Von Hunden und Hesse

Jena, 10. August 2012, 17:19 | von Montúfar

In dieser Woche ist Hermann Hesse seit 50 Jahren tot. Das ist ein Grund zum Feiern und die deutschen Medien tun es ausführlich. Sehr gelungen ist meines Erachtens die Extraseite der »Frankfurter Allge­meinen Sonntagszeitung« mit dem Titel »Mein Hesse-Moment«. Unter einem breiten Balken mit der Inschrift »Sommerpause« berichten sechs namhafte deutsche Autoren von ihren Leseeindrücken mit Hesse. Die Blütenlese könnte wie folgt lauten:

Sibylle Berg gibt zu, dass Hesse kein satisfaktionsfähiger Autor ist, aber seine Wirkung entfalten kann, wenn man ihn als dreizehnjährige DDR-Jugendliche auf dem Weimarer Friedhof liest.

Einen etwas weniger exquisiten Leseplatz hatte Annika Scheffel gefunden: Sie las den »Steppenwolf« auf einer Fähre, ließ ihn aber halb gelesen eben dort liegen. Hesse wirkt anscheinend nicht überall gleich gut.

Auf Clemens Meyer hat er gewirkt, deswegen hat er auch gleich mehrere Hesse-Bücher gelesen, kann sich allerdings an vieles nur noch vage erinnern.

Das Problem möglicher Erinnerungslücken umschifft Jan Peter Bremer. Er hat nämlich noch nie Hesse gelesen. Doch für einen Artikel in der FAS entfernt er sich von einer Hochzeitsgesellschaft (auf Sichtweite, damit seine Freunde ihm winken können, während er Hesse liest) und liest zusammen mit seinem Hund »Die Morgenlandfahrt«. Am Ende steht fest: Sein Hund und er hätten ein »ganz ähnliches Erlebnis« bei der Lektüre gehabt.

Auch Tino Hanekamp gesteht, dass er sich beim Hesse-Lesen wie ein Hund fühlte. Das lag bei ihm aber an der unglücklichen Liebe zu einem Mädchen, das ihm anstatt eines Korbs den »Steppenwolf« gab. Den 50. Todestag seines Autors nutzt Hanekamp deswegen für eine Kontaktanzeige: »Jana Müller, melde dich, es ist noch nicht zu spät!«

Was wird man also antworten in ein paar Jahren, wenn die unvermeid­liche Frage aufkommt: »Was ist dir in Erinnerung geblieben von Hesses 50. Todestag?«
 

7 Reaktionen zu “Von Hunden und Hesse”

  1. Gregor Keuschnig

    Was ist dir in Erinnerung geblieben von Hesses 50. Todestag?
    Auf jeden Fall nicht dieses infantile Geschwafel der zitierten Autoren. Eher vielleicht das hier.

  2. lesbarkeit

    So so, dann ist er an meinem 1. Geburtstag hops gegangen. Kein Wunder, dass ich ein Katzenmensch wurde und Tim Parks bevorzuge. Werde mich an „Simons Cat“ erinnern, die ich auf heute Teetasse geschenkt bekam! Miiiau!

  3. Siri

    Sehr geehrter Georg Keuschnig , danke für den lächerlichen link. Dann lieber fünf Autoren in der Zeitung lesen als eine einzige Zeile von Hesse-Verteidigern wie diesem Michels. Wer sein ganzes Leben nichts anders als Nobelpreis-Hesse gelesen hat, dem ist wohl nicht zu helfen. Der arme Kerl.

  4. leser

    so eine dümmliche zusammenfassung! das meiste stimmt nicht, was der blogverfasser den schriftstellern in den mund legt! frau berg schwärmt über ihre leserfahrung, herr meyer zeigt sich immer noch berührt von hesses ersten roman „peter camenzind“,vage erinnern kommt überhaupt nicht vor, bremers überlegungen teilweise auch ganz anders, alles in allem üble internetkolportage, da lese ich lieber weiter hin die fas.
    ein hesse und literaturfan

  5. Gregor Keuschnig

    @Siri
    Michels ist natürlich parteilich, aber was er über MRR sagt, trifft ja nicht nur auf das Verhältnis Hesse ./. MRR zu sondern generell auf das Literaturverständnis von MRR, den Handke schon 1968 als „unwichtigste(n), am wenigsten anregende(n), dabei am meisten selbstgerechte(n) deutsche(n) Literaturkritiker seit langem“ bezeichnet. Ein Diktum, dass schon damals stimmte. Was mir ein Autor zu sagen hat, der zugibt nichts über Hesse gelesen zu haben oder daran keine Erinnerung mehr zu haben, teilen Sie mir bitte noch mit?

  6. Matthias

    @Gregor Keuschnig
    Und angesichts einer auf großer Breite geäußerten Kritik an MRR (und einer großen Zahl von Hesse-Liebhabern) hatten Sie keinen besseren Artikel zu verlinken als ausgerechnet den, in dem geklärt wird („Natürlich konnte es ihm nicht entgehen […] dass er damit auch Wasser auf die Mühlen des Antisemitismus leitete. Deshalb hat er – um einen vielstimmigen Konsens der Geringschätzung vorzutäuschen – auch die meisten der von seiner Gunst abhängigen Redaktionskollegen dazu gebracht, sich in seinem Sinne über Hesse zu äußern. Oder kann es Zufall sein […] Ein tiefer greifendes Motiv für die Aversion […] nicht allein gegen Hesse, sondern gegen eine ganze literarische Richtung, die auf eine Humanisierung des Menschen abzielt, ist seine Allergie gegen alles Konstruktive und Ethische.“) dass der Jude, sein Hass auf alles Höhere und seine Verschwörung am Antisemitismus selbst schuld sind?
    Ich hätte mir das gern erspart!

  7. Gregor Keuschnig

    @Matthias
    Für Ihre Leseinterpretationen bin ich aber wirklich nicht verantwortlich.

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