Willi Winkler und der Ulf-Poschardt-Mythos

Leipzig, 23. März 2013, 12:52 | von Josik

Die Feuilletonforschung muss ihr Arbeitsgebiet nunmehr auch auf die Glamour-Zeitschrift GALA ausdehnen. Am vergangenen Sonntag, gerade als die Buchmesse dabei war, zu Ende zu gehen, machte Marcuccio in irgendeiner zwischen dem Café Puschkin und dem Hotel Seeblick gelegenen, komplett atmofreien Bäckerei mich nämlich darauf aufmerksam, dass der Aufmacher der damals aktuellen GALA von niemand Geringerem als Willi Winkler stammt.

Auf Wikipedia steht, das Motto der Zeitschrift GALA sei: »Gute Nachrichten und schöne Bilder statt negativer Schlagzeilen und Leid«. Und es bestätigt sich hier wieder einmal, dass man Wikipedia grundsätzlich nichts glauben soll. Denn wie nicht anders zu erwarten, führt Willi Winkler das besagte Motto gewohnt subversiv ad absurdum. Gute Nachrichten gibt es in seiner Titelgeschichte schlichtweg nicht, geht es darin doch um den gereiften, aber auch um den jungen Karl-Theodor zu Guttenberg.

Der erste, von der GALA-Redaktion stammende Satz unter einem Foto von Willi Winkler lautet: »Willi Winkler ist einer der renommiertesten deutschen Autoren.« Was die GALA-Redaktion dann aber im zweiten Satz dieser Bildunterschrift über Willi Winkler schreibt, ist die Tatsachenbehauptung des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts. Dort steht: »Exklusiv für GALA arbeitet er sich am Guttenberg-Mythos ab«. Der Witz dabei ist, dass Willi Winkler sich exklusiv für GALA eigentlich weniger am Karl-Theodor-zu-Guttenberg-Mythos abarbeitet als vielmehr am Ulf-Poschardt-Mythos – freilich ohne Ulf Poschardt ein einziges Mal beim Namen zu nennen.

Ulf Poschardt wird als »ein amtlich anerkannter Ersteiger der sozialen Pyramide mit untrüglichem Blick« umschrieben, und Willi Winkler zitiert aus einem 2009 in der »Welt« erschienenen Artikel von Ulf Poschardt die folgenden beiden Sätze – den ersten Satz wörtlich, den zweiten Satz nur partiell: »Ein promovierter Adliger mit einer ebenso adligen, attraktiven Frau als Hoffnungsfigur einer betont sozialen Volkspartei ist in der Heimat des Egalitären eigentlich unmöglich. Wird solches als List der Geschichte möglich, gibt es der Figur ein Profil und eine Authentizität, welche in der Politik fast erodiert war.«

Als Willi Winkler ein weiteres Mal Ulf Poschardts Namen umgeht, bezeichnet er ihn bloß als einen »Analytiker beim Abhorchen der sozialen Verhältnisse«. Besonders macht Winkler sich über Poschardts Wendung »List der Geschichte« lustig, indem er sie im vorletzten Satz seiner Story gehässigerweise noch einmal ironisch zitiert. Wenn es Schule machen sollte, dass solche genuin feuilletonistischen Kämpfe künftig vermehrt in der Yellow Press ausgefochten werden, so steigt die Spannung natürlich ins Unermessliche: Wird Ulf Poschardt einen Gegenangriff publizieren, und wenn ja, wo? Im »Gartenspaß«? Im »Umblätterer«? Im »Metal Hammer«?
 

6 Reaktionen zu “Willi Winkler und der Ulf-Poschardt-Mythos”

  1. Gregor Keuschnig

    Vielleicht sollte Tom Kummer die Poschardt-Replik schreiben. Hier oder im „stern“?

  2. Europa, Geschäftsmodelle, Gala » ronniegrob.com

    […] 5. “Willi Winkler und der Ulf-Poschardt-Mythos” (umblaetterer.de, Josik) In einem Text für die “Gala” zitiert Willi Winkler Ulf Poschardt, aber ohne ihn zu namentlich zu erwähnen. […]

  3. Jeeves

    Danke. Ich les‘ den Willi Winkler (ein Name wie bei Nick Knatterton) sehr gerne; den Artikel in diesem Blatt hab‘ ich verständlicherweise versäumt.
    .
    A propos:
    Willi Winklers bisher beste Überschrift:
    Diederichsen, halt den Sabbel!
    in der SZ am Wochenende 15/16. März 2003.

  4. herr.jedermann

    Das Blöde bei solchen Dissereien und Insidereien ist, dass sich alle Parteien als von den Argumenten und sonstigem Gegenwind unangreifbar geben (von dem, wie sie sich fühlen dabei sowieso). Für mich als Leser – sogar, wenn ich ein bisschen was zwischen den Zeilen finde – fehlt da also immer irgendwas. So bleibt es besser, sich doch am nicht-konformen (=streitbaren ) Potenzial der Schreiber zu erfreuen. Mist geschrieben haben nach meiner Erinnerung alle Genannten schon mal.

    Aber bevor man meinen Einwand auf mich anwendet: Ich gebe zu, ich lese Poschardt (na ja, zumindest manchmal) ganz gern! Und DD sowieso. Nur bei der Gala bin ich mir … äh … gerade nicht sicher …

     

  5. hand gottes

    Wer ist Willi winkler? und wer ulf poschardt? und die gala? muss man die kennen? Ich kenne nur gala von eduscho und der schmeckt nicht.

  6. Klaus Jarchow

    Ich denke mal, er wird die ‚Landlust‘ zur Gegenoffensive nutzen …

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