Husten und Durst
Giacometti in der Hamburger Kunsthalle

Hamburg, 11. Februar 2013, 11:29 | von Dique

Vor ein paar Jahren wurden ja in einer Garage rund 1000 gefälschte Giacometti-Skulpturen gefunden. Am besten fand ich damals einen Kommentator, der sagte, dass sich Arbeiten dieses Künstlers durch ihre Schlankheit eben auch besonders gut zur massenweisen Einlagerung eignen. Daran dachte ich auch, als ich in die Giacometti-Ausstellung in Hamburg ging. Diese beginnt chronologisch mit seiner surrealistischen Phase und das erste Learning ist, dass der Künstler erst gegen Ende seiner Karriere so richtig stapelfreundlich wurde.

Giacometti ist auch einer dieser nach Paris gespülten Künstler, die dann dort im Brutkasten moderner Kunst groß wurden. Er erinnert mich ein bisschen an Brâncuşi, nicht nur wegen seiner Kunst und Auswanderung nach Paris, auch wegen seiner Physiognomie und der vielen Schwarzweißfotoaufnahmen, die sein Atelier und ihn in seinem Atelier zeigen. Das Atelier von Giacometti ist aber viel gipsiger und erdiger als das von Brâncuşi, es erinnert mich, wie auch einige der in der Ausstellung gezeigten Ölgemälde, an die Textur großflächiger Anselm-Kiefer-Gemälde, rissiges Grau mit einem bisschen Weiß oder auch Braun, alles sehr ausgetrocknet.

Ich bekomme beim Ansehen der Bilder von Anselm Kiefer immer unglaublichen Durst, bei den Fotos von Giacomettis Atelier geht es mir ganz genauso. Auf einem Foto sieht man eine ganz ordentliche Frauenhandtasche auf der rissigen staubigen Ablage stehen, das gibt einen schönen Kontrast, und geraucht hat er ja auch, der Giacometti, wie wird das in diesem Atelier gerochen haben, man musste bestimmt die ganze Zeit husten und hatte ständig Durst.

Der beste Raum ist der letzte, der Entwurf der schlanken Dreifiguren­komposition für die Chase Manhattan Bank, der dann aber nicht umgesetzt wurde. Neben einer überlebensgroßen Büste und einer überlebensgroßen schlanken Frauengestalt ist auch L’Homme qui marche I dabei, der berühmte Schreitende. Den kennt man vom 100-Franken-Schein und von Sotheby’s, dort wurde vor ein paar Jahren mal einer der Bronzegüsse für über 100 Millionen Dollar versteigert. Das war deshalb ein besonderer Rekord, weil der Schreitende kein Einzelstück ist, es gibt davon sechs Abgüsse. Der hier in Hamburg hat nicht so viel gekostet, viele Besucher ziehen deshalb achtlos an ihm vorbei.
 

Eine Reaktion zu “Husten und Durst
Giacometti in der Hamburger Kunsthalle

  1. Gregor Keuschnig

    Schön, der Gedanke an Kiefer.

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