Das Feuilleton-Megathema der nächsten Jahre

Konstanz, 30. Juli 2007, 22:50 | von Marcuccio

Okay, okay, die durch das Walser-Hauptmann-Papier in Verruf geratene Crew von Thomas Steinfeld kann, wenn sie will, auch ganz anders. Und sogar französisch.

Zur diesjährigen Leipziger Buchmesse stellte die Literaturseite der S-Zeitung nämlich die Frage: Comment parler des livres que l’on n’a pas lu? Das dazugehörige Buch von Pierre Bayard erscheint erst noch auf deutsch und behandelt ein Phänomen, das in den kommenden Jahren zu einem echten Feuilleton-Megathema mutieren könnte: das Phänomen des ungelesenen Buches.

Dass gerade die S-Zeitung diese Themenseite brachte (und erst noch hübsch bebilderte, nämlich mit dem passenden »Après le bal« von Ramón Casas y Carbo), das ehrt sie sehr. Denn niemand sonst lebte in den letzten Jahren aufrichtiger von der Kultur der Regalsteller als die S-Zeitung, die das Geschäftsfeld Kulturtapete für den deutschen Buchmarkt nachgerade neu erfunden hat.

Allein die Bände 1-50 der SZ-Bibliothek (»Das Original«) sollen, das hat eine buchwissenschaftliche Abschlussarbeit soeben ermittelt, 11,3 Millionen mal verkauft worden sein – von ähnlichen Effekten der ganzen Me-too-Produktion (cf. »Brigitte-« bis »Playboy-Hörbuch-Edition«, »Tagesspiegel-Kindermärchen-« bis »Woman-Endlich-Sommer-Kollektion«) ganz zu schweigen.

Ich persönlich freue mich ja jetzt schon auf den »Gesammelten Sätze-Kaiser«, den der Umblätterer 2008 als exklusives Konversationslexikon zur Bayreuther Pausenbrühwurst edieren wird.

Wo aber der Buchkäufer sowieso schon immer ein Regal weiter ist als der Buchleser, gilt es, mit dem ganzen Wahnsinn nicht mehr nur physisch (Billy bauen), sondern auch psychisch fertig zu werden. Meine Lieblings-Leseentwöhnung kommt aus der Schweiz und heißt »Endlich Nichtleser. Die beste Methode mit dem Lesen für immer aufzuhören«. Hätte sich die literaturgestresste Iris Radisch vielleicht auch mal mit in die Ferien nehmen sollen.

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