Maigret

Paris, 14. März 2010, 11:49 | von Niwoabyl

Tilman Spreckelsen hat ja für FAZ.NET alle 75 Maigret-Romane von Georges Simenon gelesen, einen pro Woche, insgesamt eineinhalb Jahre lang, und alles schön lexikonisiert. Mitte Oktober war er mit allen durch, und vor ein paar Monaten sind die Texte auch gesammelt in einem Einzelband im Maigret-Verlag Diogenes erschienen.

Wie auch immer, was die Maigret-Exegese an sich betrifft, denke ich, dass das Corpus Simenoni aus zwei Gründen absolut spannend ist:

1. Simenon wird immer wieder von der Literaturwissenschaft wiederentdeckt. Dann werden immer die gleichen zwei total verrückten Sätze zitiert. Der von García Márquez: »Simenon ist der wichtigste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.« Und der von André Gide: »Simenon est le plus grand romancier de tous, le plus vraiment romancier que nous ayons en littérature.« Der zweite ist besonders lustig, da Gide bekanntlich mit der Gattung Roman kein einfaches Verhältnis hatte und selbst auch nie einen ›Roman‹ veröffentlichen wollte. Also klingt für mich dieser Satz eher nach verschlüsselter Beschimpfung. Die »echten« Romane Simenons sind auch extrem konventionell und eh schlampig geschrieben. Die scheinbar auch eher konventionelle, anspruchslose Krimi-Reihe gehört aber zum absolut Geilsten, was die moderne französische Literatur zu bieten hat.

2. Die Maigret-Romane wurden von Simenon tatsächlich als flotte Krimis konzipiert, zur Abwechslung und Entspannung geschrieben. Und bei der fast unbewussten ewigen Wiederkehr derselben Themen und Motive sind es gerade Simenons Schlampigkeit und sein Drauflos-Schreiben, die Wunder bewirken. Soviel ich weiß, schrieb er seine Romane meistens in einer knappen Woche. Zwei Tage Grübelei, einen Tag Notizen machen, zwei bis vier Tage Niederschrift und ab ging die Post, fünf- bis zehnmal im Jahr. Was Rainald Goetz einmal in einem anderen Zusammenhang über Helmut Krausser schrieb – »der Typ hat derartig einen an der Klatsche, Wahnsinn« – gilt also unbedingt auch für Simenon. (vgl. R. G., »Abfall für alle«, 1999, S. 765)

Usw.

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