Die große Ulla-Berkéwicz-Festwoche (Vorwort)

Berlin, 7. April 2013, 10:00 | von Josik

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Ulla Berkéwicz ist die klassische Hundertseiterautorin der Gegenwart. Grund genug also, dass wir eine Woche lang jeden Tag – ab morgen – einem ihrer Hundertseiter eine kleine Betrachtung widmen. Nicht bunt durcheinander, nicht nach Lust und Laune, sondern streng chronologisch geordnet – um auf diese Weise einen außerordentlichen schriftstellerischen Entwicklungsgang nachzeichnen zu können.

In dem 2010 erschienenen Werk »Überlebnis« heißt es: »Und jetzt, nach elf Büchern manchmal, in der Nacht manchmal, ist mir bang, was aus den Wortfiguren, was aus den Welten, die ich für sie entworfen habe, wohl geworden ist.« (S. 27) Ja, was ist aus ihnen wohl geworden? Dieser Frage gehen wir nach. Manche dieser inzwischen sogar schon mehr als elf Bücher unter- bzw. überschreiten die Hundertseitergrenze zwar, aber es bleiben immer noch genug Werke für eine ganze Ulla-Berkéwicz-Festwoche übrig.

Was wir während dieser Festwoche leider nicht mit würdigen können, sind Ulla Berkéwiczs Übersetzungen. Nach Angaben der Deutschen Nationalbibliothek lautet Ulla Berkéwiczs Pseudonym Johannes Fein. Eine Information zu diesem Pseudonym hat Ulla Berkéwicz offenbar an die Autorin der Studie »Clarissas Krambude – Autoren erzählen von ihren Pseudonymen« weiterleiten lassen: »Frau Unseld-Berkéwicz möchte die Geschichte ihres Pseudonyms Johannes Fein nicht preisgeben, wenn, dann wird sie sie eines Tages selbst aufschreiben, schrieb mir 2006 ihre Assistenz Frau Christina Striewski.« (S. 241)

Tatsächlich ist die Geschichte des Pseudonyms Johannes Fein bisher bloß in Umrissen bekannt. Fest steht aber, dass dieses Pseudonym eine eigene Biografie hat. Im Feuilleton des Hamburger Abendblatts vom 7./8. August 1976 wurde auf Seite 23 über die Inszenierung von Shakespeares »Sturm« am Schauspielhaus unter der Regie von Wilfried Minks berichtet. »In einem Gespräch mit Minks erhielt das Hamburger Abendblatt erste Einblicke in die Arbeit des Regisseurs und Bühnenbildners«, so heißt es in diesem Artikel aus der Feder von Eberhard von Wiese.

Und weiter: »Es wird keine ›hausgemachte‹ Übersetzung wie bei ›Othello‹ geben. Das klingt verheißungsvoll. Minks: ›Unsere Übersetzung stammt von dem Ost-Berliner Schriftsteller Johannes Fein. Ich halte sie für geglückt. Sie kommt dem englischen Original sehr nahe. Sie ist modern, ohne modernistisch zu sein. Die Schlegel-Tieck-Übersetzungen aus dem 19. Jahrhundert liegen uns doch zu fern.‹« Der Regisseur Wilfried Minks, der hier Johannes Fein, den Übersetzer des ›Sturms‹, als einen Ost-Berliner Schriftsteller ausgibt, ist natürlich niemand anderer als Ulla Berkéwiczs erster Ehemann, und man kann die ausgeklügelte Maskerade dieses Pseudonyms sowie die eigens erfundene Herkunft nur bewundern: Johannes Fein ein Ost-Berliner!

Nur noch antiquarisch angeboten wird eine 1977 im Münchner Drei Masken Verlag erschienene Ausgabe des »Mittsommernachtstraums«, wieder übersetzt von einem Johannes Fein. Und auch eine der vielen Übersetzungen von John Millington Synges Drama »The Playboy of the Western World« scheint von einem Johannes Fein zu stammen. Um all dies aber wird es in den kommenden Tagen, wie gesagt, nicht gehen, denn es wäre ja auch äußerst ermüdend, wollte man tagelang einfach nur irgendwelche Fakten aneinanderreihen. Vielmehr wenden wir uns der Literatur zu und widmen uns Ulla Berkéwiczs Hundertseiter­autorenschaft. Wenn Der Umblätterer einen Wunsch äußern dürfte, so wäre es der, dass Ulla Berkéwicz noch einen Hundertseiter über die Geschichte ihres Pseudonyms Johannes Fein verfasst.

Dass jeder ihrer bisher erschienenen Hundertseiter, die wir hier vorstellen und der literarisch interessierten Öffentlichkeit nachdrücklich ans Herz legen möchten, tatsächlich ein ausgesprochen feiner Hundertseiter ist, wird sich an jedem der kommenden sieben Tage ohnehin zur Genüge erweisen. Der Sinn der großen Ulla-Berkéwicz-Festwoche ist es also, das Publikum für Ulla Berkéwiczs Hundertseitenwerke zu gewinnen. Morgen geht’s los.
 

Eine Reaktion zu “Die große Ulla-Berkéwicz-Festwoche (Vorwort)”

  1. Gregor Keuschnig

    Ich bin sehr gespannt.

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