Massakerminiaturen (3)

Berlin, 23. Mai 2009, 21:00 | von John Roxton

Entweder Glück oder ein verdammt guter Richtschütze. Der Einschlag aus dem Nichts riss die Hügelkuppe mit einem Kreischen auseinander und die entfesselte Gischt aus Erde machte jede Orientierung, jede bewusste Unterscheidung des Raumes unmöglich. Der Tisch, auf dem eben noch der Leutnant gelegen hatte, flog zerlegt in Einzelteile durch die Luft. Platte und Beine zeigten irgendwo oben eine artistische Figur und erstarrten. Lächerlich. Sie hatten das Möbel extra aus einem der niedergebrannten Gehöfte auf die Höhe gezerrt, um ihm eine möglichst ebene Auflage für sein Gewehr zu geben. Hatte der Leutnant über­haupt gefeuert? Er konnte sich nicht erinnern. Der Scharfschütze er­schießt den Lafettenmann. Was für ein Plan. Der zweite Treffer been­dete das Taumeln und rammte ihn mit dem Kopf voran in die Erde. Es war, als hätte Antaios selbst ihn niedergerungen und ihm seine erbar­mungslosen Finger aus Dreck in Augen, Mund und Nase gestoßen.

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