100-Seiten-Bücher – Teil 111
Wsewolod Petrow: »Die Manon Lescaut von Turdej« (1946/2006)

Düsseldorf, 27. April 2014, 10:20 | von Luisa

Ja, dieses herrliche Hin und Her nimmt kein Ende. Pasternak kam zum Studium nach Marburg und übersetzte Rilke, Rilke pilgerte nach Jasnaja Polnaja zu Tolstoi, Thomas Mann schrieb »Goethe und Tolstoi«. Als »Doktor Schiwago« Deutschland erreichte, erschien sofort eine »Schiwago«-Hymne von Friedrich Sieburg in der FAZ: »Es ist ein russischer Pilger, der zu uns kommt«, und seit kurzem pilgern nun die Romane von Gaito Gasdanow zu uns, und eine weitere junge Pilgerin, jedenfalls als deutsche Übersetzung, ist Wsewolod Petrows Erzählung »Die Manon Lescaut von Turdej«, um hier bei uns aus vollem Herzen usw. Volles Herz: russisch-deutsche Spezialität.

Aus dem Grab bzw. der Schublade heraus pilgerte sie jedenfalls direkt in den Erfolg, obwohl ihr Autor lange tot ist und sie selbst eine Fast-Siebzigerin, da 1946 als Manuskript geboren, und eigentlich kam sie auch nicht zu Fuß, sondern mit der Bahn. Denn die Geschichte spielt hauptsächlich in einem Sanitätszug, der Ärzte und Krankenschwestern kreuz und quer durch die Sowjetunion befördert, darunter den Ich-Erzähler, einen Arzt, und eben Manon, eine Krankenschwester, die mit richtigem Namen Vera heißt.

Schon der Titel verspricht schöne Intertextualität, Puccinis Oper klingt im Ohr, und außerdem liest der Arzt Goethes berühmten Briefroman, was die Erwartung verstärkt, dass der Tod am Ende seine traurige Melodie dazu fidelt, schließlich herrscht gerade Zweiter Weltkrieg.

Damals wussten vielleicht alle, was der Erzähler meint, wenn er Vera nicht Vera, sondern »meine Manon« nennt. Die letzte Kinoversion des Prévost-Longsellers erklärte es in der deutschen Fassung sicherheits­halber schon im Titel: »Hemmungslose Manon». »Es fährt ein Zug nach Nirgendwo« ist aber auch nicht schlecht.

Länge des Buches: > 115.000 Zeichen. – Ausgaben:

Wsewolod Petrow: Die Manon Lescaut von Turdej. Aus dem Russischen von Daniel Jurjew. Stellenkommentar von Olga Martynova. Nachwort von Oleg Jurjew. Bonn: Weidle 2012.

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)

»Geheime Orte in Sachsen-Anhalt«

Berlin, 26. April 2014, 09:20 | von Josik

Vor ein paar Wochen habe ich dann endlich mal bei der »jungen Welt« angerufen, um nachzufragen, warum Annette Riemers geniale Serie »Geheime Orte in Sachsen-Anhalt« in den ersten sieben Folgen den Obertitel trug: »Die Provinz der Provinz«, seit der achten Folge aber plötzlich einen ganz anderen Obertitel trägt: »Die Provinz in der Provinz«.

Bernburg, Lutherstadt Eisleben, Braunsbedra, Salzwedel, Harzgerode, Schkopau und Wittenberg gehören demnach zur »Provinz der Provinz«, Raguhn-Jeßnitz, Oranienbaum und Bad Bibra hingegen zur »Provinz in der Provinz«.

Mir war nicht recht klar, warum ab Folge 8 diese bestürzende Änderung vorgenommen, warum diese Präposition eingefügt wurde. Denn das ist doch wirklich etwas Beispielloses, etwas Gewaltiges, etwas noch nie Dagewesenes, dass man mitten in einer Serie ihren Titel ändert! Und die Frage, über die man sich als Leser tage- und wochenlang den Kopf zu zerbrechen hatte, war: Was ist denn überhaupt der Unterschied zwischen der »Provinz der Provinz« und der »Provinz in der Provinz«?

Es entspann sich jedenfalls ein hochinteressantes Telefongespräch, an dessen Ende ich mir die »Provinz der Provinz« mehr wie eine binomische Provinzformel vorstellte und die »Provinz in der Provinz« mehr wie eine altrussische Provinzmatrjoschka.

Это, собственно, и всё, dachte ich also mal wieder, war dann aber später wie vom Donner gerührt, als ich bemerkte, dass die »junge Welt« der Serie ab Folge 11 schon wieder einen neuen Titel gegeben hatte, nämlich den alten. Wahnsinn!

Scans der Provinz/Provinz-Titel in der jungen Welt

Vossianische Antonomasie (Teil 54)

Berlin, 25. April 2014, 16:26 | von Josik

 

  1. Finnlands Homer
  2. der deutsche Kennedy
  3. der Goethe der Ukraine
  4. der ukrainische Victor Hugo
  5. der baltische Tschechow

 

Vossianische Antonomasie (Teil 53)

Berlin, 24. April 2014, 21:04 | von Josik

 

  1. der Philipp Rösler des ZDF
  2. der Harald Schmidt Amerikas
  3. der rheinland-pfälzische »Herr Sauer«
  4. der Orpheus des 20. Jahrhunderts
  5. der Thoreau des 21. Jahrhunderts

#265: Beilage »Literaturen«
in Cicero 4/2014, S. 135.

 

Vossianische Antonomasie (Teil 52)

Berlin, 23. April 2014, 18:07 | von Josik

 

  1. der Harald Schmidt der Facebook-Generation (uff)
  2. Юрий Гагарин современной журналистики
  3. der Mozart des Plaudertons
  4. ein ostdeutscher Proust der Berliner Lesebühnenlandschaft
  5. der Charles Bronson des indischen Detektivromans

Mit Dank an Baumanski!

 

Vossianische Antonomasie (Teil 51)

Berlin, 22. April 2014, 21:57 | von Josik

 

  1. Frankreichs Gerhard Schröder
  2. der proletarische Tolstoi
  3. ein Karl Kraus von heute
  4. ein Charlie Chaplin des Ersten Weltkriegs
  5. eine Proust von heute

 

Vossianische Antonomasie (Teil 50)

Berlin, 21. April 2014, 20:51 | von Josik

 

  1. der Robin Hood der Revolution
  2. die Daniela Katzenberger des Webs
  3. der russische Faust
  4. der Bernhard Grzimek des Ostens
  5. der Jimmy Carter unserer Zeit

 

Vossianische Antonomasie (Teil 49)

Berlin, 20. April 2014, 15:46 | von Josik

 

  1. der Leonardo DiCaprio der Spielebranche
  2. der sibirische Salinger
  3. der Jörg Kachelmann der Literatur
  4. der Thomas Mann unserer Zeit
  5. der russische Camus

 

Vossianische Antonomasie (Teil 48)

Leipzig, 19. April 2014, 18:57 | von Paco

 

  1. die Gundel Gaukeley des Medienzeitalters
  2. the Noam Chomsky of JavaScript
  3. eine Art Florence Nightingale der Dingwelt
  4. der deutsche Van Morrison
  5. der Jamie Oliver der Fotografie

Mit Dank an Baumanski (#236; WOZ 27. 3. 2014, S. 28),
@digiherz (#237), Montúfar (#238) und Daniela (#240).

 

Vossianische Antonomasie (Teil 47)

Berlin, 18. April 2014, 15:40 | von Josik

 

  1. der deutsche Scorsese
  2. der Tony Blair Italiens
  3. der galizische Kafka
  4. ein kanadischer Mark Twain
  5. ein amerikanischer Walser