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Kaffeehaus des Monats (Teil 10)

sine loco, 4. September 2007, 00:38 | von Guest Star

(Gastbeitrag von czz)

Wenn du mal richtig Zeitung lesen willst:

Interieur des MidPoint Cafe an der Route 66.

Adrian, TX
Das MidPoint Cafe an der Route 66.

(Heaven is a place where nothing ever happens. –– Talking Heads)


Zur Hölle mit der Story!

Davos, 25. Juli 2007, 10:57 | von Guest Star

Es folgt ein Gastbeitrag von Stefan vom Netlabel VEB Film Leipzig als Replik auf San Andreas‘ gestrigen »Death Proof«-Verriss. – Paco

[Unter dem Vorbehalt, meine Meinung zu ändern, sobald ich den Film nüchtern gesehen habe:]

Zu allererst muss ich sagen: Der Mann hat Eier. Tarantino hat seinen eigenen Stil längst etabliert. Aber diesmal verzichtet er nahezu komplett auf ein klassisches Filmdesign: Wir sehen Plastikautos, Real-Life-Locations, Passanten im Bild etc. Da wird teilweise mit einer Totale draufgehalten, wo man mit näheren Einstellungen ästhetisch auf der sicheren Seite gewesen wäre. Kein Silikon an den Mädels, und die Darsteller dürfen uncool spielen.

Mutig auch die Dialoge: Die sind ellenlang und sehr konkret, womit er natürlich schwer Gefahr läuft, sich im Ton zu vergreifen. Trotzdem sehr authentisch. Und das muss man allen relevanten Figuren zusprechen, bei ›Butterfly‹ vielleicht mit Abstrichen, ihre Texte waren mir teilweise etwas overstyled.

All das erinnert ein bisschen an Gonzostyle-Netzvideos: keine klassische Dramatik, realer Look, Authentizität und viele Selbstreferenzen. Hier ist das sicher eher Tarantinos Vorliebe für B-Movies geschuldet als Internet- oder Videogame-Einflüssen, wie wir es vermutlich bei kommenden Filmemachern beobachten werden können.

Beim Gemetzel hat er sich ja diesmal vergleichsweise zurückgehalten. Die Story hat mir auch nichts gebracht, was aber okay war, denn das hatte der Film auch zu keiner Zeit versprochen. Subtext gibt es mehr als genug, vor allem auf formaler Ebene: der ganze Fußfetisch und das ›ich muss sie von einem V8 ficken lassen, sonst bekomme ich keinen hoch‹-Programm; das Selbst-Mitspielen ohne eigentlich überhaupt zu spielen, ›wir wollen hier nur saufen, saufen und saufen, also zur Hölle mit der Story!‹. Und wieder mal ein von Tarantino aus den Jagdgründen der Filmgeschichte ausgegrabener Hauptdarsteller, der mitten im Film plötzlich direkt in die Kamera spricht.

Was die Musik angeht: Da würde ich Tarantino tatsächlich ein gückliches Händchen zugestehen, denn Mainstream-Klassiker in den Soundtrack zu packen ist nicht ganz einfach. Wie das fehlschlagen kann, vor allem über kulturelle Grenzen hinweg, sieht man z. B. bei »Lost Highway«.

So sehe ich das: Während Tarantino zuletzt in »Kill Bill« nur seine handwerklichen Fähigkeiten trainiert hat, ist »Death Proof« ganz klar ein fetter Beitrag zur Evolution des Kinofilms – auf »Pulp Fiction«-Niveau. Innovation also.