100-Seiten-Bücher – Teil 2
Willem Elsschot: »Käse« (1933)

Leipzig, 18. April 2011, 17:27 | von Paco

Zu kurz sei das Buch. »Für kleine dünne Bände besteht in Deutschland augenblicklich bei dem Publikum ein verhältnismässig geringes Interesse«, schreibt der Verleger Peter Diederichs 1951 an die Über­setzer von Willem Elsschots »Käse«-Novelle. Kurz darauf erscheint der Band dann doch, ein Erfolg wird das Buch aber erst 2004 mit der überarbeiteten Neuauflage.

Frans Laarmans ist Büroschreiber auf einer Schiffswerft in Antwerpen, und das ist eigentlich auch gut so. Seine Hybris besteht nun darin, aus dem kleinbürgerlichen Kreislauf ausbrechen zu wollen, als sich die Gelegenheit bietet. Er besucht nämlich die Mittwochsgesellschaft des Anwalts van Schoonbeke, wo seine geringe Stellung zum Problem wird. Dort wird geschwätzt und große Welt gespielt, und selbst wenn der Hausherr ein Meister im Schönreden ist (aus dem Büroschreiber wird ein »Inspektor«), reicht das nicht. Laarmans wird quasi dazu gedrängt, belgischer Vertreter für einen niederländischen Käsehändler zu werden, um seine Tätigkeitsbezeichnung zu verbessern.

Er lässt sich bei der Werft krankschreiben, will seinen Schreiberposten aber nicht einfach so aufgeben. Diese Halbherzigkeit nimmt dann schon seinen späteren Sinneswandel vorweg. Was aber bis dahin geschildert wird, ist eine der komischsten Firmengründungen aller Zeiten. Laarmans spielt den Geschäftsmann so gut er kann und geht schrittweise alle Probleme an. Noch nie sind die Anschaffung von Briefpapier und eines Diplomatenschreibtisches so entzückend beschrieben wurden. Und dann werden die ersten 20 Tonnen Edamer angeliefert, vollfett.

Im Geschäftsalltag reiht sich Windigkeit an Windigkeit, und irgendwann hat Laarmans genug davon, dass er »in aller Stille und unbemerkt Käse verkaufen muss, als ob es ein Verbrechen wäre«. Er begibt sich zurück in die vertraute Eintönigkeit seines Bürolebens. Und es war alles, alles gut.

Die 24 Kurzkapitel enthalten übrigens viele schöne Käsewörter (Käseelend, Käsetestament, Käseheimsuchung), die der Autor dankenswerter gleich am Anfang schon alle auflistet.

Länge des Buches: ca. 151.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Willem Elsschot: Kaas. Übertragen von Agnes Kalmann-Matter. Düsseldorf; Köln: Eugen Diederichs Verlag 1952. S. 5(?)–118. (= 114 Textseiten)

Willem Elsschot: Käse. Aus dem Niederländischen von Agnes Kalmann-Matter und Gerd Busse. Mit einem Nachwort von Gerd Busse. Zürich: Unionsverlag 2004. S. 3–121. (= 119 Textseiten)

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

Eine Reaktion zu “100-Seiten-Bücher – Teil 2
Willem Elsschot: »Käse« (1933)”

  1. der digitale Flaneur

    hey!

    abgesehen davon, dass ich eure/deine aktuelle rubrik ohnehin phantastisch finde freut es mich wirklich sehr, dass jemand mal wieder in dem ollen elsschot blättert, seine recht ironische schreibe ist ja heute leider fast vergessen.

    danke dafür! bin gespannt wie’s weiter geht. käselob.

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