Die Heidenreich-Frage

Konstanz, 18. Juli 2007, 14:47 | von Marcuccio

Wie es ist, wenn man im Feuilleton alt wird, zeigt diese Woche nicht nur Moritz von Uslars Beobachtung des Bayreuther Audi TT im »Spiegel«. Auch Reich-Ranicki (87) schiebt, kaum dass er zwei Wochen Urlaub hatte, schon wieder Schichtdienst für »Fragen Sie Reich-Ranicki 2007/2008«. Wie ja jeder weiß, führt die FAS das exklusive Lesertelefon im deutschen Feuilleton seit Jahren als erfolgreiches Franchise der »Fragen Sie« Unlimited AG, einer 100%-igen Tochter der Leipziger Volkszeitung.

Nun,  zum Sommer-Comeback von MRR an der Strippe, gab’s gleich wieder eine ganz zentrale Frage an die deutsche Literaturkritik. FAS-Leser Dr. Herbert Rehlinger wollte wissen, was denn so von Elke Heidenreich so zu halten sei. Pause. Und der Umblätterer hörte erst ein Schnaufen, dann ein Räuspern, schließlich ein Knacken, und dann war da plötzlich Tilman Krause, verifizierter O-Ton 2004, in der Leitung …

»[…] natürlich hat diese Neujustierung des literarischen Feldes auch etwas damit zu tun, daß Figuren wie Elke Heidenreich plötzlich möglich werden, die ja auch einem Bedarf entgegenkommt, einem Typ Leser, den wir klassischen Literaturredakteure, die möglicherweise auch noch aus der Wissenschaft kommen, nicht so richtig auf der Rechnung hatten: unintellektuelle Leser eben, die übrigens nicht alle Schriftsteller verachtet haben. Ich darf Thomas Mann zitieren: ›Mich verlangt auch nach den Dummen.‹ Wir haben die Dummen vernachlässigt, nun kümmert sich Elke Heidenreich um die Dummen. Dazu hat sie noch diese herrlich authentische Unterschichten-Anmutung, die niemanden einschüchtert. Eine Putzfrau, die auch den Büchertisch aufräumt.«

Gunther Nickel (Hg.): Kaufen! statt Lesen! Literaturkritik in der Krise? Göttingen: Wallstein 2005. S. 47 f.

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