Was vom Tage 153 übrig blieb:
Bistro Manstein, Charlottenburg

Berlin, 31. Januar 2023, 23:00 | von Paco

Aufwach: 7:45 Uhr.

🎶 Francesco Wilking & Moritz Krämer: »Der Tee von Eugenia«

… kreuz und quer karriolt der Teutonia durch Charlottenburg, immer so in Ku’dammnähe.

Auf der Wilmersdorfer Straße stoppt mich ein aufgeregter Zwanzigjähriger in grau-schwarzem Anorak und fragt mich – nach der Wilmersdorfer Straße. Eine Episode, wie sie Kien am Anfang von Canettis »Blendung« in seinem Notizbuch festhält, das er später unter dem Titel »Spaziergänge eines Sinologen« herausgeben möchte:

»Auf der Mutstraße begegnete mir ein Mensch und fragte mich nach der Mutstraße. Um ihn nicht zu beschämen, schwieg ich. Er ließ sich nicht beirren und fragte noch einige Male; sein Benehmen war höflich. Plötzlich fiel sein Blick auf ein Straßenschild.«

Irgendwann bin ich wie geplant bei Fräulein Lietz, wo man sich ein Bündel Gelbe Säcke abholen kann, offizielle Ausgabestelle. Der Lietzensee blinkt schon herüber und ich schiebe den Wagen noch nach nebenan ins …

Bistro Manstein
Witzlebenstraße 32
(Charlottenburg)

Espresso: €2,70.

Als ich vor Jahren zum letzten Mal hier war, hieß es noch ›Café‹ Manstein, inzwischen hat es aber einen Besitzerwechsel gegeben oder so.

Erst mal die SZ und darin Jens-Christian Rabes Rezension zur Studie »Gekränkte Freiheit – Aspekte des libertären Autoritarismus« von Amlinger/Nachtwey: »sie können schwungvoll schreiben, für eine sozialwissenschaftliche Studie dieses Anspruchs und Umfangs ist der Band beinahe ein Pageturner«.

Heute wieder die FAZ mit interessanteren Artikeln. Tilman Spreckelsen insinuiert anlässlich der tausendsten Folge der MDR-Krankenhausserie »In aller Freundschaft«, »dass unter den 85 Drehbuchautoren, die bisher in der Serie beschäftigt wurden, besonders viele Germanisten sind«, und zwar mit Schwerpunkt Romantik, wie die Wahl der Figurennamen nahelege: Brentano! Kreutzer! Ritter! Eichhorn! Gauß! Stein! Dazu noch die Nibelungen-Vornamen Günter und Gernot, »die recken lobelîch«, funny.

Dann ein bisschen Schaukeln im Regen auf dem Spielplatz Stuttgarter Platz und Einkaufen fürs Abendessen und schon ein paar Stunden später kann ich weiterlesen in der FAZ. Jochen Schimmang schreibt über Gabriele Weingartners Roman »Léon Saint Clairs Abschied von der Unendlichkeit«, in dem auch Wolfgang Hildesheimer vorkommt, »der welterfahrenste deutsche Autor der beiden Nachkriegsjahrzehnte«, das ist mal eine exquisite Apposition.

Uwe Justus Wenzel über Philipp Staabs Buch »Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft«. Beginnt mit einer Nacherzählung der Markus-Lanz-Folge, in die Carla Rochel eingeladen war, ohne allerdings beider Namen zu nennen.

Und dann noch Bettina Wohlfarth zu einem Band mit Texten von Julius Meier-Graefe: »Kunst Kulissen Ketzereien«. Will man sofort lesen: »Ein Artikel über einen Besuch in Essen, wo er alles andere erwartet als Kunst, ist fast eine Kurzgeschichte und von hoher Komik.« Die Rezensentin sah sich übrigens zu einer unkonventionellen Lektüre gezwungen: »Die editorische Idee, die Chronologie der Schriften umzudrehen, bleibt allerdings fragwürdig. […] Man hat […] das irritierende Gefühl, gegen den Strich zu lesen. Und fängt dann irgendwann einfach von hinten im Buche an – das heißt eigentlich von vorne.«

Nachts höre ich über die Dlf Audiothek noch das Hörspiel nach Prousts »Die Entflohene« (sechster und eigentlich ja langweiligster Teil der »Recherche«) weiter. Es kommt portioniert in vier 48-Minuten-Stücke, besonders toll Episode 3, gleich zu Beginn die Passage mit Marcels Erstaunen über die Publikation seines Artikels im »Figaro«. Es schwingt die ganze Palette an Stimmungen über die Freude des Publiziert- und Gelesenwerdens mit:

»Er [der Artikel] war nicht nur einfach das, was ich geschrieben hatte, er war das Symbol seiner Inkarnation in so vielen Geistern.«

Gute Nacht.
 

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