Die FAS gegen Jonathan Littell

Leipzig, 18. Februar 2008, 23:47 | von Paco

Frank Schirrmacher hatte von »keinem Jahrhundertbuch« gesprochen, das Ding aber immerhin für »groß und kalt« erklärt. Natürlich war von Volker Weidermann in der gestrigen FAS (19. 2. 2008) kein fundamentaler Widerspruch zu erwarten, wobei er in seiner Besprechung die »kalt«-Komponente betont, sehr betont, und auch sein Abgestoßensein beschreibt, sehr eindrucksvoll beschreibt. Aber an der Größe des Buchs kommt nun mal offenbar keiner so schnell vorbei, und deshalb betreibt die FAS ihre Littell-Kritik anders. Und zwar so:

Als Aufmacher des FAS-Feuilletons wird eben nicht die Littell-Besprechung gebracht. Vielmehr widmet sich Johanna Adorján einem anderen, scheinbar nebensächlich-unbekannten Buch, dem späten Erinnerungsband eines KZ-Überlebenden (Shlomo Venezia: »Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz«, Karl-Blessing-Verlag).

Adorján betont, dass die deutsche Übersetzung vom Verlag »fast unbemerkt« herausgebracht wurde, sie »ist schon zu kaufen, ohne dass das jemand mitbekommen hätte«. Insofern ist dieser Feuilleton-Aufmacher ein starkes Stück: Jetzt ist auch mal wieder ein Opfer dran, und zwar ein echtes, und nicht so ein zusammengedachter Täter wie Max Aue. Das ist einfach grandios, besser kann man diesen Punkt nicht machen.

Littell dann auf den hinteren Feuilleton-Seiten, und auch diese Seite ist voll von Subversion gegen ihren Gegenstand. Die Besprechung von Volker Weidermann ätzt gegen das Buch, und wenn man den Artikel in der Mitte beendet und beiseitelegt (wie es der Rezensent auch gern mit dem Buch getan hätte), bleibt nichts von diesem Nicht-Jahrhundert-Buch.

An einer Stelle schreibt V. W., dass man irgendwann erkenne, »dass Littell eben nicht nur ein großer Quellenkenner und Menschenentblößer ist, sondern auch ein großer Schriftsteller«. Jeder Leser wird sich mit Grausen an die langatmigen Quellenkunde-Passagen erinnern, sofern er sie sich angetan hat, und das Attribut »großer Quellenkundiger« klingt hier im Text so positiv, es ist aber natürlich das genaue Gegenteil von Literatur.

Und noch etwas fällt auf dieser Feuilleton-Seite Nr. 27 auf: Im rechten unteren Viertel der Seite prangt als Werbung für die Thalia-Buchhandlungen der Hinweis auf einen Stangenware-Endzeit-Thriller, der beworben wird mit dem Slogan: »Das Buch des Monats!«

Wie auch immer dieser Werbeblock da hingelangt ist, es steht nun mal da, im direkten Vergleich mit Littell: »Black Monday« von R. Scott Reiss ist das Buch des Monats, nicht »Die Wohlgesinnten«. Deutlicher kann man den Littell-Hype nicht unterwandern. Daran können sich alle anderen mal wieder ein Beispiel nehmen. Sowas kann offenbar nur die FAS.

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