»Damit Sie was zum Lesen haben«

Leipzig, 6. September 2007, 19:59 | von Paco

Heute endlich neue Laufschuhe gekauft, und zwar nicht das dauernd von Franz empfohlene 2007er Modell Asics GT-2120, sondern lieber wieder Brooks. Jedenfalls: Die Schuhe wurden eingepackt, aber das war nicht alles, was in die Tüte wanderte. Der herrliche Verkaufsberater packte noch »unser Laufmagazin« mit hinein, »damit Sie was zum Lesen haben«.

Offenbar sah ich also extrem lesebedürftig aus, dabei kann ich seit Jahren kaum noch geradeaus kucken vor lauter Feuilleton. Wie auch immer, demnächst gibt es also eventuell »Darf man das lesen? LEX – Das Magazin«.

Mit den Brooks ging ich in die Lucca-Bar, um endlich die vorletzte FAS zu beenden, die vom 26. 8. 2007. Cobalt hatte das ja im Prinzip schon gemacht und schönerweise den Artikel von Nils Minkmar erwähnt, den über Yasmina Rezas gerade bei Flammarion erschienenes Sarkozy-Buch.

Und Marcuccio hatte den Hinweis auf eine der besten Feuilleton-Komplettseiten seit Monaten nachgeliefert, die Seite 25 dieser Ausgabe.

Auf dieser Seite gibt es eine Frage »des Frankfurter Lesers Schirrmacher« an Reich-Ranicki. Der Leser klagt mehr George-Gedichte für die Frankfurter Anthologie ein, und MRR antwortet ihm, dass er dann doch bitte mal seine versprochene Rezension eines George- oder vielleicht doch lieber Benn-Gedichts schicken soll.

Das Ganze stützt natürlich das George-Trara, das die F-Zeitung seit einiger Zeit veranstaltet, mit dem Vorabdruck der Karlauf-Biografie und dem Komplex Stauffenberg/George. MRRs ironische Beantwortung der Frage ist auch alles andere als undurchsichtig, aber seine wiederholte liebevolle Titulierung des »Frankfurter Lesers Schirrmacher« ist einfach schön zu lesen. Kleines Highlight. (Und immerhin gesteht er George mehr oder weniger Relevanz zu.)

Auf derselben Seite dann die Peter-Richter-Kolumne, der hinsichtlich Mügeln und Wurzen die Verben ›mügeln‹ und ›wurzen‹ einführt und nebenbei sehr hervorragend ostdeutsche Provinz zusammenfasst:

»sonntags Mittagstisch im ›Erbgericht‹, montagmorgens im Kleinlaster über Hof nach Bayern runter zum Arbeiten, die Tochter seit dem Abi im Westen, der Sohn ohne Abi in Waldheim«.

Kompakter geht’s fast nicht. Und nun fehlt eigentlich nur noch der Hauptartikel dieser Seite 25, Volker Weidermanns Rezension des interessantesten Buches der Saison, »Pazifik Exil« von Michael Lentz.

V. W. findet das Buch dann »als Roman« schwach, die einzelnen Emigranten-Episoden aber eben auch hochinteressant, besonders die, in der Heinrich Mann irgendwo in den Pyrenäen davon besessen ist, »den Hitler anzurufen und ihn auf der Stelle von der Notwendigkeit zu überzeugen, den ganzen Wahnsinn abzublasen«.

Soweit die vorletzte FAS. Jetzt werde ich in den Telegraph gehen und bei einem Glas Rotwein diese komische Laufzeitung lesen. Hehe.

6 Reaktionen zu “»Damit Sie was zum Lesen haben«”

  1. Franz

    Paco, what have you done !!

  2. Paco

    Konnte nicht anders, die Beratung war eben sehr gut. Gut für Brooks. ;-)

  3. Marcuccio

    »Mein langer Lauf zur Rotwein-Lektüre« – Wunderbarer Beitrag! Und »Literatur und Kunst« künftig bitte nur mit Gatorade, hehe. Aber wenn du dauernd in die Lucca-Bar gehst: wann klaust du mir endlich diese geile Wandtafel? Die hängt ja immer noch! ;-)

  4. Paco

    Ähm, es liegt in meinem Eigeninteresse, dass die da hängen bleibt, da hat man mehr gefühlten Raum beim Lesen der großen Gedanken, die in den Zeitungen stehen. Insofern: no can do.

  5. Marcuccio

    ;-) OK, ich meinte ja auch gar nicht den für raumgreifende Feuilletongedanken geeichten Spiegel, sondern dieses Gummirillen-Speisekartenteil, was man spiegelverkehrt im Spiegel sieht… Häh? Wie jetzt?! Dai, lasciamo perdere…

    Aber apropos Speisekarte: Dass die Lentz’sche Exilanten-Soap (»Deutsche Dichter unter Palmen«) ein VW-Leibgericht werden würde, war natürlich klar. Subtext sind hier ja allemal Kapitel 2 und 3 seiner Literatur- und manchmal Illustriertentongeschichte (hehe) Lichtjahre.

    Aber ich bin ja gar nicht so und empfehle die jetzt ausdrücklich als Taschenbuch, falls irgendwer da draußen noch was zum Lesen brauchen sollte… Nach Feuilleton-Punkten für den Bücherherbst führt aber erst mal noch »Karlmann«, oder? Damit bleiben wir auch diskursfähig im lesefreundlichen Laufsportladen…

  6. Cobalt

    Paco, vielleicht lag es doch an deiner Schuhwahl
    ich kaufte mir letztens ein Paar gepflegte Asics Gel Hunter und mir bat man kein Magazin an
    also könnte man die Theorie wagen, daß Brooks-Träger bemitleidenswert lesebedürftiger wirken als high-potential-ige Asics-Käufer ;-)

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