Eastern Promises

London, 22. Dezember 2007, 07:25 | von Dique

Armin Müller-Stahl als russischer Mafiaboss ist ja eigentlich ein Witz. In Amerika mag das funktionieren, aber ich kaufe keinen russischen Mafiaboss mit eindeutig deutschem Akzent. Überhaupt schaffte es kein einziger Russe in diesen Film über Mafiarussen in London.

Aber das ist auch nicht der Punkt, der Film ist von David Cronenberg, der Film läuft rund, der Film fesselt und wird ähnlich packend und stringent erzählt wie »A History of Violence«, und wie dieser wird auch »Eastern Promises« von Viggo Mortensen getragen.

»I am just the driver. I go left. I go right.« Er erklärt das mit stoischer Ruhe – aber natürlich ist der bis auf die Handrücken tätowierte, in schwarzem Zuhälterchic auftretende Mortensen ein bisschen mehr als nur der Fahrer.

Es ist auch ein Film über London, und es ist erfrischend (wenn auch auf schauerliche Weise), die Stadt mal nicht als Kulisse für Filme à la »Bridget Jones«, »Love Actually« oder »Notting Hill« zu sehen. Ein Film wie »Match Point« hatte auch schon andere Seiten gezeigt, auch Brüche. »Eastern Promises« gewährt ebenso ungewohnte Blicke hinter die unscheinbaren Fassaden der Backsteinhäuser.

Dabei ist der Film keine Sozialstudie. Es wird nichts erklärt oder bewertet, es wird einfach gezeigt, und das kompromisslos. Die Kamera bleibt drauf, auch bei den Eruptionen der Gewalt, die ich mir eigentlich weggeblendet oder nur angedeutet wünschen würde.

Und weil der Film keine Sozialstudie, sondern ein Film für große Kinos und ein großes Publikum ist, benötigt er auch keine echten Russen mit Untertiteln, sondern gute Schauspieler, und die (oder einfach nur den?) hat Cronenberg gefunden, zumindest kommt mir das so vor, trotz des Akzents von Müller-Stahl.

2 Reaktionen zu “Eastern Promises”

  1. Paco

    Also мне понравился этот кульный русский акцент. Это деиствително »coole Russen«! ;-) Во всяком случаи лучше чем этот безсмысленый поршивый немецкий в кино »The Good German«, bäh!

  2. San Andreas

    Well, na ja, so schlimm fand ich Müller-Stahls Akzent gar nicht. Zumindest besser als die deutsche Synchro mit diesen unechten Kratzlauten. Cronenberg hat erzählt, er hätte einfach keine Russen gefunden, die ein verständliches Englisch sprachen.
    Dique meint, er könne gern mit weniger expliziter Gewalt auskommen. Ich auch, aber man wird das Cronenberg nicht abgewöhnen können. Zugute halten muss man ihm, dass er die Gewalt weder glamourisiert noch stilisiert, so dass der Schock im Dienste der Authentizität legitimierbar bleibt.
    Probleme hatte ich mit dem Off-Kommentar des toten Mädchens. Das Element bringt so eine literarische, fast melodramatische Ebene in den Film, einen moralinsauren Beigeschmack. Im Grunde ist so etwas unfilmisch, oder zumindest un-cronenbergesk; die paar Stichworte, die man aus dem Tagebuch erfährt, reichen vollkommen, die Handlung zu motivieren. Das Buch ist ein klassischer MacGuffin, der nicht expliziert werden muss.
    Sehr typisch für Cronenberg hingegen die Sache mit den Tattoos, das entspricht seinem morbiden Sinn für raue Körperlichkeit. Die ungeheuerliche Szene im Dampfbad ist wohl der Höhepunkt davon. Mortensen etabliert sich endgültig als ernst zu nehmender Schauspieler, Cassel gibt den Joe Pesci ganz ordentlich, und auch Watts macht das beste draus.
    Der Film erreicht vielleicht nicht ganz die Klasse von »A History of Violence«, denke ich. Er lotet die Komplexität der Materie, insbesondere die ambivalente Psychologie des ehrenhaften Schurken, nicht vollständig aus, sondern bleibt etwas beherrscht vom Thema Russenmafia. Macht ja nix. Trotzdem ein großes Vergnügen, ein effizientes Stück Millieu-Thillerkino mit Gespür für’s Detail. Cronenberg schmeißt sich dem sogenannten Mainstream nicht an den Hals, sondern bleibt bei seiner trockenen, kompromisslosen Art. Darauf einen doppelten Vodka!

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