Unangekündigtes Spoiling in Buchrezensionen

London, 18. Oktober 2007, 02:02 | von Paco

Die Werke von Roberto Bolaño fordern ihre Rezensenten seit jeher dazu heraus, ein bisschen feuilletonistischen Metatext zu schreiben. So auch Ijoma Mangold, der in der S-Zeitung vom 5. Mai 2007 den eben auf deutsch erschienenen Roman »Chilenisches Nachtstück« besprochen hat. Es gibt da etwa ein paar gute Sätze über Mottos:

»Bücher, die mit einem Motto beginnen, haben oft etwas Präpotentes. Man spürt dann förmlich die Angst des Autors, sein Werk könne auf die leichte Schulter genommen werden. Um das zu verhindern, weist der Autor den Leser durch einen eingeführten Markennamen vorsichtshalber auf das angestrebte Reflexionsniveau hin. Oft ist das Motto der tiefsinnigste Teil eines Buchs.«

Usw. Das wäre mal ein lohnendes Thema für die Wochenendbeilage der SZ. Mangold jedenfalls macht sich Gedanken zu dem von Bolaño gewählten Motto von Chesterton (»Nehmen Sie die Perücke ab.«), er kommentiert: »Das ist nicht gerade ein Motto, mit dem der Leser viel anfangen könnte.« Hehe, mindestens.

Damit das hier nicht zu lang wird (Beschwerden trafen ein), nur noch das Titelthema dieses Beitrags: Das Verraten von Enden und Schlüssen. In jedem Serienjunkie-Forum würde man für unangekündigtes Spoiling ge*plonk*t werden. In Buchrezensionen ist das gang und gäbe. Auch Mangold verrät alles, und ich jetzt auch, indem ich ihn zitiere:

»Und wie die Figuren des Romans hat auch der Leser alle Hinweise entschlossen überlesen, die schon vorher in den Folter-Keller führten.«

Als Kenntnisnehmer dieser Besprechung wird man das Buch nun fundamental anders lesen und in jedem Detail nach Folteraspekten suchen. Andererseits werden von den 165 Lesern dieser Besprechung nur 7 das Buch auch tatsächlich kaufen, und nur 3 werden es lesen, einer davon nicht zuende. Insofern ist die Information dann eben doch ganz gut, weil man das Buch nicht mehr zu lesen braucht, um sein größtes Geheimnis zu erfahren.

Und das führt dann zur nächsten Diskussion, zu der neulich im Feuilleton aufgebrandeten Frage, wie man über Bücher redet, die man nicht gelesen hat.

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