Der Rilke-Panther unter den Geysiren

Konstanz, 13. September 2008, 09:25 | von Marcuccio

»Unbedingt vermeiden«: Die aus »Ferien für immer« bekannte Rubrik für alle, die unterwegs sind, bekommt heute mal einen neuen Eintrag: den »Brubbel«.

Brubbel ist ein Kaltwassergeysir, der einzige des europäischen Festlandes. Heißt es. Und also für jeden Wanderer in der Gegend eine Reise wert. Dachten wir. Weil man bei Geysiren ja immer gern an Island und Naturgewalten denkt, eventuell auch an Erdspuk und Gespenster von Judith Hermann.

Doch: Deutschland ist nicht Island, und Brubbel in der Vulkaneifel ist vielleicht geologisch ein Geysir; rein optisch könnte er auch ein Dorf-Springbrunnen mit Intervallschaltung sein oder, das noch viel mehr, die verdreckte Kneipptretanlage von Wallenborn.

Brubbel ist ein domestizierter Geysir, aber was für einer. So ziemlich der worst case dessen, was einem Geysir passieren kann: Eingefasst in eine kreisrunde Betonschalung mit Metallbrüstung drumherum darf Brubbel (auch bei YouTube) alle 30-35 Minuten brubbeln.

Wie wir ums Brubbel-Gitter stehen und warten, dass das passiert, gehen uns, zwei Dumme, ein Gedanke, die Lyrics nicht mehr aus dem Kopf:

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe / und hinter tausend Stäben keine Welt.

Natürlich, das hier ist der Rilke-Panther unter den Geysiren. Und hatte »R.M.R« nicht sowieso ein Faible für alles, was sprudelt? Fontänen? Vielleicht müssen die Philologen ja noch mal ran, und am Ende beschreibt der Panther-Knacker der deutschen Literatur gar keine Kreatur im Pariser Jardin des Plantes … all das passiert hier, im Wasser-Verlies von Wallenborn:

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille / sich lautlos auf

… das ist genau der Moment (bei YouTube die Min. 0:20), in dem sich unter dem armseligen Drahtkäfig die braune Brühe hebt und anzeigt, dass Brubbel, nun ja, gleich kommt.

Und wie er das (bitte schön spritzsicher hinter dem Geländer) vor aller Augen tun muss,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

mit einem

»Tanz von Kraft um eine Mitte, / in der betäubt ein großer Wille steht«

Sogar der tolle Umstand, dass Brubbel, wenn er kommt, bis zu 3 Meter hoch kann, ist dann doch eine ziemliche Porno-Nummer für Touristen: Man verengte vor ein paar Jahren einfach den Durchmesser der Bohrleitung. Das erhöhte den eruptiven Druck und gibt der ganzen Geschichte sowieso den Rest, denn Brubbel kam ja nie naturgewaltig ans Licht der Welt: Er wurde, wie die örtliche Website in seltsamer Diktion vermeldet, 1933 »in seiner Einmaligkeit ›geschaffen‹«.

Wie gesagt, bitte unbedingt vermeiden.

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