Montaigne, übersetzt aus dem Japanischen

Paris, 20. Mai 2009, 02:14 | von Paco

Montaigne, ca. 1578 (Quelle: Wikimedia Commons)Heute endlich mal wieder den Zeitungs- und Magazin-Stapel verarztet. Im »Nouvel Obser­vateur« von vor 2 Wochen (7. Mai) fand ich (auf S. 107) einen kurzen Artikel über zwei neue Montaigne-Übersetzungen – ins Französische. (« Montaigne traduit du japonais »)

Der Artikel kreist um die Frage, ob Montaignes Essais (die ersten Bände erschienen 1580) nicht in einer Art Fremdsprache geschrieben seien. Michel Onfray, der eines der beiden frisch erschienenen Bücher bevorwortet hat, diagnostiziert gar (im Ton von Dr. House, wie der »Nouvel Obs« schreibt), dass Montaignes Französisch nachgerade zu den toten Sprachen gehöre. Montaigne braucht Botox!, schreit es also aus dem Text, bevor dann natürlich die obligatorische Kritik an einer solchen Unternehmung folgt (Tenor: Was soll das, bitte schön???).

Die erste geupdatete Version (von André Lanly, bei Gallimard) hatte nun langweiligerweise den Urtext als Vorlage, der sprachlich einfach modernisiert wurde. Bei der zweiten Version (Pascal Hervieu, bei Flammarion) handelt es sich dann aber technisch gesehen um eine echte Übersetzung. Als Vorlage für die Neufassungen zweier ausge­wählter Kapitel der Essais (»De l’expérience« und »Sur des vers de Virgile«) diente die Übersetzung ins Japanische.

Übersetzungsspiele mit maschinellen Translatoren wie Babel Fish sind immer gut für einen Scherz zwischendurch. Im vorliegenden Fall FRA–JAP–FRA hat sich aber ein menschlicher Übersetzer mehrere hundert Seiten vorgenommen, damit sich durch das Prinzip ›Stille Post‹ die blumige Schwerfälligkeit des Originals verflüchtige. Diese Übersetzung der Übersetzung bleibt jedoch als typisch romantische Potenzierung trotzdem vor allem ein luxuriöses Spiel.

In einem ähnlichen Fall hatte man jedenfalls schlagendere Gründe: Als 1823 zwei Franzosen die 1805 erschienene, von Goethe angefertigte Diderot-Übersetzung »Rameaus Neffe« in die Originalsprache rück­übertrugen, taten sie dies, weil das französische Originalmanuskript nicht lokalisierbar war (wurde erst 1891 gefunden).

Quoi qu’il en soit, vielleicht ist es alsdann auch einfach mal an der Zeit, irgendwelche deutschen Klassiker aus einer exotischen Sprache rückzuüber­setzen. Gryphius? Grimmelshausen? Oder einfach mal Kant? Oder, wenn wir mit Montaigne im 16. Jahrhundert bleiben: Vielleicht über­setzt einfach mal jemand die Lutherbibel zurück ins Althebräische bzw. Altgriechische?

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

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