All you Zombies

wieder in Hamburg, 27. September 2007, 23:43 | von San Andreas

Eben erst der Maschine aus Madrid entstiegen, praktisch noch den halben Cortado in der Hand, und sofort ins Kino geflitzt, hurtig das Programm gescannt und zack! im Sessel versunken.

Es soll ja Leute gegeben haben, die in der Hektik den Film »28 Days« (Bullock-Dramödie) mit »28 Days later« (Zombie-Horror) verwechselt und eine böse Überraschung erlebt haben. Den Fehler werden sie bei dem angenehm sinnfällig betitelten Sequel »28 Weeks later« nicht noch einmal machen.

Geboten wird allerdings dasselbe: Wutgeifernde, blutdurstige Virusopfer ziehen gegen Überlebende in einem entvölkerten London. Danny Boyle hat den Regiestuhl abgegeben, wohlwissend, dass der Novitätsabschlag seinem Ruf als Runderneuerer nicht eben zuträglich gewesen wäre. »Days« hatte seinerzeit das in Nischen dahindarbende Horrorgenre mit, nun ja, frischem Blut versorgt.

Wie erquicklich war es, als die dumpf dahinwankenden Romero-Zombies per Boyle-Update zu fiesen, flinken, hochinfektiösen Psychopathen mutierten, während das Pandemie-Szenario zeitgenössische Ängste reflektierte und den Film durchaus in die Nähe postapokalyptischer Perlen wie »Twelve Monkeys« oder »Mad Max« rückte.

Ungemein attraktiv natürlich allein die Prämisse, einen Menschen in einer eben noch pulsierenden Metropole auf sich allein gestellt zu sehen. Boyle verzettelte sich allerdings ein wenig im letzten Drittel; die Handlung in diesem Militärcamp litt an einer allzu fahrigen, gewollt provokanten Dramaturgie.

Gerade dieses Thema – ›Moralinstanz Militär‹ – setzt sich in der Neuauflage fort. Zunächst treten die Streitkräfte als Retter und Wiederaufbauer auf, dann, als das Virus erneut ausbricht und unter den Überlebenden fröhliche Urständ feiert, als Verantwortliche unter moralischem Zugzwang: Will man die Menschheit retten, muss getötet werden.

Doch die Grenze zwischen Infizierten und Gesunden verschwimmt aus der Distanz des Zielfernrohrs. Dies kann man als politischen Kommentar lesen, Irak und so weiter, muss man aber nicht. Es ist dennoch bezeichnend, dass die drastischsten Szenen des Films von uniformierten Helfern ausgehen: Massentötungen mit schwerem Gerät, aber leider – o Dilemma! – nicht zu vermeiden.

Dankenswerterweise stilisiert der spanische Regisseur Fresnadillo die Metzelgewalt so, dass sich ihr verstörendes Potenzial in Grenzen hält und der Film auch nicht zum billigen Guts’n’Gore-Verschnitt gerät. Die verwischten Stakkato-Montagen ergeben zusammen mit dem hypnotischen Soundtrack manchmal sogar eine ganz gefällige Filmerfahrung. Die »Welt« hält sie sogar für Annalen-würdig.

Den dramatischen Rest des Films bildet die Geschichte einer Familie, die durch eine tragische Kette von Infizierungen arg dezimiert wird. Im Grunde erschütternde Schicksale, die aber mit der genre-üblichen Lapidarität abgehandelt werden, nach dem Motto »Daddy ist jetzt einer von denen? Hmm … schade eigentlich.«

»Weeks« strebt wie sein Vorgänger nach Authentizität, sei es durch die Abwesenheit von Stars oder durch die Einbeziehung des desolaten Stadtgebiets. Dennoch wirkt die Fortsetzung größer, gewaltiger, geschliffener, und ihr Pech ist, dass auch ihre Schwächen größer und gewaltiger wirken.

Was bleibt, ist eine immer noch akzeptable Verquickung von Fantastischem aus den Archiven des Horrorgenres mit realen Ängsten vor virulenten Gefahren. Weniger beklemmend als unterhaltsam, ein leidlich origineller Adrenalinrausch aus der Splatter-Ecke, der weitaus verträglicher ausfällt als die andere neue, eher bedenkliche Blüte der Sparte: ›Torture Porn‹ made in USA.

Die Combo aus Apokalypse und Monstermovie erfährt bald weitere Variationen: Will Smith sieht sich auf sich allein gestellt in der Nicht-kleckern-sondern-klotzen-Produktion »I am Legend«, während Kidman und Craig in »The Invasion« wie weiland Wynter und McCarthy gegen böse Body Snatchers antreten. Und irgendwann – ich verwette meine ABC-Schutzmaske – kommt bestimmt auch »28 Months later«.

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