Watchmen, Låt den rätte komma in, Revanche

Hamburg, 16. März 2009, 15:19 | von San Andreas

Vor Monaten schon hatte der Umblätterer geargwöhnt, ob die »Watchmen«-Verfilmung ihrer Vorlage das Wasser würde reichen können. Ob Zack Snyder, Schöpfer der Schlachteplatte »300«, der Komplexität der Graphic Novel habhaft werden könne, an der die Herren Gilliam und Greengrass schon gescheitert waren. Ob der Film es fertig bringen würde, sowohl den haushohen Ansprüchen kritischer Fans zu genügen als auch unbedarften Kinogängern zu gefallen. Ob er vielleicht sogar Cineasten zu entzücken vermögen würde.

Die Antwort auf diese Fragen ist schlicht, und sie lautet: Ja. »Watchmen« ist ein ausladendes (163 Min.), kompromissloses (FSK 16) Comic-Epos geworden, das seinen Anspruch zu guten Teilen einlöst und sich dem Zeitgeist nicht über Gebühr anbiedert. Das Material bekommt kein Update verpasst wie etwa den dadurch zugrunde gerichteten »The Day the Earth Stood Still«, sondern verströmt konsequent den Vibe der Achtzigerjahre – komplett mit Kaltem Krieg, furchtbaren Frisuren und »Neunundneunzig Luftballons«.

Die Geschichte verbiegt diese Nostalgie freilich in Richtung einer alternate history, in der abgesägte Superhelden eine Verschwörung weltbewegenden Ausmaßes aufdecken, deren Urheber je nach Standpunkt als pragmatischer Retter oder als zynischer Macht­spieler gesehen werden kann.

Ambivalenzen dieser Art verzwickmühlen das Geschehen, und auch sonst bürstet der Film angenehm gegen den Strich. Er drängt einem ausgemachte Kotzbrocken als Identifikationsfiguren auf, schwelgt in ausgedehnten Flashbacks und traumartigen Dialogen. Gut, da kopiert der Film einfach mal die Vorlage, aber das ist sein Glück. Alan Moores Ergüsse sind zwar sperrig, gar unbequem – aber eben gut.

Auch visuell verlässt sich der Film auf die Vorarbeit des Originals. Die Panels von Dave Gibbons strotzten vor Details, ihre Abfolge vermittelte den Eindruck von Kamerabewegungen, bündelte Handlungsstränge in raffinierten Parallelmontagen. All das packt der Film mit hohem Aufwand in bewegte Bilder – wahnsinnig originell ist das kaum, hat aber trotzdem seinen Reiz.

Snyders Akribie verrät seine Leidenschaft, und auch wenn er vereinzelt dramatische Momente durch allzu harte Effekte versemmelt – seine Figuren entwickeln Charakter, ebenso wie der Film in seiner Gänze. Er wird nicht den ideologischen Einfluss haben wie seinerzeit die papierne Ausgabe (deren Gewicht sich längst in der Kinowelt niedergeschlagen hat), aber was filmische Umsetzungen von Comic-Großtaten angeht, muss man wohl sagen: This is as good as it gets.

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Ähnliches kann man sagen über »Låt den rätte komma in« (nach Morrisseys »Let the Right One Slip In«, dt. Titel »So finster die Nacht«), den Vampirfilm, der still und heimlich aus der Kälte Schwedens gekommen war und ohne Vorwarnung das Genre umgekrempelt hat. Vierzig Preise hat er eingeheimst, vereinzelt läuft er noch in den Kinos.

Dem Vernehmen nach ist es Zufall, dass der Film gerade in Zeiten einer regelrechten Vampir-Hochkonjunktur erscheint. Aber während die »Underworld«-Saga mit einem unrühmlichen Prequel aufwartet, »30 Days of Night« im dunklen Alaska ein unausgegorenes Gemetzel ausrichtet und »Twilight« Vampir-Klischees in einer Girlie-Soap verwurstet, kommt »Låt den rätte komma in« gänzlich originell daher.

Allerdings trägt der Film diesen Anspruch nicht vor sich her; er beeindruckt weder über clevere Stilisierung oder radikale Neuerungen – vielmehr über Auslassung. Keine Karpatenschlösser, keine uralten Clans und Fehden, kein Knoblauch und keine Holzpflöcke.

Auch die sonst gern genommenen sexuellen Konnotationen des Leben raubenden Kusses fallen weg, denn es sind rein freund­schaftliche Bande, die Eli, unsere 12-jährige, bewusst androgyn gehaltene Vampirfigur, mit dem Nachbarsjungen flicht. Diese kindlich-unschuldige Perspektive verleiht dem Film eine Poesie, die inmitten des profansten aller Settings – einer dunkel-kalten Neubausiedlung – eine eigentümliche Wirkung entfaltet.

Ab und an müssen allerdings lebende Menschen angezapft werden, das bringt das Vampirdasein nun mal mit sich. Aber auch hier hält die Regie das Splatter-Potenzial im Zaum, dosiert sparsam und unaufgeregt. Und wenn sich dann doch in einer schockierenden Eruption von Gewalt offenbart, wie weit Eli für den neuen Freund zu gehen bereit ist, dann passiert das an einem Ort, wo schon immer der beste Horror stattfand: im Kopf des Zuschauers.

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»Revanche« hieß der österreichische Oscar-Kandidat dieses Jahr, und obwohl sein Aufhänger eine oft gesehene Thriller-Prämisse ist, entpuppt sich der Film als angenehmes Korrektiv zu sattsam bekannten Formelkino. Unaufdringlich rollt die Geschichte an, treibt sich in schmuddeligen Wiener Seitenstraßen herum und pirscht sich heran an Alex, still verzweifelnder Handlanger im Rotlichtmilieu.

Der als Befreiungsschlag gedachte Banküberfall geht nicht gut aus, alle Pläne sind auf einmal nutzlos, und die drängende Frage lautet: Wer ist schuld? Opfer- und Täterrollen sind nicht ganz klar, Affekt und Bedacht ringen um die Vorderhand. Der Film macht Ahnungs­lose zu Mitwissern, lässt sie zwischenmenschlich anbandeln und schaut, was passiert.

Da hat sich die Handlung bereits aus der Stadt in die abgewetzte Idylle eines Bauernhofes zurückgezogen, dort kann der kauzige Großvater auch Hilfe gebrauchen. Und wenn Alex die zehnte Charge Holz mühsam beherrscht verhackstückt, erinnert man sich an den Titel des Films und fragt sich: Will there be blood?

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