Archiv des Themenkreises ›FR‹


Darf man das lesen? (Teil 5: »Frankfurter Rundschau«)

Konstanz, 7. Juli 2007, 01:19 | von Marcuccio

Gestern musste sich der Umblätterer diese Frage stellen, denn gestern war Deutschlands erstes Tabloid-Feuilleton in seinem Element, wie in alten Zeiten: Es war wieder ganz beseelt davon, vom »Gerechtigkeitsgefühl« her gegen die »FAZ« zu sein. Und so bekam auch Thierry Chervel, der Perlentaucher, der »zu seiner Verteidigung kein Printmedium zu[r] Verfügung hat«, sein Anti-»FAZ«-Forum.

Aber reicht Anti allein heute noch aus? Schließlich leben wir nicht mehr im Zeitalter des Noelle-Neumann-Diktums vom Vier-Mächte-Block zwischen »FAZ«, »SZ«, »FR« und »Welt«. Damals las gefühlt jeder vierte Zeitungsabonnenent die »Rundschau«, und Frankfurt (am Main mo sogn, nä?) war Feuilletonnabel dieser Welt.

Doch wie es so ist: Die Zeiten ändern sich. Wo der »Perlentaucher« seit 2000 so etwas wie die werktägliche Familienzusammenführung des deutschsprachigen Feuilletons (4+1) veranstaltet, nimmt sich der Umblätterer die Freiheit, die erste und bislang einzige Exzellenz-Initiative unseres heutigen Patchwork-Feuilletons (n+1) auszurichten.

Alle Statistik spricht dagegen, dass die »FR« in unserem fairen, aber harten Wettbewerb noch mal eine Chance haben wird. Und wenn doch, dann wird es eine Folge unserer Exzellenz-Initiative sein. Bis dahin wettet der Umblätterer, dass es 2007, wie schon 2005 und 2006, kein »FR«-Beitrag unter die Top 10 schaffen wird.


Das letzte Wort vom Wörthersee

Konstanz, 4. Juli 2007, 11:58 | von Marcuccio

Ok, die Klagenfurt-Reporterin sagte – wie 94 Prozent aller F-Journalisten – nicht »ich«, und auch sonst scheint es, als hätte K. M.-Z. ihre erste Klagenfurt-Lektion schnell gelernt. Nämlich die, dass es auch im ORF-Theater nur einen Spiralblock für alle gibt. Da teilte sich Elmar Krekelers »solipsistische Wörterwelt« das literaturkritische Karokästchen mit Christoph Schröders Beobachtung, »dass nicht wenige Autoren sich Solipsisten und Egomanen als Protagonisten wählten«, und schon hatte auch K. M.-Z. für die SZ notiert: »Weltekel und Solipsismus – nichts Neues in Klagenfurt.«

Non sola ipse fecit? Der Umblätterer wird das selbstständige Schaffen der K. M.-Z. auf jeden Fall weiterverfolgen. So wie wir hier ja ohnehin das einzige allumfassende Live-Monitoring des deutschen Feuilletons realisieren. Und natürlich exklusiv wissen, wer heute nicht erster Klasse reist …


Europa zwischen zwei Polen

Leipzig, 21. Juni 2007, 18:40 | von Paco

»Das ist schon gut«, sagte Gabriel, und wunderte sich trotzdem, dass ich ihm die FR-Headline von heute so überschwenglich unter die Nase hielt: »Europa zwischen zwei Polen«. Daneben ein Bild der kartoffeligen Kaczynski-Twins, wie sie auf der EU-Flagge herumstehen.

»Kann man machen.« Das Ganze sähe aber nicht nach einem professionellen, outgesourcten Headliner aus, sondern eher nach einem redaktionellen Zufallstreffer, der dann stolz aufs Cover gehoben wurde. Dann legte er mir haarklein auseinander, warum das trotzdem erst Lehrlingsprosa sei.

Eine gute Überschrift müsse nicht nur genau in beide Richtungen der Doppeldeutigkeit passen. Diese müssen natürlich auch irgendwie semantisch miteinander zu tun haben. Das fehle in der FR-Überschrift, man merke das aber nicht gleich, weil das Wortspiel einfach zu gut ist. Usw. usw. Ich verstehe da immer nur die Hälfte, vor allem, wenn er dann wieder davon spricht, wie er Überschriften »ausrechnet«, »nachrechnet« und dergleichen.

Gabriel will trotzdem mal seinen Agenten anrufen, vielleicht weiß der, ob die Überschrift nicht doch die Gelegenheitsarbeit eines hauptberuflichen Headliners ist.