Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 2):
»Herders Konzeption der Literatur, dargelegt an seinen Frühschriften« (1958)

Leipzig, 2. Dezember 2013, 08:05 | von Marcuccio

(= 100-Seiten-Bücher – Teil 83)

Logo der Raddatz-Festwochen

(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)

Also, es fängt damit an, dass ich in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig sitze und einen der dünnsten Hundertseiter aller Zeiten öffne. 99 Seiten Haupttext aus dem Jahr 1958, in Handtipparbeit auf hauch­dünnem Butterbrotpapier vervielfältigt: So eine maschinengeschrie­bene Dissertation ist eigentlich superschön. Vor allem, wenn es sich um ein CC-Exemplar handelt, in dem das große W zu bockig war, um typografisch durchzuschlagen:

Ich starte also beim »esen des schöpferischen Künstlers« (S. 18), arbeite mich über die »idersprüchlichkeit« (ebd.) und das »illkürliche« (S. 22) zur »ahrheit« (S. 24) vor. Lese sodann über die »urzeln von Herders Harmoniestreben« (S. 37), grüße unterwegs Herrn »inckel­mann« (S. 46) und nehme später zur Kenntnis: »Homer war ein ilder« (S. 77). »ahrscheinlich« (S. 78) wenigstens. Herder, merke ich mir, ging es zu jeder Zeit um das Verhältnis von »Kunst und irklichkeit« (S. 91). »Mit anderen orten« (S. 97): Um »das Schöne, ahre, Gute« (S. 98).

Eine Frage, die ich mir beim W-Phantomzählen dann noch stelle: Ob sich in der Qualifikationsarbeit des Doktoranden schon der spätere Feuilletonist abzeichnet? Ich suche Anwandlungen und finde: nicht allzuviel. Die Liebe zum Fremdwort ist schon da; auch die Lust, im gleichen Satz abzuwatschen und zu loben, zum Beispiel Herder für seine »Hamlet«-Übersetzung. Ansonsten?

Das Herder-Zitat, das FJR der Diss als Motto vollmundig vorangestellt hat, behauptet, dass »das Erste Werk eines Menschen sein bestes seyn wird«. Da hätte unser Raddatz-Adventskalender noch ein paar Gegenbeweise.

Länge des Buches: > 100.000 Zeichen. – Ausgaben:

Fritz Joachim Raddatz: Herders Konzeption der Literatur, dargelegt an seinen Frühschriften. Berlin: Humboldt-Universität, Philosophische Fakultät. Dissertation vom 7. Mai 1958. Umfang: 140 DIN A4-Seiten, davon 99 Seiten Text, der Rest Anhang: Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Inhaltsverzeichnis, Lebenslauf. Letzterer wird in den nächsten Wochen noch stückweise in die Wikipedia eingepflegt.

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

2 Reaktionen zu “Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 2):
»Herders Konzeption der Literatur, dargelegt an seinen Frühschriften« (1958)”

  1. Richard Deiss

    Höchste Zeit, mal was über FJR zu machen- nachdem es MRR nicht mehr gibt mittlerweile der bedeutendste mit Ra beginnende deutschsprachige vor dem 2. WK geborene Literaturkritiker. Außerdem hat er dieses Jahr Geburtstag. Nicht schlimm, 1958 das W nicht tippen zu können, da gab´s ja das www noch nicht.

  2. Stuntman Bob

    Ist also der Anlass für die inkorporierte, mich hoch erfreuende, Faserland-Hommage das simultane Abwatschen und Loben in der Diss, welches an das Krachtsche Prinzip der einschränkenden Verstärkung (auch signalisiert mittels der oben zitierten Abtönungs- und Lavierungspartikel) erinnert oder doch eher autotelisch motiviert? Ich weiß jetzt nicht, ob ich mich da richtig ausgedrückt habe. Ich kann mich natürlich auch täuschen.

Einen Kommentar schreiben