Märxe »zuneh­mend blaß um die Nase« werden, sie trotzdem »egal ob auf Kopf oder Füßen« hinterlistig und qua Bekanntschaft ihrer Erzeuger (der eine aus Saarlouis, der andere aus Ljubljana) als »Virtuosen der Vernetzung« agieren.

Das sieht auch Uwe Justus Wenzel in der NZZ so. Laut seiner Beobach­tung der marxistischen Szenik gibt es einzig bei der »Tischgenossen­schaft« der Märxe, dieses täuschend einhelligen Zusammenhalts der »Keimzelle eines neuen ›Wir‹«, »allenthalben« eine neue Erkenntnis, nämlich die der Vervielfältigung. Dass es damit dann den »authentischen Marx« gar »nicht zu entdecken gibt«, hat ob der Verdopplungswirren auch Tania Martini in der taz feststellen müssen. Was bleibt, ist gegenseitige Verwechselbarkeit im Ferienlager, bei Schokomilch und Heidesand.

Selbst der alte Marx-Monadist Immanuel Wallerstein, dessen soziologisches »World-System« 1974 wider allen Anschein von nur einer Welt voll dependency sprechen wollte, hat letztens indirekt eingeräumt, dass es nach dem »next-to-last speculative bubble burst« 2008 nun vorbei ist mit dem erstrebten Glanz seiner alten Einheits-Idee. Ein Vervielfachen, »an ever-escalating stretching of the interpretation of Marxism« ist wohl die Lösung bzw. ist »actually a world depression«.

Auch das letzte Ressort der Seinsgelassenheit, ein neuer Film von Terrence Malick, kann da nicht mehr zeigen, wie alles Sein zusammen­hängt – Brad Pitt als Naturstrenge? Die Mutter Jessica Chastain als Urknallgnade? Abermals die falschen Eltern. Das klingt sogar nach einem ›ever-escalating stretching‹ von Malick. »Days of Heaven« (1978) hat jedenfalls mehr Sakralität draufgehabt. Hier könnte man jetzt wieder auf Heidegger referieren. Aber das tun ja die anderen schon. Bloß die »Zeit«-Diagnostik macht es kurz und sagt es der Tischgenossenschaft ins Gesicht: »Malicks Naturgott ist schizophren«.
 

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