Ohne Titel

Frankfurt/M., 19. Juni 2018, 00:14 | von Charlemagne

Samstags stand ich auf der Konstablerwache in Frankfurt am Main mitten auf dem Erzeugermarkt am Apfelweinstand von Günther Sattler aus dem Odenwald und blickte, übertrieben blumig formuliert, auf das wochenendliche Treiben.

Da Woche um Woche die gleichen Stände ihre Zelte auf dem Markt aufschlagen, sieht man auch Woche um Woche die gleichen Gesichter. Unzählige Wochenmarktbekanntschaften habe ich schon geschlossen, alles Personen, deren Name ich zwar nicht kenne, die mir aber trotzdem schon – in dieser Reihenfolge – ihre Eintracht-Dauerkarte, ein frisch geschmiertes Wurstbrot und, neulich, sogar Pizzabrötchen belegt mit Hackfleisch aus der Tupperbox angeboten haben. Meine Ausflüge auf den Wochenmarkt sind einfach unfassbar aufregend, hehe.

Eigentlich war es auch wieder Zeit, sich zu wundern, was eigentlich der Apfelweinpoet so treibt und wo er bleibt, doch stattdessen sah ich einen anderen Schriftsteller über den Markt laufen, waahristen Joachim Bessing, seineszeichens ehemaliger Quartettspieler und heute ausgesprochen beeindruckend behaarte Erscheinung. Darüber hinaus auch Autor des schönsten deutschsprachigen Buchs, das ich in den letzten Jahren so gelesen habe, »untitled«. Damals nach der Lektüre, ich las das Buch in der Wüste Namibias, flog ich erst mal weiter nach Australien, kaufte den titelstiftenden Duft und setzt mich aber auf kein Fahrrad.

»untitled« also. Fast noch besser aber ist sein Blog auf waahr.de, auf dem man ihm seit gut zwei Jahren dabei zuschauen kann, wie er langsam aber sicher Frankfurter wird, und das haut mich, als Frankfurter Wahlverwandter, natürlich um; diese Parallelität der Initiationsrituale, vom Vogelfutterkauf bei der Samenhandlung Andreas (neben dem Bürstenhaus!) bis hin zum karnivoren Selbstmordversuch beim Apfelwein Wagner – been there, done that, sehr zum Wohle!

Da lief er nun, in Jeansjacke gekleidet und mit Einkaufstüte behangen. Fast hätte ich ihm hinterhergerufen, Herr Bessing, hier!, aber ich weiß gar nicht, was ich dann weiter hätte sagen sollen. Vielleicht hätte ich ihn zum Apfelwein eingeladen und gefragt, was er samstags so auf dem Wochenmarkt kauft, so als neue Wochenmarktbekanntschaft. Seinen Vornamen immerhin kenne ich ja schon. Und dann, Eintracht-Dauerkarte, Wurstbrot, Tupperbox.
 

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