100-Seiten-Bücher – Teil 43
Elfriede Jelinek: »bukolit« (1979)

Göttingen, 7. Dezember 2012, 00:30 | von Josik

Elfriede Jelinek hat das Sekundärdrama erfunden, sie hat das Parasitärdrama erfunden, sie hat den Privatroman erfunden und sie hat schon in sehr jungen Jahren den Hörroman erfunden. So nämlich nennt sich »bukolit« im Untertitel, jenes Buch, das noch mit ca. einem Dutzend seitenfüllender Illustrationen von Robert Zeppel-Sperl versehen ist.

Im Klappentext der im Berlin Verlag erschienenen Ausgabe wird »bukolit« Jelineks »erster« Roman genannt – das ist wohl als Rant gegen den Rowohlt Verlag zu verstehen, dem Jelinek dieses Buch schon Ende der Sechziger zur Veröffentlichung angeboten hatte. Rowohlt hat dann vorher aber doch lieber »wir sind lockvögel baby!« gedruckt.

So kam es zu der kuriosen Situation, dass »bukolit« erst mit etwa einer Dekade Verspätung erschien, als Jelinek die dort praktizierte Schreibweise schon längst aufgegeben hatte: »bukolit wieder jetzt wickenkühles eigelb setzte pumpend bukolita an die lippen glaubte doch nicht wie jeder würde dasz sie flasche sei oder wuszte dies lange schon & wollte bukolita gewaltsam verändern aus lebens stellungen reißen nun.« (S. 34) Das ist nun wirklich kein besonders toller Satz, aber so schrieb man eben damals.

In ihrem Buch »Elfriede Jelinek. Eine Einführung in das Werk« erklärt die renommierte Jelinek-Exegetin Bärbel Lücke (bekannt geworden durch drei YouTube-Videos, in denen sie von einem Computer interviewt wird: 123): »bukolit [kann] auch Hitler sein und Lumumba.« (S. 21) Und das stimmt dann wahrscheinlich sogar!

Länge des Buches: ca. 114.000 Zeichen. – Ausgaben:

Elfriede Jelinek: bukolit. Hörroman. Mit Bildern von Robert Zeppel-Sperl. Hrsg. von Vintilă Ivănceanu. Wien: Rhombus-Verlag 1979. S. 1–90 (= 90 Textseiten).

Elfriede Jelinek: bukolit. Hörroman. Mit Bildern von Robert Zeppel-Sperl. Berlin: Berliner Taschenbuch-Verlag 2005. S. 3–90 (= 88 Textseiten).

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

Eine Reaktion zu “100-Seiten-Bücher – Teil 43
Elfriede Jelinek: »bukolit« (1979)”

  1. Sinan

    Habe mir wiederholt die Videos von dieser Jelinekexpertin angesehen, vom Duktus her klingt das alles wie ein Telefonstreich von Studio Braun. „Dekonstruktion, nicht? Hatte ich ja vorhin schon erwähnt. Und auch Lacan hat ja schon gesagt.“ Bla blupp. Zum Schießen. Mehr davon

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