Sacco di Roma

London, 19. August 2008, 07:17 | von Dique

Den Artikel von Andreas Kilb zur Sebastiano-Ausstellung in Berlin hatten wir schon. Er beginnt mit einer Schilderung des Sacco di Roma:

»Am 6. Mai 1527 stürmt eine panische Menschenmenge in die Engelsburg. Rom befindet sich im Ausnahmezustand: Ein spanisch-deutsches Söldnerheer hat die Mauern erstürmt, zum ersten Mal seit den Gotenkriegen ist die Stadt in die Hände einer feindlichen Armee gefallen.«

Unter denen, die Einlass in die Engelsburg erlangten, befand sich auch Sebastiano del Piombo, und die Erlebnisse um den Sacco di Roma scheinen tiefe Spuren in seinem Leben hinterlassen zu haben. Kilb erwähnt in seinem Artikel einen Brief, den Sebastiano zwei Jahre später an seinen Freund Michelangelo schrieb:

»Ich bin nicht mehr der alte Bastiano, der ich vor dem Sacco di Roma war, ich komme immer noch nicht wieder zu Verstand.«

Ich komme erneut auf diesen Artikel zurück, weil ich gerade die Autobiografie von Benvenuto Cellini lese, Zeitgenosse Sebastianos, Goldschmied, Bildhauer, Musiker und Schriftsteller, ein uomo universale der Renaissance.

Auch er befand sich im Gefolge des Medici-Papstes Clemens VII. auf der Engelsburg, beteiligte sich selbst an den kriegerischen Auseinandersetzungen und bewies, anders als Sebastiano, fast schon Jünger’sche Kriegslust:

»My drawings, my wonderful studies, and my lovely music were all forgotten in the music of the guns, and if I told in detail the great things I did in that cruel inferno I would astonish the world.«

Nun dachte ich, dass Benvenuto und Sebastiano sich doch mal über den Weg laufen würden in der belagerten Burg, schließlich war Sebastiano in Abwesenheit Michelangelos der wichtigste Maler in der Stadt, aber er wird nicht erwähnt. Erst viel später und in anderem Zusammenhang kommt Cellini in seiner Autobiografie auf ihn zu sprechen.

Ebenfalls in der Stadt hielt sich Parmigianino auf, allerdings nicht auf der schützenden Engelsburg. Er war in seinem Studio und arbeitete an einem Bild, welches Vasari wie folgt beschreibt:

»… he painted in the air the figure of Our Lady who is reading and has the Christ Child between her knees, while on the ground below he showed, kneeling on one knee, the figure of St John, who turns his body and points to Christ, in an extraordinarily beautiful attitude, and also here on earth the foreshortened figure of St Jerome in Penitence, lying asleep.«

Dieses wunderbare Altarbild hängt heute in der Londoner National Gallery, und neben Bronzinos berühmter »Allegorie« ist es das beste manieristische Werk dieser Sammlung. Jedenfalls bemerkte der in seine Arbeit vertiefte Parmigianino nichts von den marodierenden Truppen in der Stadt, auch nicht, als diese bereits in sein Haus eindrangen, und Vasari zufolge wäre es um ein Haar um den Kleinen aus Parma geschehen gewesen:

»But when they reached him and saw him at work, they were thunderstruck at the painting which they saw, and, like the gentlemen they must have been, let him continue. And so while the poor city of Rome was being devastated by the impious cruelties of those barbarian troops, profane and sacred things alike, with no respect to God or men, Francesco was provided for and greatly honoured by those Germans, and protected from all harm.«

Es geht sicher nicht nur mir so, aber immer mal wieder kommt es dazu, dass Leute erzählen, was sie am 11. September gemacht haben, also wann haben sie es erfahren, wo waren sie und was haben sie gemacht und gedacht, und dann ist der nächste dran, und wenn man Pech hat, geht es dann reihum. Erst vor ein paar Tagen gab es mal wieder so eine Nummer, dieses Mal war auch jemand dabei, der zu dieser Zeit gerade in New York war, alles gesehen, hundert Meter entfernt, konnte den Piloten erkennen, was haben wir gegähnt … was ich mich aber frage ist, ob denn in den Jahren nach dem Sacco di Roma auch so gesprochen wurde. Das wäre auch mal ein Vorschlag für einen Film zum Thema: »Sacco di Roma – Wo warst du am 6. Mai?«

2 Reaktionen zu “Sacco di Roma”

  1. jonas

    I love that post-9/11-ennui bit. I myself, by the way, was about to grab a croissant and order a second doppio with a hint of milk foam, while I put finishing brushes on my job talk ppt file at the Café Nero on Southampton Row on May 6, 1527.

  2. Dique

    You should have checked out Spinks, the antique coin dealer, right opposite Nero on Southampton Row. I bet they could have sold you a contemporary coin or medal showing one of the major figures of the Sacco di Roma. Imagine the awe you could stir in your audience using this as a visual when telling your story again!

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