Der DAAD-Koreaner: Die FAS vom 2. 3. 2008

Leipzig, 3. März 2008, 17:16 | von Paco

Einen schönen Montag allerseits, und los geht es mit dem Feuilleton-Aufmacher der gestrigen FA-Sonntagszeitung, Volker Weidermanns sehr eingängig strukturiertem Überblick zu den literarischen Neuerscheinungen des Frühjahrs. Auch die Überschrift ist hervorragend, irritiert allerdings etwas nach der Artikellektüre: »Ich weiß, was wir in diesem Frühling gelesen haben werden« kündigt sie an, aber dann sagt V. W. nicht ein einziges Mal »ich« im Artikeltext, komisch.

Dann Peter Richter, ein Porträt des Künstlers Ralf Ziervogel, der den Inhalt einer seiner Zeichnungen so angibt: »Parallel rechts pfählt eine lange Amy-Mullins-Stelze einen DAAD-Koreaner mit Zahnseide längs durch den Körper.« Etwas später schreibt Richter dann in Anspielung auf den Detailreichtum der Ziervogel-Zeichnungen: »Endlich mal eine Bildwelt, in der sich jemand um Plausibilität bemüht«, hehe. Da übrigens the erfindungskraft dieses Künstlers oft mit der Bruegels verglichen werde, weist Richter schönerweise darauf hin, dass sowohl der »Höllen-« als auch der »Blumen-Bruegel« damit gemeint sein können, die Ornamentik der abgebildeten 4 Zeichnungen plausibilisiert das auch.

Nachdem Axel Brüggemann neulich Jonas Kaufmann, ähm, porträtierte, führt er diesmal ein Interview mit Rolando Villazón, »Vielleser« und Tenor, der übrigens kein Comeback feiert, sondern nur mal kurz weg war. Wie auch immer, wenn Villazón irgendwann einmal die Stimme auf immer versagt, sollte er weiter solche Interviews geben, denn er liefert hier fulminant abgeklärte Antworten. Außerdem erklärt er, seine Stimme konstituiere sich en realidad aus drei Stimmen: 1. »ein Pferd mit Flügeln«, 2. »eine Marionette«, 3. der »Schatten einer stummen grauen Katze«.

Dann hat Julia Encke die Friederike Mayröcker im »Café Imperial« in Wien getroffen. Den Text habe ich gestern aus spontanem Interesse gleich als erstes gelesen. Es wird noch mal die Geschichte mit dem kaputten Schreibmaschinen-»ß« rekapituliert. Und dass F. M. die knallrote Freud-Ausgabe nicht bei sich zu Hause findet, ist als Bild sehr gelungen.

Den Wahlkampf im US-demokratischen Lager nimmt dann Stefan Niggemeier unter die Lupe. Good golly, »nimmt unter die Lupe«, das klingt ja jetzt schon fast wie bei der Perlentaucher-Feuilleton-Rundschau, hehe. Also, wer sich in letzter Zeit mal gefragt hat, wie Hillary Clinton eigentlich so schnell ins Abseits geraten ist, der bekommt hier eine Antwort. S. N. beschreibt die Mechanismen der mediengetriebenen, sich selbst verstärkenden »Obamania«, gegen die Clintons Strategie, »die Rolle der unvermeidlichen Kandidatin zu spielen«, schon lange nicht mehr ankommt.

Endlich gibt es auch wieder mal einen Artikel von Alban Nikolai Herbst. Leser seines »Dschungel«-Blogs wissen, dass er gerade in Sachen Musik in Spanien war, und hier ist jetzt sein Bericht über die Tournee des Konzerthausorchesters Berlin. Chefdirigent Zagrosek ist mit in der Economy-Class geflogen, und zwar hin und rück. Auch durch diese Art von Reisedetails wird ANHs Text ein gelungenes thematisches Gettogether von Tourstrapazen und Musikglück, und außerdem hat er die 6 abgebildeten Fotos selbst gemacht. Es scheint ein Trend bei der FAS zu sein, dass man heutzutage ruhig auch mal öfters Schnappschüsse der Autoren abdruckt. Dann kann es wengistens nicht passieren, dass in einem Text von einer roten Krawatte gesprochen wird, während das Agenturbild nebenan eine grüne Fliege zeigt. Und ach ja, gleich im zweiten ANH-Satz werden wir mit der für ihn typischen Eindeutschung des deutschen Wortes »Handy« bekannt gemacht: »Mobilchen«. Klingt immer noch sehr unschön (Google schlägt als Alternative vor: »Mobilküchen«, vielleicht ist das Teil des Problems), trotz Dauerverwendung im Dschungel-Blog, it just doesn’t do it for me, aber das nur nebenbei.

Dann noch Peter Körte kurz über Roland Emmerichs »10 000 BC«. Er leistet Abbitte bei Mel Gibson und dessen »Apocalypto«, denn Emmerichs Film findet er offenbar schrecklicher. Sehr schöner Satz mittendrin: »Der Forschungsstand in Sachen Präneolithikum hat Emmerich viele Freiheiten gelassen.«

5 Reaktionen zu “Der DAAD-Koreaner: Die FAS vom 2. 3. 2008”

  1. Cobalt

    wieso wird hier nicht bert rebhandls betrachtung von „im tal von elah“ erwähnt? erwähnenswert ist er nämlich
    aber das beste dieses mal war ohnehin der wirtschaftsteil
    schumpeter-biographie, ein sehr guter sonntagökonom, interview mit dem ea-chef und endlich (nach langem darben) mal wieder ein sehr gutes „neulich in meinem café“

  2. Paco

    stimmt, judith lembke ist da diesmal eine schöne kleine miniatur gelungen.

  3. ANH

    Darf ich was richtigstellen? Aber was frag ich! Ich tu’s:
    Also. „Mobilchen“ stammt nicht von mir, sondern von >>>> Barbara Bongartz. Ich habe das Begriffchen übernommen und seit den Zeiten des >>>> Inzests immer weiterverwendet. Unterdessen hat’s was Trauliches für mich. Das mit den Küchen gibt freilich zu denken.

  4. Paco

    Genau, ich versuche mir seit gestern vorzustellen, was Mobilküchen eigentlich sind, klingt wie der Name einer geheimen Panzereinheit.

    Danke jedenfalls für die Etymologie, und ich sag auch gar nichts mehr, das Wort gehört ja schon zum Klangkolorit der Dschungel.

  5. ANH

    Lachend: Ich werd es einfach nicht mehr los. Vor allem, wenn man im Gegenzug versucht, sich unter „Handy“ tatsächlich mal was vorzustellen. Das reicht dann immer vom Handschmeichler übers Feuerzeug bis irgendwie zum Dildo. Auch das deutsche „handlich“ scheint eine Rolle zu spielen… oder Heidegger: „das Zuhändliche“. Zu sehr händlich… Echt?

Einen Kommentar schreiben