Inferno in Florenz

Florenz, 30. Juli 2013, 17:59 | von Dique

Ijoma Mangold hat erkannt, warum Genrebücher immer so dick sein müssen: »In der Zeit, in der man eine Handke-Seite liest, hat man acht Dan-Brown-Seiten gelesen.« Folgt man dieser These und teilt die Seitenanzahl (für die deutsche Ausgabe sind das 688) durch 8, dann wird »Inferno« von Dan Brown zum gefühlten 100-Seiten-Buch, einem der kürzeren noch dazu.

Ich habe das nun selbst ausprobiert und kann die These bestätigen. Das Buch ist nicht mehr als 100 Seiten lang und das muss ja nicht schlecht sein. Wie Ijoma Mangold habe auch ich mich »von der ersten Seite an bestens amüsiert. Natürlich unter meinem Niveau, aber das ist nur eine Feststellung, kein Einwand.« Ich habe das Buch in Florenz gelesen, also quasi vor Ort, denn ca. 60% des Buches spielen dort.

Ich mache neuerdings Prozentangaben und gebe keine Seitenzahlen mehr an, wenn ich über Bücher rede, weil ich häufig auf dem Kindle lese. Die Vorzüge des Elektrobuchs sind besonders auf Reisen überenorm. Mit meinem Kindle-Outing riskiere ich allerdings Freundschaften und provoziere Missgunst. So wurde ich z. B. von Buchladenspezialist Richard Deiss sofort per E-Mail zusammen­gestaucht, als er davon Wind bekam, dass ich auf dem »Buchladenmörder« lese.

Die Pro-Argumente für das gedruckte Buch sind dabei selten überzeugend. Dass man sich mit dem E-Book in der Wildnis kein Feuer machen und sich damit auch nicht den Hintern abwischen kann, ist für mich nicht so richtig interessant, das habe ich noch nie gemusst. Als passionierter Badewannenleser ist für mich eher Wasserdichte ein Problem.

»Inferno« selbst ist jedenfalls in der Tat der absolute Fun. Die angebildungsbürgerlichte Reiseführerromantik macht extra Spaß, wenn man selbst gerade durch Florenz streicht und etwa unter dem Vasarikorridor langläuft, den Supersymbolist Robert Langdon gerade mit seiner jungen, intelligenten und hübschen Begleiterin Sienna Brooks durchquert. Ich las die Szene im berühmten Caffè Gilli in der Via Roma an und machte mich dann auf den Weg zur Chiesa di Santa Felicita, die direkt hinter der Ponte Vecchio liegt.

In der Kirche hängt Pontormos Meisterstück, die Deposizione dalla Croce. Wie alle Gemälde von Pontormo ist es wunderschön und wunderlich, die vielen Figuren sind ins Bild gequetscht, wirken wie reingedrängelt, für Hintergrund gibt es keinen Platz und die Farben, obgleich etwas verwaschen wirkend (das englische Adjektiv ›pale‹ erscheint passender), strahlen in hellblau, rosa und gelb. Leider sieht man das Bild nur durch Gitter und mich labert die ganze Zeit jemand an, der mich durch die Kirche führen möchte, er bleibt dabei freundlich und ich bleibe es auch.

Ich schaue mir dann doch den Rest der Kirche an, ohne den freundlichen Führer, und treffe stattdessen neben dem Altar auf eine Führerin. Sie weist mich auf eine Kapelle hin, die man nur einmal die Woche, also heute, sehen kann. Diese ist mit den feinsten gotischen Fresken bemalt und gehörte früher zu einem Nonnenkloster, welches sich im Hof befand. Die Frau ist unüberhörbar Amerikanerin, sie trägt ein Namensschild, ihr Vorname ist Gretchen. Sie ist schon ziemlich alt und versteht schlecht, sie fragt bei allem, was ich sage, mehrfach nach und ich sage und frage dann einfach weniger und überlasse ihr das Reden.

Als Gretchen erfährt, dass ich Deutscher bin, erzählt sie, dass Mussolini für den Florenz-Besuch von Hitler in der Mitte des Vasarikorridors drei Fenster eingelassen hat, damit sie aus dem Korridor einen guten Blick auf den Arno hätten.

Aber noch mal kurz zurück zum Buch. Dan Brown schreibt einfach den klassischen Pageturner. Nach jeder fünften Seite gibt es einen Cliffhanger, der einen rasend schnell durch das Buch schießen lässt. Inhaltlich ist es die übliche Brown’sche Schnitzeljagd, Langdon löst ein Rätsel nach dem anderen, die Lösung führt dann immer direkt zur nächsten Sehenswürdigkeit. Eine Weile macht das Spaß. Irgendwann wird es natürlich langweilig, aber gut, es sind ja nur ca. 100 Seiten.
 

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