100-Seiten-Bücher – Teil 164
Mayra Montero: »Bolero der Leidenschaft« (1991)
München, 31. Juli 2019, 16:55 | von Josik
Es ist doch eine schöne Idee, im Titel eines Romans einen bestimmten Tanz aufzuführen, der sich gleichzeitig auf den Namen der Autorin oder des Autors reimt, so wie hier »Montero / Bolero«, oder in voller Länge eben: »Mayra Montero: Bolero der Leidenschaft«. Eigentlich sollte man daraus mal ne ganze Reihe machen, z. B.: »Stephen King: Swing der Sinnlichkeit«, »Martin Walser: Salsa des Begehrens«, »Jens Balzer: Walzer der Wollust«, »Paula Fox: Discofox der Begierde« usw.
Mayra Montero ist eine kubanisch/puerto-ricanische Schriftstellerin, also gilt für sie wohl jene Devise, die einmal in der österreichischen Tageszeitung »Die Presse« zu lesen war, nämlich »dass in hispanoamerikanischer Tradition Pornografie nicht im zehnten, sondern im achten Kapitel stattzufinden hat«. Ich zählte natürlich sofort nach, und tatsächlich hat »Bolero der Leidenschaft« insgesamt acht Kapitel. Hier ist das achte auch gleichzeitig das letzte und mit nur drei Seiten sogar das kürzeste Kapitel. Aber ausgerechnet in diesem Schlusskapitel findet nun eigentlich so gut wie mehr oder weniger überhaupt gar keine Pornografie statt! Da ist man natürlich schön angeschmiert; offenbar wünscht die Autorin, dass man auch die vorhergehenden sieben Kapitel lesen soll.
Beispielsweise im zweiten Kapitel ist die Rede von einer Frau, die sich »den Rock zwischen die Beine schob und sich vor aller Augen masturbierte« (S. 32). Wahrhaftig, ich sage Euch, da steht nicht, dass sie masturbierte, sondern da steht, dass sie »sich« masturbierte! Und es ist doch wirklich skandalös, dass ein derart auf Masturbationsliteratur spezialisierter Verlag wie der Goldmann Verlag, der die deutsche Ausgabe dieses Monterobolero herausgebracht hat, nicht weiß, dass masturbieren im Deutschen kein reflexives Verb ist. Aber gut, Übersetzungsskandale passieren halt. Also, Leute, konzentriert Euch weniger auf den einen Übersetzungsfehler und mehr auf den Inhalt dieses Buchs, den wiederzugeben hier nun leider kein Platz mehr ist.