Die Traumdenfung

Paris, 5. April 2011, 09:19 | von Paco

französisch

(Version française de ce récit …)

Am frühen Sonntagnachmittag gingen wir in die Messerschmidt-Ausstellung im Louvre. Nein, dort werden keine Wrackteile von verrotteten Strahlflugzeugen ausgestellt, sondern die »Charakter­köpfe« des Franz Xaver Messerschmidt. Das sind ein paar Dutzend Büsten, hochherrlich nach allen Regeln der Kunst gestaltet, aber eben nicht mit idealisierten Gesichtszügen, sondern mit den absonderlich­sten Grimassierungen versehen.

Warum Messerschmidt (1736–1783) diese kunstgeschichtliche Einzel­tat begangen hat, darüber gibt es die abenteuerlichsten Theorien. Erst nach seinem Tod wurden die Büsten recht willkürlich mit Titeln ver­sehen, und neben »Ein mit Verstopfung Behafteter« sind wohl »Der kindisch Weinende« und »Der unfähige Fagottist« die schönsten und ausgedachtesten.

Nach einer guten halben Stunde waren wir wieder in der Métro und auf dem Weg Richtung Bibliothèque Nationale, zur Gallimard-Ausstellung, von der wir vor ein paar Tagen aus der FAZ erfahren hatten. Dort liegt zum Beispiel das vorbildlich korrigierte Manuskript von Littells »Wohl­gesinnten« aufgeschlagen in einer Vitrine, und es ist ein Brief zu sehen, den Gaston Gallimard am 11. Juli 1921 an Sigmund Freud geschrieben hat und in dem er darum bittet, die »TRAUMDENFUNG« eventuell publizieren zu dürfen (»celui de vos ouvrages que vous estimez le plus important, n’est-ce pas«).

Die sozusagen gerechte Strafe für diese Falschschreibung folgt gut 30 Jahre später in einem Brief von William Faulkner an Gallimard, 14. Juni 1951, der schon damals klingt wie mit Google Translate übersetzt: »Mon excuse [für das lange Ausbleiben des Briefs] c’est seulment que j’etais engage completer un roman lequel sera digne, on espois sincerement, de la generosite de votre pardon.« (Auf Deutsch würde das vielleicht so klingen: »Meine Entschuldigung ist bloss, dass ich beschaftigt war einen Roman vervollstandigen, welcher, man hofft aufrichtig, sich als wurdig erweisen wird der Grosszugigkeit ihres Verzeihens.«)

Und so herzallerliebst liest sich fast die gesamte Ausstellung weg, sie ist auch nicht allzu umfangreich, also gut und unangestrengt mitzuneh­men wie vorher der Messerschmidt im Louvre. Danach kauften wir noch irgendwo die FAS und trafen ein paar Leute im schönen »Rosa Bon­heur« im Parc des Buttes Chaumont. Und »das ist eigentlich alles«, wie es bei Daniil Charms heißt.

Soweit also mal wieder eine informelle sonntägliche Berichterstattung des k.u.k. Magazins Der Umblätterer (d. i. Kunst und Kultur).
 

Eine Reaktion zu “Die Traumdenfung”

  1. Marcuccio

    Ein bisschen wie Lavater in 3 D und mit mehr Action. Mein Favorit (passend zur Traumdenfung): Der Gähner

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