Hebe Uhart: »Literaturzeitschrift«

Paris, 2. April 2009, 13:39 | von Paco

Liebe deutschsprachige Verlage!

Sie ist noch nicht ins Deutsche übersetzt, Hebe Uhart – argen­tinische Autorin, geb. 1936, zahlreiche Veröffentlichungen –, aber zumindest ihre Erzählungen wären es endlich mal wert. Ich habe gerade ihren neuen Band »Turistas« gelesen (Adriana Hidalgo 2008, 162 S.), zum Schluss gleich noch mal die darin enthaltene Erzählung »Revista literaria« (»Literaturzeitschrift«):

José, Marcos und vor allem Fernando sind nicht mehr einverstan­den. Mit der Alltäglichkeit des Lebens, der Welt, wie sie ist, der Erderwärmung und der Globalisierung. Sie wollen alles umschmeißen, sie wollen rebellieren wie noch nie jemand rebelliert hat. Und als Mittel zum Zweck gründen sie – eine Literaturzeitschrift. Natürlich eine, wie es sie noch nie vorher gegeben hat, eine, die mit allen Traditionen bricht.

Den Jungs gefällt zum Beispiel die Biografie von Gauguin, der alles hinter sich gelassen und sich nach Tahiti aufgemacht hat. Sie selbst haben allerdings schon Schwierigkeiten damit, ihre regel­mäßigen Treffen von einem Rentner-Café in ein anderes, ihrer Peer-Group entsprechendes Kaffeehaus zu verlegen. Der unbekümmerte Größenwahn literarischer Anfänger führt dann zu so etwas wie der schlimmsten aller denkbaren Schülerzeitungen. Es werden Einsen­dungen von jungen Leuten aus dem Umland von Buenos Aires zitiert und diskutiert, dass einem vor Lachen der sprichwörtliche Döner aus der Hand fällt. Beispiel:

Danach lasen sie eine Art Essay, er begann so: »Als Cortázar starb, füllte sich der Himmel mit Schmetterlingen, heißt es.«

»Gefällt mir, dieser Essay«, sagte Fernando. »Macht Eindruck.«

Marcos sagte: »Man könnte den Satz aber auch umdrehen: ›An einem Tag, an dem der Himmel voller Schmetterlinge war, starb Cortázar.‹«

Fernando war dagegen: »So ist der Satz doch völlig wertlos. Mein Gott!«

Irgendwann wird die frisch erschienene Zeitschrift öffentlich präsentiert. Es gibt ein offenes Mikro, das jedem Redewilligen zur Verfügung steht, und die meisten kommen auch nur deswegen. Am Ende verkaufen sie zwei Exemplare à 2,50 Pesos. Fernando fährt wutentbrannt von der Innenstadt in seinen Vorort zurück und verbrennt seine Restexemplare. Er will jetzt, nachdem er wegen der verknöcherten Uni-Strukturen sein Studium im ersten Jahr abgebrochen hat, doch wieder damit anfangen. Ende.

Eine andere Geschichte in dem Band handelt von »Stephan in Buenos Aires«, geschrieben im Ausländer-Spanisch eines Deutschen. Uhart hält die Deutschen sowieso für so ziemlich die wunderlichsten Wesen auf Erden, wie sie in einem Interview zugab. Also noch ein Grund, endlich spricht es mal jemand aus!

Im Herbst 2010 ist Argentinien Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Liebe deutschsprachige Verlage, reißt euch um Hebe Uhart! Um diese Erzählungen gehört ein deutscher Buchumschlag!

Mit freundlichen Grüßen,

Frank Fischer
Consortium Feuilletonorum Insaniaeque

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