Die Regionalzeitung der Buddenbrooks

Konstanz, 17. Dezember 2008, 15:36 | von Marcuccio

Das Schimpfen auf die lokalen Lübecker »Anzeigen« ist ein sehr kleines, aber feines von 1000 Motiven in den »Buddenbrooks«.

Auf S. 126 (in der Fischer-Taschenbuchausgabe von 1996) ist Tony Buddenbrook zur Sommerfrische in Travemünde. Zu Gast bei den Schwarzkopfs gibt’s Scheibenhonig zum Frühstück – und einen Plausch mit Morten, dem Sohn des Hauses:

(…) Tony, indem sie auf die Zeitung deutete:
»Steht etwas Neues drin?«
Der junge Schwarzkopf lachte und schüttelte mit spöttischem Mitleid den Kopf.
»Ach nein … Was soll wohl darin drinstehen? … Wissen Sie, diese städtischen Anzeigen sind ein klägliches Blättchen!«
»Oh? … Aber Papa und Mama haben sie immer gehalten?«
»Ja, nun!« sagte er und wurde rot … »Ich lese sie ja auch, wie Sie sehen, weil eben nichts Anderes zur Hand ist. Aber daß der Großhändler Konsul So und so seine silberne Hochzeit zu feiern gedenkt, ist nicht allzu erschütternd … Ja – ja! Sie lachen … Aber Sie sollten mal andere Blätter lesen, die Königsberger Hartungsche Zeitung … oder die Rheinische Zeitung … da würden Sie etwas Anderes finden!«

Bekanntlich ist Tony von Morten Schwarzkopf ganz angetan. Er bleibt aber bis zum Ende der Buddenbrooks ihre unerfüllte Liebe. Und so wird sie nach diesem einen Frühstück nicht nur für immer den Scheibenhonig vom Lande loben (erstmals S. 120). Auch Mortens markige Worte zu den Anzeigen leben in ihr fort: Jahrzehnte später, im Gespräch zwischen Tom und Tony, taucht das Motiv mit expliziten Versatzstücken wieder auf.

»Schwach, sehr schwach, diese ›Anzeigen‹«, sagte er.
»Mir fällt jedesmal dabei ein, was Großvater von faden und konsistenzlosen Gerichten sagte: Es schmeckt, als ob man die Zunge zum Fenster hinaushängt … In drei langweiligen Minuten ist man mit dem Ganzen fertig. Es steht einfach gar nichts darin …«
»Ja, Gott weiß es, das darfst du getrost wiederholen, Tom!« sagte Frau Permaneder, indem sie ihre Arbeit sinken ließ und an dem Klemmer vorbei auf ihren Bruder sah … »Was soll auch wohl darin stehen? Ich habe es von jeher gesagt, schon als ganz junges, dummes Ding. Diese städtischen Anzeigen sind ein klägliches Blättchen! Ich lese sie ja auch, gewiß, weil eben meistens nichts anderes zur Hand ist … Aber daß der Großhändler Konsul So und so seine silberne Hochzeit zu feiern gedenkt, finde ich meinesteils nicht allzu erschütternd. Man sollte andere Blätter lesen, die Königsberger Hartungsche Zeitung oder die Rheinische Zeitung.« (S. 617)

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