Darf man das lesen? (Teil 13):
»Bücher«

Konstanz, 25. Juni 2008, 07:55 | von Marcuccio

Na, selbstverständlich darf man Bücher lesen. Bei der gleich­namigen Zeitschrift ist eine gewisse Sigrid Löffler vermutlich anderer Meinung, schließlich hat sie ihr »Journal für Bücher und Themen« seinerzeit nicht umsonst »Literaturen« getauft (und die Domain-Posse mit Christian Kracht nahm ihren Lauf, aber das ist eine andere Geschichte …).

»Bücher. Das unabhängige Magazin zum Lesen« erscheint seit 2003, in einem Verlag, von dem der eine oder andere vielleicht schon mal die »blond«, das »snowboarder MBM« oder auch »Sylt geht aus« (stand hierzu nicht schon alles in »Faserland«?) in der Hand hatte.

Zur Optik nur soviel: Heft 3/2008, mit einer makellosen Nina Hoss auf dem Cover und dem Titelthema »Einsamkeit: Das Gefühl 2008«, könnte glatt als Klon des G&J-Titels »emotion« durchgehen.

Aber ich muss gestehen, ich fühle mich, seit ich das Magazin kenne, vom normalen Feuilleton ein wenig unterversorgt, denn mindestens vier feine »Bücher«-Rubriken gibt es, die es so sonst nirgends gibt:

1. Das »Cover-Ranking«

Please judge a book by its cover: Hier werden Bücher (und zwar jeweils zwei) endlich mal unter rein verpackungsästhetischen Gesichtspunkten rezensiert. »Denn das Auge liest mit« … Die in Heft 3/2008 gestellte Frage, warum ein- und dasselbe Cover (»a rose is a rose is a rose«) hier vollkommen in Ordnung und da total daneben geht, ist wirklich eine hübsche Idee, zumal für Paratext-Freunde.

2. »Wiederentdeckte Klassiker«

Das Prinzip der Buchpatenschaft als solches ist ja nichts Neues, die lit.Cologne hat ein eigenes Veranstaltungsformat draus gemacht und der »Spiegel« präsentiert allwöchentlich »Das Buch meines Lebens«. Ob es funktioniert, hängt wie im DLF bei »Klassik-Pop-et cetera« eben immer auch davon ab, wer den Paten macht. Hier schreibt Helmut Krausser, und das seit mittlerweile 28 Folgen – womit sich das Ganze schon jetzt als Steilvorlage für ein zukünftiges Bibliotheksporträt bei »Cicero« empfiehlt.

3. »Verhinderte Bestseller«

Egon Friedell als »Klassiker, der in diesen Ferien dran ist«? Was uns Peter Richter in der FAS empfiehlt (neben »Maschinenwinter« als Strandlektüre), steht vorher hier: Schon im letzten »Bücher«-Heft feierte Björn Vedder die »Kulturgeschichte der Neuzeit« (»ein barocker Überfluss an Wissen, eine virtuose One-Man-Show«) und ihren Autor gleich dazu:

»Seinen Künstlernamen Friedell trug er seit seiner Dissertation über ›Novalis als Philosoph‹ 1904. Sein Leben in der Wiener Boheme erforderte bald Kuren gegen Alkoholismus und Fettlebigkeit. Als am 16.03.1938 SA-Männer den ›Juden Friedell‹ abholen wollten, wie er selbst meinte, sprang er aus dem Fenster seiner Wohnung in den Tod – jedoch nicht, ohne die Passanten vor seinem Aufprall zu warnen.«

4. »Überschätzte Bücher«

Eine so überschriebene Seite als letzte Seite einer Zeitschrift namens »Bücher« – das ist doch mal ein super selbstironisches Heftfinale. Dabei versteht sich das Motto durchaus als seriös, nämlich als Gelegenheit, um zwischen allerlei akuten »Feuchtgebieten« und dem nicht zitierfähigen »Neid. Ein Privatroman« noch mal nachzufragen: Was war eigentlich dran an Elfriede Jelineks »Lust« vor fast 20 Jahren, was stand da drin? Klare Antwort von Andrea Neuhaus in Bücher 3/2008: Nichts, außer einem einzigen »Altherrenwitz, ausgebreitet auf mehr als 250 Seiten«.

Literaturhypes revisited, ein Gegengift zu mancher Feuilleton-Sause, das erst retrograd so richtig heilsam wirkt.

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