Was ist nur aus der NZZ geworden!

Berlin, 21. April 2012, 15:46 | von Josik

Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem auch nicht das allerwinzigste Druckfehlerchen sich einschleichen darf, dann sind es natürlich Anagramme, da ja andernfalls der ganze Witz krepiert. Vorgestern hat die NZZ in einer kurzen und sehr launigen Sammelrezension einen ganzen Haufen Anagramme zitiert bzw. gelobt:

Barry Heck / Harry Beck und Hyde Park Corner / Prerecord Hanky sind tatsächlich sehr lustig, Lichtenrade / Hitler Dance ist unfassbar großartig, Europa anagrammiert / an Ego-Primärtrauma ist eine Spitzenleistung und Le marquis de Sade / démasqua le désir ist wirklich der absolute Hammer. Sogar Charlottenburg / Burg Rattenloch ist, obwohl die Burg unverändert bleibt, noch sehr originell.

Bei Lancester Gate / Castrate Angel aber gehen die Schwierigkeiten schon los. Offensichtlich lassen die Abschreibequalitäten der NZZ hier zu wünschen übrig: Aus Lancester Gate könnte logischerweise allenfalls Castrate Engel werden, aber zum Glück heißt es ja im Original: Lancaster Gate.

Gleich einen ganzen Zacken problematischer wird es nun bei diesem Anagramm, so wie die NZZ es zitiert: La gravitation universelle / La vitale régnant sur la vie. Man sieht auf den ersten Blick, dass in La gravitation universelle nur drei Mal der Buchstabe A vorkommt, hingegen in La vitale régnant sur la vie vier Mal. Hier wird also einfach ein A eingeschmuggelt, wo doch eigentlich noch die Buchstaben I und O übrigbleiben. Selbstverständlich hätte das Anagramm zu lauten: Loi vitale régnant sur la vie.

Geradezu hanebüchen wird es nun bei dem folgenden Anagramm: Französische Strasse / Nazi-Ressortchef. Ok, es ist klar, wie das Anagramm eigentlich gebaut wurde: Der Umlaut Ö wurde in OE umgewandelt und Strasse wurde abgekürzt zu Str. Das freilich ergibt das katastrophale Resultat: Franzoesische Str. / Nazi-Ressortchef. Auch hier sieht man natürlich auf den ersten Blick: In Franzoesische Str. kommt der Buchstabe S drei Mal vor, in Nazi-Ressortchef nur zwei Mal. Das korrekte Anagramm müsste also im Plural stehen: Nazi-Ressortchefs.

Zuerst dachte ich, dass die NZZ es hier einfach nur verabsäumt hat, ruchlosen Anagrammschwindlern das Handwerk zu legen. Aber der Fehler ist abermals bei der NZZ selbst zu suchen, wie ein Blick ins Original zeigt.

Ach, ach! Als ich vor Jahren die NZZ noch abonniert hatte, habe ich einmal irgendwo gelesen, dass dort 17 festangestellte Korrekturleser inklusive eines Anagrammredakteurs arbeiten. Wo ist dieser Mensch heute? Wo war hier der, hehe: Ressortchef? Mir ist auch völlig schleierhaft, wie die NZZ-Leserschaft nach diesem himmelschreienden Anagrammskandal so gelassen in ihren Alltagsgeschäften fortfahren kann, als wäre nichts gewesen.
 

2 Reaktionen zu “Was ist nur aus der NZZ geworden!”

  1. Hansi

    Der Ressortchef? Chefs rest or refresh cost.

  2. Richard

    Ganzz schlimm? Na gram werden sollte man darüber nicht.

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