Lost: 5. Staffel, 4. Folge

Paris, 18. Februar 2009, 23:35 | von Paco

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »The Little Prince«
Episode Number: 5.04 (#89)
First Aired: February 4, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Der kleine Prinz« (EA 30. 4. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Es ist Nacht, wir sind auf Pennys Boot, kurz nach der Rettung der Helikopterfraktion, aus deren Reihen sich später auch die Oceanic Six rekrutieren. Jack und Kate unterhalten sich. Was wird aus Aaron, fragt sich Kate, und will ihn der Öffentlichkeit als leiblichen Sohn verkaufen. Claire habe ihn sowieso zur Adoption freigeben wollen, erklärt sie, wohl um sich vor ihrem eigenen Gewissen zu legitimieren.

Es folgt ein ziemlich unerträglicher Dialog, der seine Nähe zu schlechten Soap-Opera-Scripts nicht verbergen kann. »Are you with me?«, fragt Jack, fast so schön theatralisch wie damals Caesar fragte: »Titus Pullo, are you with me!« Und Pullo antwortete damals, vor 2.000 fiktiven Jahren: »Yes, YES, Sir!« Kate sagt dann hier und heute aber im furchtbarsten Liebesschnulzenton: »I’ve always been with you.« Da ist es fast an der Zeit, das TV-Set auszuklinken.

Aber gut, blicken wir nach Los Angeles. Sun kriegt einen Stapel Überwachungsfotos geliefert: Ben und der bärtige Jack beim Beladen eines Wagens. Außerdem wird ihr eine Pistole geliefert, traditionell versteckt unter ein paar Pralinen. Und die überforderte Sun-Schauspielerin wirkt wieder nicht echt dabei, wenn sie ihr hasserfülltes Gesicht aufsetzen soll. Sie bekommt einfach den narrativen Twist ihrer Figur nicht hin, das wird von Mal zu Mal offensichtlicher und, wie Tao bei Critik en séries schreibt, »la voir en méchante est totalement grotesque. Ça aurait pu être intéressant mais je n’arrive pas à la trouver crédible une seule seconde.«

Ansonsten überschlagen sich im Off-Island-Plot die Ereignisse (was ganz praktisch ist, denn Ben wurden neulich nur 70 Stunden Zeit gegeben). Jack überwacht die Rekonvaleszenz von Sayid, der aus der Doppelfolge 5.01/5.02 immer noch Mengen von Pferde-Tranquillizer im Blut hat. Als Sayid allein ist, wird er kurz noch von einem Auftragsschergen attackiert, kann diesen aber mit seiner eigenen Munition ruhigstellen. Hurley hat sich inzwischen in Polizeigewahrsam begeben, um sich gemäß Sayids Anweisung Bens Machtbereich zu entziehen. Ben selbst kuckt dann irgendwann in Sayids Krankenhaus vorbei.

Bevor der L.-A.-Plot kulminiert, bekommt Kate noch ein Stück Nebenhandlung zugeschustert. Sie besucht diesen Anwalt Mr. Norton, der für seinen unbekannten Klienten den »exchange of custody« in Sachen Aaron herbeiführen will: »You’re going to lose the boy.« Kate will nun herausfinden, wer der ominöse Klient ist und verfolgt Mr. Norton, nachdem Jack zu ihr gestoßen ist.

Tatsächlich fährt Norton zu einem Klienten – es ist Claires Mutter, die ja mit Jacks Vater die kleine Claire gezeugt hatte. Diese Auflösung löst eigentlich ein Versprechen vom Anfang der Folge ein, als im »Previously«-Teil die Szene mit Claires Mutter und Jack aus 4.12 wiederholt wurde. Das denkt man zumindest, aber dann weiß Carole Littleton plötzlich von nix, auch nicht von ihrem Enkel Aaron. Es handelt sich also um eine dieser immer weiter getriebenen Offensichtlichkeiten, die sich dann aber in einem Story-Stoß vor den Kopf entladen und so den Spannungsbogen erweitern, wie man das aus guten und auch schlechten Krimis kennt.

Stattdessen ist Norton dann lustigerweise auch Bens Lawyer, und Ben gibt zu, dass er ihn auf Kate angesetzt hat, wahrscheinlich um sie zu konditionieren. Dann wird Kate zu einem Treffen mit Sayid und Ben gebracht. Jack erklärt ihr alles, und zwar dass sie »help everybody we left behind« wollen. Sun ist auch noch da, in der Ferne, und beobachtet mit all ihrem schlecht gespielten Hass ihren Erzfeind Ben. Sie hat auch Aaron mit dabei, natürlich, und damit wären alle 6 außer Hurley in place.

Auf der Insel …

… wird zeitlich immer noch fleißig hin und her geschüttelt. Juliet und Faraday kümmern sich um die kollabierte Charlotte. Locke erklärt Sawyer, dass er zur Orchid-Station ziehen will, weil von dort der ganze Zeitreise-Zinnober ausging. Sein Endziel ist natürlich das Zurückholen der Oceanic Six. Er hat sich auch inzwischen damit abgefunden, dass er dafür kurz sterben müssen wird. Jetzt fragt sich nur noch, wie das geschieht. Jedenfalls wird es bald soweit sein, denn seine temporäre Leiche ist ja in dem Erzählstrang außerhalb der Insel schon längst in L. A. angelangt.

Während die Locke-Truppe zur Orchid pilgert, wird der Flak-Scheinwerfer beim Hatch eingeschaltet. Wir wissen also, »wann« sich die Losties gerade befinden: in der Nacht, in der Boone gestorben ist (Folge 1.19):

LOCKE: Light came on, shot up into the sky. At the time, I thought it meant something.
SAWYER: Did it?
LOCKE: No. It was just a light.

Dann entdeckt Sawyer noch eine schöne Szene aus der Vergangenheit: Kate hilft Claire bei der Geburt ihres Sohnes (Folge 1.20). Und dann wird er auch schon weitergebeamt. Ansonsten unterhält er sich nachgerade verständnisinnig mit Juliet, das ist dann doch gut zurechtgeschrieben, und zusammen mit Jack und Kate haben wir ein schönes, relativ komplexes Beziehungsviereck (ich will das jetzt aber nicht gleich mit den »Wahlverwandtschaften« vergleichen, hehe).

Als sie im neuen Zeitabschnitt das Camp wiederfinden, ist das Dharma-Bier leider alle. Auch das Zodiac-Schlachboot ist weg, dafür steht aber ein Kanu herum, in das zufällig alle 6 hineinpassen. Das Kanu könnte von »other others« sein, vermutet Sawyer, sehr lustig. Kaum haben sie das Boot entwendet und paddeln durch den Ozean, wird von hinten auf sie geschossen. Glücklicherweise trifft wieder ein Zeitflash ein, und überhaupt wird mit dem Stilmittel ›Zeitflash‹ ziemlich verschwenderisch umgegangen.

Es folgt eine ziemlich gute Schlussszene: Ein Rettungsboot voll mit Franzosen findet und rettet den schiffbrüchigen Jin. Am nächsten Morgen erreichen sie den Inselstrand. Mit einem stark geröteten Gesicht wird Jin von einem der Frenchmen investigativ befragt, antwortet aber nur halbherzig und vage.

Dann gesellt sich eine nette und hochschwangere Französin zu ihm und stellt sich als Dannielle vor, Dannielle Rousseau. Noch hat sie ein fröhliches Pfannkuchengesicht, das wird sich in ihren nächsten Inseljahren allerdings bekanntlich ändern, und am Ende geht sie auch noch drauf (Folge 4.08), schade.

Dass der jetzige Zeitreiseschritt in Rousseaus Vergangenheit mit Jins Wiederauftauchen verknüpft wird, ist erst mal gelungen. Ein paar lose Story-Enden werden so auf interessante Weise verknüpft. Die vielen Rekurse auf Szenen aus der 1. Staffel lassen außerdem vermuten, dass es für den Gesamtplot am Ende doch noch einen eleganten Masterplan gibt. Vielleicht artet »Lost« nach dem leicht nervigen Staffelbeginn also doch nicht in SciFi-Erklärungskram aus.

2 Reaktionen zu “Lost: 5. Staffel, 4. Folge”

  1. grizou

    „Hurley ist inzwischen wieder in seine Irrenanstalt zurückgekehrt, um sich gemäß Sayids Anweisung Bens Machtbereich zu entziehen.“
    Hurley hat sich von den Polizisten verhaften lassen, um aus Bens Machtbereich zu verschwinden, und sitzt erstmal im Knast, nicht in der Klapse.

  2. Paco

    @grizou: right you are, »county lockup« ist die direkte ortsangabe (zu jack am telefon), außerdem zu erkennen an dem hervorragenden orangefarbenen jumpsuit. hab’s also oben geändert, thx.

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