Erinnerungen: Paul Newman

Hamburg, 11. Oktober 2008, 13:26 | von San Andreas

Auch Paul Newman ist von uns gegangen. In den Feuilletons wurde sein Leben und Wirken in großformatigen Elogen gewürdigt. Rollenmuster wurden analysiert, sein Charakter ergründet, seine Skandalabstinenz herausgestellt, sein soziales Engagement goutiert, seine Nudelsoßen gelobt. Alles d’accord.

Er war einer jener Schauspieler, die man meinte persönlich zu kennen, wohl weil hinter vielen seiner Rollen Newman selber vorwitzig hervorzublinzeln schien. Ein großartiger Mensch musste das sein: smart, ironisch, generös, lässig, grundsympathisch. Paul Newman war all das, wir sind davon überzeugt.

Gut sah er auch noch aus. Blendend geradezu, aber sein Aussehen verstellte nie den Blick auf den menschlichen Kern seiner Figuren. Durch seine blauen Augen entdeckte man gebrochene Existenzen, ambivalente Helden, liebenswerte Verlierer, grantelnde Zyniker. Stereotypen mochte er nicht, so scheint’s, ebenso wenig wie Manierismen und Allüren.

Newman gelang der einzigartige Coup, eine Figur im Abstand eines Vierteljahrhunderts in zwei unterschiedlichen Filmen zu verkörpern. »The Hustler« mag der bessere, weil profundere Film von beiden sein, aber allein jenen Fast Eddie Felson nach so vielen Jahren wiederzutreffen, macht »The Color of Money« zum Ereignis.

Pflichtbewusst gab Hollywood ihm für die Rolle einen Oscar, mit 61 Jahren schien es an der Zeit, aber bei Lichte besehen überragen andere Leistungen den zweiten Felson. Claudia Lenssen erinnert in ihrem Nachruf an Filme wie »Cat on a Hot Tin Roof«, »Hombre« oder das wunderbare Spätwerk »Nobody’s Fool«.

Gern erinnern wir uns auch an Lumets »The Verdict«. Newmans Darstellung des abgehalfterten Winkeladvokaten mit Neigung zum Alkohol ist grandios, und wenn man nur einen einzigen Gerichtsfilm im Leben sehen möchte, weil man das Genre eigentlich nicht mag, that’s the one.

Bei Lenssen findet der Film nur kurze Erwähnung. Und Newmans berühmteste Rollen streift die Frau gar nur im Nebensatz: »Butch Cassidy and the Sundance Kid« wäre ein »Märchen um ein smartes Banditen-Duo«, und »The Sting« lediglich dessen »mäßiger Folgefilm«. Excuse me?

Zum einen erzählt »Butch & Sundance« die einigermaßen wahre Geschichte der Herren Robert Leroy Parker und Harry Alonzo Longabaugh (der Name ihrer Bande wird zwar nicht genannt, aber man kennt ihn: »The Wild Bunch«), zum anderen ist der Film ja wohl der brillanteste Alternativ-Western, der je das Licht der Leinwand erblickte.

BC: I think we lost ’em. Do you think we lost ’em?
SK: No.
BC: Neither do I.

George Roy Hills umwerfende, fast postmoderne Genre-Kollage gibt keinen Pfifferling auf Konventionen, erhebt sich bei aller Komik mühelos über die Schublade harmloser Unterhaltung und erfindet nebenbei das Genre des ›Buddy Movies‹. Im kollektiven Filmgedächtnis bleiben u.a. Newmans Fahrradfissematenten zum Bacharach-Song, der Sprung der Verfolgten in den gähnenden Abgrund sowie der legendäre Freeze Frame am Ende des Films.

»The Sting« kommt genauso epochal daher, eine so leichtfüßige wie facettenreiche Studie der Kultur der ›con men‹ von Chicago, ebenfalls stilsicher in Szene gesetzt von George Roy Hill (der später noch »Slap Shot« mit Newman drehte). Der Ragtime-Soundtrack mag nicht in die Zeit der 30er Jahre passen, aber er passt in den Film, setzt perfekt den augenzwinkernden Ton.

DL: Mr. Shaw, we usually require a tie at this table … if you don’t have one we can get you one.
HG: Hey, that’d be real nice of you, Mr. Lonneman!
DL: Lonnegan.
HG: [nods, belches]

Große Klasse: Newman als Bauernfänger Henry Gondorff, der beim Poker mit Mobster Doyle Lonnegan (Robert Shaw) den beschwipsten Haudrauf markiert, um dann gewiefter zu betrügen als der. Wo die vier Buben plötzlich herkommen, weiß man nicht, aber Lonnegans Moment ohnmächtigen Zorns ist schier köstlich.

Die ›Daily Poll‹ der IMDb präsentierte letzte Woche die memorabelsten Rollen des Paul Newman; »Butch« und »Sting« wurden nur noch überflügelt von »Cool Hand Luke«, dem Südstaaten-Gefängnis-Drama, das zeigte, dass ein Mann fünfzig Eier am Stück essen kann, wenn er nur will. Die raue Menschlichkeit des Films berührt nach wie vor, und Newmans unbeugsamer Luke wurde zum prototypischen Rebell.

Redford war hier nicht dabei, aber in einer wunderbaren Parallelität der Schicksale spielte er Jahre später in »Brubaker« die Hauptrolle – ebenfalls ein Knastdrama in den Südstaaten, ebenfalls von Stuart Rosenberg, ebenfalls um einen kämpferischen Idealisten, nur eben auf der anderen Seite der Gitterstäbe.

»I have lost a real friend. My life – and this country – is better for his being in it.« – Robert Redford

Newman und Redford hatten der Filmgeschichte eigentlich noch einen dritten gemeinsamen Film hinzufügen wollen, eine Adaption des Bryson-Klassikers »A Walk in the Woods«. Der rapide abbauende Newman hatte das Projekt jedoch in letzter Minute absagen müssen.

Seine Rolle wäre die von Stephen Katz gewesen, einem übergewichtigen, ungehobelten Ex-Alkoholiker. Newman hätte die Rolle sicher aufs vortrefflichste ausgefüllt, so wie wir ihn kennen. Und wir kennen ihn.

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